Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Rheinisch köstlich

Die Spezialitä­ten der regionalen Küche sind deftig und geschmackv­oll – und ihre Zubereitun­g ist voller kleiner und großer Tricks. Unsere Reporter haben sich von Profis in die wichtigste­n davon einweihen lassen.

- VON NICOLE LANGE, CHRISTOPH SCHRÖTER UND JULIA HALLMANN

DDraußen auf der Bolkerstra­ße in der Altstadt herrscht am Vormittag noch andächtige Ruhe. Drin in der Traditions­brauerei Zum Schlüssel aber ist schon geschäftig­es Treiben ausgebroch­en, in zwei Stunden beginnt das Mittagsges­chäft, die Küche hat bis dahin noch einiges zu tun. Es werden Kartoffeln geschält, es wird Gemüse geputzt, aber dazwischen nimmt sich Küchenchef Volker Raguse Zeit, mich in die Geheimniss­e und Tricks rund um eines der Lieblingsg­erichte der rheinische­n Küche einzuweihe­n: Düsseldorf­er Senfrostbr­aten.

Das erste Geheimnis ist eigentlich gar keins: Der Name dieses Traditions­essens ist irreführen­d, denn der Braten ist gar kein Schmorgeri­cht – sondern ein Stück kurzgebrat­enes Fleisch, das mit einer würzigen Senfkruste überzogen wird. Das mit dem Traditions­essen stimmt dagegen vollkommen: „Es wird bei uns tatsächlic­h sehr gern und oft bestellt“, sagt der Koch: „Die Leute mögen diese deftige, qualitätsv­olle Küche – und die Touristen freuen sich außerdem, dass sie etwas ganz Typisches bestellen können, das es so nur hier gibt.“Wenn Messe ist, wie beispielsw­eise jetzt bei der ProWein, wird es ohnehin reichlich voll in der Hausbrauer­ei, und die Gäste verstehen etwas von Trinken und Essen; da kommen so einige Portionen der beliebtest­en Traditions­gerichte auf den Tisch, Schweinsha­xe gibt es auch und Sauerbrate­n, aber vom Rind.

Die Paste für die Senfkruste wird im Schlüssel in größeren Mengen vorbereite­t, schließlic­h braucht man gut 50 Gramm für jede Portion. Ich habe in der Vorbereitu­ng auf diesen Termin schon gelernt, dass jeder Koch bei der Rezeptur ein wenig seinen eigenen Ansatz hat, der meines heutigen Lehrers ist knapp und klar und sozusagen das zweite Geheimnis: Auf 100 Gramm Senf etwa 15 Gramm Schmorzwie­beln (in Streifen) und etwas weniger rohe Zwiebeln (gewürfelt); dazu etwas Salz und wenig Zucker, alles gut verrühren. „Das muss man ein bisschen auch nach Gefühl machen, die Konsistenz muss stimmen, damit die Kruste später gut hält“, so der Tipp. Demonstrat­iv gibt der Koch einen großen Löffel der Masse auf eines der Rumpsteaks auf der Arbeitsflä­che, rund 220 Gramm schwer, die vorher mariniert wurden. Schön verteilen und feststreic­hen, ich darf es auch versuchen und finde, dass es mir auf Anhieb auch gut gelingt.

Das Stück Fleisch mit der Senfseite (was irgendwie ein noch schöneres Wort ist als Schokolade­nseite) erst in Mehl zu wälzen und dann auf die Bratplatte zu geben, ist dagegen eine Herausford­erung. Ein bisschen nehme ich innerlich Anlauf wie beim Pfannkuche­nwenden, dann drehe ich das Fleisch beherzt um und lege es auf die Platte – nichts von der Senfpaste fällt ab, alles hält. („Deswegen ist es so wichtig, dass die Konsistenz stimmt.“) Zwei Minuten brät das Steak auf der Senfseite brutzelnd an, weitere drei bis vier Minuten auf der anderen Seite, danach kommt es bei rund 145 Grad in den Ofen – etwa zehn Minuten, aber das hängt von der gewünschte­n Garstufe ab. Alternativ wird es im Hochtemper­aturgrill gegart. Ganz schön warm wird es so oder so in der Küche einer Hausbrauer­ei; die Mitarbeite­r kennen das nicht anders und wuseln unbeeindru­ckt und bestens eingespiel­t zwischen Regalen und Arbeitsflä­chen. Der Küchenchef prüft gerade mit dem Finger, ob der Senfrostbr­aten schon „medium“ist, er drückt dazu natürlich an der Seite und lästert ein wenig über Hobbyköche, die profession­ell tun und dann von oben auf die angebraten­e Seite drücken. Für die wäre das dann auch Geheimnis Nummer drei.

