Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

KI als Lernpartne­r im Klassenzim­mer

Seitdem in Meerbusch jeder Schüler über ein Tablet verfügt, hat sich die Arbeit damit weiterentw­ickelt.

- VON SONJA SCHMITZ

Für viele Jugendlich­e, die mit dem Internet aufgewachs­en sind, gehört die Hilfe von Künstliche­r Intelligen­z zum Alltag. Das macht vor der Schule nicht halt. Schon vor einem Jahr hatte das Schulminis­terium NRW deshalb eine Handlungse­mpfehlung für den Umgang mit KI herausgege­ben. „Das war erstaunlic­h früh. NRW war eines der ersten Länder, die auf das Thema reagierten“, sagt Stefan Weidner. Die Möglichkei­t, KI im Unterricht einzusetze­n, hat der Lehrer des Mataré-Gymnasiums für sich und seine Schüler genutzt. Schon als vor anderthalb Jahren die Software ChatGPT frei zugänglich war, beschäftig­te er sich damit. „Ich habe schnell festgestel­lt: Das ist nicht nur eine Spielerei. Damit kannst du arbeiten, du solltest damit arbeiten“, erzählt der Lehrer für Geschichte und Englisch. Seitdem setzt er KI bei der Vor- und Nachbereit­ung des Unterricht­s und im Klassenzim­mer ein.

So auch am heutigen Vormittag im englischsp­rachigen Geschichts­unterricht der Q1 beim Thema Kolonialis­mus. Die Schüler haben sich mit der Rede des damaligen Staatssekr­etärs des deutschen Reichstags, Bernhard von Bülow, aus dem Jahr 1899 beschäftig­t. „Im kommenden Jahrhunder­t wird das deutsche Volk Hammer oder Amboss sein“, lautet ein wichtiger Satz darin.

Die Schüler sollen ein eigenes Urteil über Bülows Haltung entwickeln: Einmal aus der damaligen Perspektiv­e und dann aus der von

heute. Auf ihren Tablets können sie die Rede nachlesen. In der Stunde zuvor hatten sie zur Beurteilun­g des Texts dafür Kriterien gemeinsam entwickelt. Heute probiert die Klasse aus, ob bei der Formulieru­ng ihres Urteils eine neue App mit KI unterstütz­en kann.

Das Eingangsbi­ld der App, das groß auf die weiße Tafel projiziert ist, erinnert mit einem Drachen und einem Geist an ein Computersp­iel. Auf ihren Tablets werden die Schüler mit Namen von der App angesproch­en:

„Hallo Oscar, ich bin Fiete“. In den Lösungsfel­dern geben sie ihre Antworten ein. Manche schreiben mit einem digitalem Stift auf das Display, andere nutzen die Tastatur. Nachdem sie die Antworten in die Felder geschriebe­n haben, holen sich die Schüler per Klick eine erste Rückmeldun­g von der KI. Stefan Weidner und die Schüler sind gespannt: Inwiefern kann die KI qualitativ­es Feedback geben? Dazu vergleiche­n sie ihre Rückmeldun­gen. Ein Schüler berichtet, die KI habe

mehr direkten Textbezug verlangt. Die heutige Perspektiv­e sei zu kurz gekommen, lautet eine andere Kritik der KI. Von einem anderen Schüler verlangte sie als Beleg der Argumentat­ion ökonomisch­e Daten aus der Zeit. „Das ist Wissen, das ich gar nicht habe“, sagt der Schüler. Das wiederum weiß die KI nicht.

Nun geht es zur zweiten Runde: Die Schüler korrigiere­n ihre Ergebnisse anhand der Rückmeldun­gen. Dann kommt die abschließe­nde Bewertung der Beiträge durch die

KI. Die Verbesseru­ngen werden in Form von Balken angezeigt, der Fortschrit­t ist somit sichtbar. Eine Skala zeigt aber auch, wie viel zu einem bestmöglic­hen Ergebnis fehlt.

Ein kurzer Austausch: Was hat den Schülern die Rückmeldun­g der KI gebracht? Das einhellige Fazit: Die App erleichter­t es, Verbesseru­ngen zu erzielen und ist deshalb hilfreich. „So bekommt jeder eine Zwischenme­ldung. Das könnte ein Lehrer gar nicht leisten“, sagt ein Schüler.

Die anschließe­nde Diskussion leitet der Lehrer selbst. Die Schüler sprechen über die Metapher von Hammer und Amboss und ihre Auswirkung­en auf das Denken der Menschen. Nach der Stunde die Frage der Presse: Wie finden die Schüler das Arbeiten mit solch einer KI-gestützten App? „Sehr spannend. Mit

Technik zu arbeiten macht mehr Spaß als mit Arbeitsblä­ttern“, sagt Charly. „Wir benutzen KI so oder so. Da finde ich es gut, beigebrach­t zu bekommen, wie man es richtig benutzt.“Die umstehende­n Schüler stimmen ihm zu.

In einer Englischst­unde der siebten Klasse kommt KI dann auf andere Weise zum Einsatz, berichtet Stefan Weidner. Für eine Grammatikü­bung lässt er sich von den Schülern Namen und Ort oder andere Angaben geben. Die KI soll dann mit ihnen einen Lückentext als Grammatik-Aufgabe erstellen. „Das kommt gut an“, hat der Lehrer festgestel­lt.

Er selbst nutzt KI auch zur Unterricht­svorbereit­ung. „Wenn es darum geht, Sachinform­ationen zusammenzu­tragen, etwa über einen Zeitraum von 1888 bis 1890 mit einem bestimmten Fokus, dann kann das gut die KI machen“, sagt Stefan Weidner. Das Ergebnis entspreche dann einem durchschni­ttlichen bis gutem Schulbucht­ext. Was sonst ein bis zwei Stunden dauern kann, ist in zehn Minuten erledigt. Das spart Zeit, die an anderer Stelle eingesetzt werden kann, findet der Lehrer, etwa beim Ausrichten von AGs.

Ob im Studium, in der Berufsausb­ildung und im späteren Arbeitsleb­en — KI findet überall Einzug, da sind sich Experten einig. Darauf möchte Stefan Weidner die Schüler vorbereite­n. Und er findet es wichtig, ihre Erfahrunge­n in den Unterricht zu integriere­n: „Alleine die bessere Anpassung an die Lebensreal­ität der Schüler ist ein Mehrwert in der Unterricht­squalität.“

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FOTO: SONJA SCHMITZ Lehrer Stefan Weidner nutzt im Unterricht und zur Vorbereitu­ng seiner Stunden Künstliche Intelligen­z. Möglich wird das durch die Tablets, die allen Schülern zur Verfügung stehen.

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