Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Strukturwandel braucht Ideen
Beim Zukunftsdialog der Neusser FDP war Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zu Gast. Beim Vortrag im „Drusus One“forderte er eine Aufholjagd für die deutsche Wirtschaft. Auch die eine oder andere Anekdote von früher gab es zu hören.
Mit dem Zukunftsdialog „Wirtschaft im Wandel“will sich die Neusser FDP zurückmelden. Zum ersten Mitgliedertreffen dieses neuen Formats im „Drusus One“hatte Stadtverbandsvorsitzender Cornel Janßen den FDPGeneralsekretär Bijan Djir-Sarai eingeladen. Gut, dass der 47-jährige Bundestagsabgeordnete gleichzeitig Vorsitzender der FDP im RheinKreis Neuss ist. Sowohl beim Vortrag in der Gesellschaft Erholung vorige Woche als auch jetzt beim Zukunftsdialog zog „der General“, der Gastraum vom „Drusus One“war voll – unter den Gästen auch FDP-Ehrenvorsitzende Heide Broll. Der stellvertretende Neusser FDPVorsitzende Jan Raatschen moderierte den Abend. Für ihn war es ein gelungener Auftakt, nach der Krise im früheren Vorstand endlich wieder mit „ernsthaften Themen“punkten zu können.
Im Schreiben an die Mitglieder war zu einem Dialog über den Strukturwandel im Rhein-Kreis Neuss eingeladen worden. Vor Ort wurde das offen gefasste Thema „Wirtschaft im Wandel“an die Wand projiziert. Die allgemeine wirtschaftliche Lage in Deutschland aus Berliner Sicht lag Djir-Sarai anscheinend mehr.
Von Zuhörern auf den Strukturwandel angesprochen, blieb er vage. Der Grevenbroicher wollte keinem lokalen Politiker auf die Füße treten. Aber der Strukturwandel im gesamten Rheinischen Revier sei mehr als die Suche nach Fördertöpfen.
Die Verwaltungen in der Braunkohle-Region begnügten sich für seinen Geschmack zu sehr mit
Überlegungen, wie sie Fördermittel des Bundes und des Landes erhalten könnten. „Das ist nicht die Lösung“, so Djir-Sarai. Er sieht die Aufgabe des Strukturwandels „eine Nummer größer“. Man müsse über wirkungsvolle Projekte nachdenken.
Dass er da Nachholbedarf und Kompetenzgerangel sieht, machte er durch eine Anekdote von früher deutlich. Als er noch im Kreistag aktiv war, besuchte er die Immobilienmesse Expo Real in München. Doch auf dem Stand des Rhein-Kreises fehlte die Stadt Neuss. Diese wiederum war am Stand der Landeshauptstadt Düsseldorf zu finden. Und das allein nur, weil sich die damals Handelnden nicht leiden konnten: Landrat Dieter Patt und Bürgermeister Herbert Napp.
Doch abgesehen von solchen Nickligkeiten im Kleinen sieht DjirSarai den Wirtschaftsort Deutschland
für die Zukunft nicht gut aufgestellt. Während Bill Gates in Kalifornien anfangs in der Garage seiner Mutter programmierte, hätten die Nachbarn in Deutschland
nach spätestens drei Tagen die Polizei geschickt, und die Gewerbeaufsicht würde die Garage schließen.
Während die meisten US-amerikanischen Wirtschaftsstudenten davon träumten, ein Unternehmen zu gründen, sei es das Ziel der meisten deutschen BWL-Studenten, im öffentlichen Dienst zu landen.
Vor drei Wochen war Djir-Sarai auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Ja, die Welt habe sich dramatisch verändert. Aber ohne eine gute wirtschaftliche Entwicklung sei die Aufrüstung nicht zu finanzieren. Das gelte auch für die ökologische Transformation und die sozialen Sicherungssysteme. Man müsse selbstkritisch anmerken, dass andere Länder aus der Corona-Krise besser herausgekommen seien als Deutschland.
Viele Reformen hätten bereits vor zehn, 15 Jahren angepackt werden müssen, als es keine Inflation, billige Energie und niedrige Zinsen gab. Mit mehr privaten Investitionen müsse sich die Wirtschaft fit für die Zukunft machen. Doch die Bundesrepublik sei ein Hochsteuerland. Selbst für Fachkräfte aus dem Ausland sei es auch deshalb nicht attraktiv, nach Deutschland zu kommen.
Dass Zweidrittel der Ausgaben des Bundeshaushaltes in Sozialausgaben fließen, sieht der Liberale als Problem. Nicht, dass er dort kürzen möchte, aber er empfiehlt für zwei, drei Jahre ein Moratorium für neue soziale Ausgaben. Bei KI und Digitalisierung habe Deutschland ein Stück den Anschluss verloren. Er empfahl eine Aufholjagd. Und die müsse schon in den Schulen beginnen, mit Kursen im Programmieren und in Wirtschaftswissen. Trotz allem hieß es am Ende: „Ich blicke optimistisch nach vorn.“