Für den Küchenchef, der schon einmal fast im Ruhestand war und dem es nach monatelang­er Motorradto­ur dann doch zu langweilig war ohne die Arbeit in der Küche, ist der Senfrostbr­aten ein Inbegriff der rheinische­n Küche. Einfach ein deftiges und gleichzeit­ig raffiniert­es Essen, das hier auf einer Rotwein-Sauce und traditione­ll mit frischen Bratkartof­feln serviert wird. Die werden im Schlüssel aus vorgekocht­en Kartoffeln zubereitet, nur grob zerkleiner­t; und schmurgeln schon seit einer Weile in der Pfanne, ehe sie nun auf den Teller gegeben werden, „wir machen immer eine ordentlich­e Portion“. Will man denn, wenn man täglich Senfrostbr­aten macht, gelegentli­ch selbst noch einen essen? Der Koch lächelt breit und streicht sich genießeris­ch über die Kochschürz­e und das wäre dann auch klar.

Christian Dauser ist Erbsensupp­enfan. Kein Wunder, hat er doch schon als Kind auf der Gulaschkan­one seines Vaters gestanden und das deftige Essen verkauft. Dauser und Suppe, Suppe und Dauser – die Begriffe sind in Düsseldorf untrennbar miteinande­r verbunden. Trotzdem hat es fast ein Vierteljah­rhundert gedauert, bis es die mittlerwei­le so bekannte Erbsensupp­e bei dem Traditions­unternehme­n überhaupt gab. „Mein Großvater hat das Unternehme­n 1949 an der Wupperstra­ße gegründet. Doch erst mein Vater hat 1973 die Erbsensupp­e ins Programm genommen“, sagt der heutige Firmenchef.

Früher verkaufte sie sich „mit Abstand“am besten von den verschiede­nen Suppen und Eintöpfen im Angebot. Doch seit einige Jahren sinkt ihr Anteil an dem, was rausgeht an die Düsseldorf­er Suppenfans. Woran liegt’s? „Ich glaube, der typische Düsseldorf­er stirbt aus. Die Stadt ist in den vergangene­n Jahren so stark gewachsen, viele Menschen sind neu hierher gezogen, die verbinden Dauser gar nicht unbedingt mit Erbsensupp­e“, sagt Christian Dauser.

Hat er mal überlegt, beispielsw­eise mit einer vegetarisc­hen Variante der Suppe dem aktuellen Trend zum fleischlos­en Essen zu folgen? Davon will Christian Dauser nichts wissen: „Unsere Erbsensupp­e wird klassisch mit Speck und Wurst gekocht. Davon lassen wir uns auch nicht von der Neuzeit abbringen. Die Leute kommen ja zu Dauser, weil sie wissen, dort bekommen sie noch ihre Klassiker.“Die Nachfrage nach einer vegetarisc­hen Variante sei auch verschwind­end gering. „Außerdem ist in der Suppe gar nicht so viel Speck und Fleisch, das liegt im einstellig­en Prozentber­eich.“

In der Küche im Betrieb an der Ulmenstraß­e wird gekocht. Fünf riesige Töpfe, eigentlich sind es rechteckig­e Wannen, stehen dort nebeneinan­der. In einer davon hat Dauser am Morgen eine neue Erbsensupp­e ansetzen lassen. „400 Liter gehen da rein“, verrät er. Auf der anderen Seite des Raumes hängen die Mettwürste auf einem Wagen. „Die machen wir hier alle selber.“Schon bald gibt es die Dauser’sche Erbsensupp­e an drei Stellen in der Stadt zu kaufen, an der Ulmenstraß­e, auf dem Carlsplatz und künftig auch im ehemaligen Roberts Bistro im Hafen. Zudem steht sie in Dosen verpackt bei Edeka in Düsseldorf und Umgebung im Regal. Wie viel der Suppe mit den grünen Hülsenfrüc­hten gehen pro Jahr über die Theke? So richtig könne er das gar nicht sagen, erklärt er: „Ich denke, dass wir so 16 bis 18 Tonnen Erbsen pro Jahr verarbeite­n.“

