Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Frauen aus der Ukraine berichten

Ohne ihre Männer oder Väter haben sich Svetlana, Sofiia, Irina, Katerina und Viktoria ein vorläufige­s Leben in Meerbusch aufgebaut.

- VON ANGELIKA KIRCHHOLTE­S

Sie leben zwischen zwei Welten. Svetlana und Sofiia aus Kiew, Irina und Katerina aus Charkiv sowie Viktoria aus Saporischs­chja sind vor zwei Jahren Hals über Kopf aus ihrer Heimat, der Ukraine, nach Deutschlan­d geflohen. Die Bomben, die der Aggressor Russland über ihren Köpfen abwarf, zwang sie dazu, ihr Leben von heute auf morgen zu verändern. „Wir hatten gerade unser Haus renoviert. Wir hatten Pläne für die Zukunft“, sagt Viktoria.

Nun leben die vier Frauen ein neues Leben in Meerbusch und versuchen, sich hier einen neuen Alltag aufzubauen – ohne ihre Männer. Svetlana hatte damals über ein ukrainisch­es Ehepaar, das schon 20 Jahre in Meerbusch lebte, schnell eine Wohnung gefunden. Auch Viktoria und ihre Söhne wurden im März 2022 im Rheinland willkommen geheißen, zunächst in einer Souterrain­wohnung bei einer Gast-Familie in Strümp.

„Ich telefonier­e jeden Tag mit meinem Mann“, erzählt Irina, die mit ihrem zweijährig­en Sohn und ihrer Mutter geflohen war. Die Trennung falle ihr sehr schwer. Die gelernte Bürokauffr­au nimmt derzeit an einem B2-Sprachkurs in Düsseldorf teil, um sich auf den deutschen Arbeitsmar­kt vorzuberei­ten. Ihr Sohn besucht eine Kita in Dormagen, da sie bis zum Sommer 2023 dort wohnte, ehe sie eine Wohnung in Meerbusch fand. Nun wartet sie sehnsüchti­g auf einen Platz in einer Meerbusche­r Einrichtun­g. „Ohne meine Mutter könnte ich das nicht schaffen“, sagt sie.

Viktoria ist gleichfall­s mit ihren Kindern geflohen. Ihre Söhne sind bereits sieben und zwölf Jahre alt und haben sich inzwischen in der

deutschen Schule integriert. „Mein älterer Sohn möchte nicht wieder in die Ukraine zurückgehe­n. Er hat hier Freunde gefunden“, berichtet sie. Auch Viktoria ist noch dabei, ihre Sprachkenn­tnisse zu verbessern. Neben dem Besuch von Sprachkurs­en treffen sich die jungen Frauen zwei bis dreimal pro Woche im Strümper Begegnungs­café im Pappkarton, um zusammen mit der ehemaligen Lehrerin Lea Wensierski, die ehrenamtli­ch im Pappkarton Unterricht erteilt, ihre Sprachkenn­tnisse zu verbessern.

„Sie ist nicht nur Lehrerin, sondern Freundin. Sie hat ein großes Herz“, lobt Viktoria. Auch sie möchte bald eigenes Geld verdienen.

Als Logistikfa­chfrau leitete sie in der Ukraine in einem Metallurgi­eUnternehm­en eine Abteilung mit 80 Mitarbeite­rn. Das fehlt ihr. „Am Anfang hatten wir noch oft Kontakt über Videokonfe­renzen, aber inzwischen ist das Unternehme­n wegen der Kriegsausw­irkungen geschrumpf­t“, berichtet sie. Um in Meerbusch besser über die Runden zu kommen, nimmt sie, ebenso wie Svetlana, immer mal wieder Jobs in der Eventbranc­he als Servicekra­ft an. Svetlana, die geschieden ist, und ihre Tochter Sofiia denken inzwischen darüber nach, in Deutschlan­d zu bleiben. Als IT-Ingenieuri­n im Energiesek­tor hätte sie eigentlich gute Chancen auf dem deutschen

Arbeitsmar­kt. „Auf jeden Fall möchte ich hier studieren“, unterstrei­cht Sofiia. Doch dafür müsse sie noch einiges tun. Es sei anstrengen­d, im Krefelder Sybille-Merian-Gymnasium mitzuhalte­n. Und: „Freunde habe ich da noch nicht gefunden“, bedauert sie.

„Mein Cousin kämpft an der Front“, berichtet Svetlana. „Und meine Mutter strickt Socken für die Soldaten.“Die Männer von Irina und Viktoria sind bisher noch nicht eingezogen worden. „Aber das kann jederzeit passieren“, wissen sie.

Was die Zukunft bringt? Sie wissen es nicht, sondern wollen dann, wenn Frieden herrscht, gemeinsam mit ihren Männern entscheide­n, wo ihr gemeinsame­s Leben stattfinde­n soll, in der Ukraine oder in Deutschlan­d.

Für Katerina, die nebenbei in einer Arztpraxis putzt, ist es dagegen jetzt schon klar, dass sie in Deutschlan­d bleiben will. „Ich möchte auf jeden Fall hier studieren“, sagt sie. Ihr Bruder und dessen Familie leben bereits seit einigen Jahren in Halle an der Saale. Der Neffe habe gar eine Auszeichnu­ng bei der Mathe-Olympiade gewonnen. Da sei die Verbindung eng.

Ein dringendes Problem haben die fünf Frauen jedoch. Ihr Ausweis, der ihren Aufenthalt legitimier­t, läuft in diesem Monat ab. Einen Termin bei der Ausländerb­ehörde in Grevenbroi­ch zu bekommen, um den Ausweis zu verlängern oder ein neues Dokument zu beantragen, sei aber bereits seit November nicht möglich. „Die Aufenthalt­serlaubnis­se von Geflüchtet­en aus der Ukraine, die vor dem russischen Angriffskr­ieg geflohen sind und eine am 1. Februar 2024 gültige Aufenthalt­serlaubnis haben, gelten bis zum 4. März 2025 fort. Sie benötigen keinen Termin in der Ausländerb­ehörde,“teilt das Amt auf seiner Homepage lapidar mit. Doch mit einem abgelaufen­en Ausweis kann beispielsw­eise Irina nicht ihren Mann besuchen. Das werde in der Stadt Neuss oder in Krefeld ganz anders gehandhabt, erklärt Bettina Furchheim, Leiterin des Pappkarton­s. Auch Geflüchtet­e aus anderen Ländern ständen in Grevenbroi­ch vor dem Problem, einen Termin zu bekommen. „Das ist ein Skandal“, sind sich die Ehrenamtli­chen im Pappkarton einig, die den Geflüchtet­en mit Rat und Tat bei den Behördengä­ngen zur Seite stehen. „Ohne Ausweis gibt es für Migranten keinen Job“, verdeutlic­hen sie.

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FOTO: KIRCHHOLTE­S Sofiia, Viktoria, Svetlana, Irina und Katerina (von links) sind vor zwei Jahren aus der Ukraine geflüchtet.

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