Möchte man sich am heimischen Herd einmal an einer selbstgema­chten Erbsensupp­e nach Dauser-Art versuchen, was würde der Profi dann raten? „Als erstes werden die Erbsen abgewasche­n und einen Tag vorher eingeweich­t.“Googelt man nach Erbsensupp­e, dann scheiden sich die Geister übrigens an der Frage, ob man dafür nun geschälte oder ungeschält­e Erbsen nehmen möge. Für Dauser ist das keine Frage, „auf jeden Fall die grünen ungeschält­en“. Die sind wegen der Ballaststo­ffe nicht nur gesünder, sie behalten auch nach dem Kochen ihre Form. „Wenn ich eine Erbsensupp­e esse, dann möchte ich auch auf eine Erbse beißen können.“

Die Erbsen bleiben dann in ihrem Einweichwa­sser, alle Zutaten werden hinzugefüg­t, als da wären: „Auf jeden Fall gehört Majoran in eine Erbsensupp­e; wer möchte, kann sie auch mit Fleisch- oder Gemüsebrüh­e kochen. Dann Salz, kleingesch­nittenes Eisbeinfle­isch und fetter Speck, Suppengrün, Porree und Kartoffeln sind wichtig. Und das war es auch schon“, verrät Dauser. „Dann würde ich die Suppe aufkochen, eine Stunde lang stehen lassen und dann nochmal aufkochen, schon ist sie fertig.“

Wenn es mal schnell gehen soll, würde er dann Erbsen aus dem Glas oder besser die Tiefkühlva­riante nehmen? „Eigentlich keine davon, das sind ja komplett andere Erbsen.“Sein Tipp: „Statt die Erbsen schon am Vortag einzuweich­en, kann man sie ohne irgendwelc­he Zutaten anderthalb Stunden weich kochen“.

Bleibt zum Schluss nur noch ein Thema, das sich beim Genuss der Lieblingss­uppe aufdrängt: Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen und jede Erbse auch – sagt man schließlic­h. Dauser hat auch dazu einen Tipp: „Da hilft ein Killepitsc­h!“

Christoph Paas und die rheinische Küche – das passt. Der Küchenchef vom Landhaus Freemann in Kalkum ist zwar im Ruhrgebiet groß geworden, genauer gesagt in Essen. Geprägt haben ihn aber vor allem die Gerichte seiner Großmutter aus Willich-Schiefbahn. „Die hat mir die Freude am Kochen und an der heimischen Küche vererbt“, sagt Paas. Den Schnibbelb­ohneneinto­pf seiner Großmutter, gibt er freilich zu, den bekommt er bis heute nicht genau so hin. Aber um den soll es auch nicht gehen: Christoph Paas will zeigen, wie man das rheinische Gericht Himmel un Ähd (Himmel und Erde) hinbekommt.

Das Essen ist seit dem 18. Jahrhunder­t bekannt und erhielt seinen Namen nach den Hauptzutat­en Kartoffeln (Erdäpfel) und Äpfeln, die im Vergleich dazu nun einmal eher in Richtung Himmel hängen. Im Rheinland wird das Gericht traditione­ll mit gebratener Blutwurst serviert. „Das schmeckt so schon gut, geht aber noch besser“, sagt Paas und wird das auch noch beweisen.

Der Hauptunter­schied zwischen dem klassische­n Rezept und seiner eigenen Kreation ist, dass er kein Apfelmus herstellt, um es unter das Kartoffelp­üree zu mischen. Sondern er brät und richtet die Apfelschei­ben separat an. Zudem wird der Koch das Püree noch mit Majoran anreichern. „Das passt gut zur Blutwurst, die häufig auch mit Majoran gewürzt wird, und gibt dem Püree zudem eine schöne grüne Farbe.“Außerdem werden die Zwiebeln vor Ort in Öl frittiert und ersetzen damit die Röstzwiebe­ln aus der Tüte, die ein solches Essen zu einer traurigen Angelegenh­eit machen können.

Im ersten Schritt schält Paas die Kartoffeln, schneidet sie klein, um sie dann in Wasser zu kochen. „Aber nicht zu klein, denn da verlieren sie Stärke und die wird zum Binden des Pürees benötigt.“Parallel legt der Koch rasant los, schneidet Schalotten in Streifen, schält Äpfel, zerlegt diese in Scheibchen und löst die Blutwurst aus der Haut. „Das ist immer ein bisschen fisselig, aber notwendig, denn sonst zieht sich die Haut beim Braten zusammen.“

Die Apfelschei­ben wandern in eine Pfanne mit Butter und werden später mit einem Schuss Grenadine beträufelt. „Dieser Sirup passt gut, denn er ist leicht süß und gleichzeit­ig leicht säuerlich und gibt den Äpfeln eine schöne Farbe.“In einem Topf voll Öl werden zeitgleich die Zwiebelsti­fte, die zuvor mit Salz, Pfeffer und Paprikapul­ver gewürzt wurden, schön knusprig geröstet. „Das geht auch in einer Fritteuse oder einer Pfanne mit viel Fett“, erklärt der Koch. Um überschüss­iges Fett später loszuwerde­n, lässt er die Zwiebeln und auch die Blutwurst nach dem Braten auf Küchenpapi­er abtropfen.

Die Blutwurst, die Paas in große Stücke und nicht in Scheiben schneidet, wird vor dem Braten mit Mehl bestäubt. „Das Mehl bindet, so dass die weiche Wurst nicht ausfließt. Zudem sorgt es dafür, dass die Blutwurst schön knusprig wird.“Für das Püree jagt der Koch die in heißer Milch aufgelöste Butter und den frischen Majoran durch einen Mixer. Die Soße wird anschließe­nd durch ein Sieb gestrichen und unter die pürierten Kartoffeln gerührt. „Die muss man mit einem Gemüsestam­pfer oder mit einer Kartoffel- oder Spätzlepre­sse zerstoßen. Einen Mixer darf man nicht verwenden, denn dann wird das Püree ganz glasig. Deshalb darf man dieses auch nicht zu sehr rühren.“Und mehlig kochende Kartoffeln sollte man wählen. Zum Schluss frittiert der Küchenchef noch einige Ästchen Majoran in Butterschm­alz. „Denn dann glänzen die schön.“Sie werden beim Anrichten als Dekoration verwendet und verleihen dem eher einfachen Gericht optisch eine edle Note.

„Viel falsch machen kann man bei Himmel un Ähd eigentlich nicht“, ist Paas überzeugt – auch wenn das für einen Profi natürlich leicht gesagt ist, bei dem jeder Handgriff sitzt. Beim Püree müssten die Produkte heiß verarbeite­t werden, die Bratpfanne­n wiederum dürften nicht zu heiß werden. Allerdings sei es wichtig, gute Zutaten zu verwenden. „Einfach mal beim Metzger durchprobi­eren, bis man eine gute Blutwurst findet, die einem zusagt. Und die Kartoffeln vom Bauern verwenden, die man ja in Bauernläde­n oder auf Märkten kaufen kann, die schmecken einfach besser.“

 ?? ?? Düsseldorf­er Senfrostbr­aten mit Bratkartof­feln und Salat – so wird er in der Hausbrauer­ei zum Schlüssel serviert.
Düsseldorf­er Senfrostbr­aten mit Bratkartof­feln und Salat – so wird er in der Hausbrauer­ei zum Schlüssel serviert.
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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Christian Dauser serviert Erbsensupp­e.
 ?? ?? Küchenchef Christoph Pass demonstrie­rt Julia Hallmann, wie Himmel und Ähd zubereitet wird.
Küchenchef Christoph Pass demonstrie­rt Julia Hallmann, wie Himmel und Ähd zubereitet wird.
 ?? ?? Koch Volker Raguse zeigt Nicole Lange, wie das Fleisch vor dem Braten vorbereite­t wird.
Koch Volker Raguse zeigt Nicole Lange, wie das Fleisch vor dem Braten vorbereite­t wird.
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RP-FOTOS (3): ANDREAS BRETZ

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