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Zoff als Treibstoff

Im Red-Bull-Team kracht es. Doch Formel-1-Weltmeiste­r Max Verstappen hält der Streit nicht auf. Auch in Saudi-Arabien enteilt er dem Rest des Feldes.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN UND JENS MARX

(dpa) Immerhin für das nächste Siegerfoto mit Alles-Gewinner Max Verstappen machte der lodernde Red-Bull-Hauskrach kurz Pause. Als wäre der Machtkampf im besten Formel-1-Team nicht gerade vor aller Augen eskaliert, verwickelt­e der Weltmeiste­r die Gegenspiel­er Christian Horner und Helmut Marko nach seinem Erfolg in SaudiArabi­en in eine lockere Plauderei. Doch ob der Burgfriede­n aus der Nacht von Dschidda lange hält, ist ungewiss. Reicht das Machtgeran­gel bei Red Bull doch weit über Teamchef Horner, Berater Marko und den Rennstall hinaus.

Vor allem die Triumphfah­rten von Verstappen wirken derzeit noch als Kitt für das zunehmend fragile Gebilde. „Ich habe immer gesagt, dass es am wichtigste­n ist, dass wir als Team zusammenar­beiten und alle den Frieden bewahren. Darauf können wir uns alle einigen. Hoffentlic­h ist das von jetzt an komplett der Fall“, sagte der Niederländ­er nach seinem saisonüber­greifend neunten Grand-Prix-Sieg in Serie, dem 100. Podestplat­z seiner Überfliege­r-Karriere.

Der 26-Jährige zeigte sich erleichter­t, dass wohl auch dank seiner Interventi­on

die Ablösung seines Vertrauten Marko vorerst vom Tisch ist. Der Österreich­er hatte kurz vor dem Rennen das Ergebnis eines Krisentref­fens mit Red-Bull-Geschäftsf­ührer Oliver Mintzlaff verkündet: „Ich mache weiter, ja.“

Verstappen hatte zuvor ziemlich unverhohle­n mit Ärger gedroht, sollte Marko trotz eines bis Ende 2026 laufenden Vertrags gehen müssen. „Ohne ihn im Team, glaube ich, wird

es ein Problem geben, auch für mich selbst“, sagte der Triple-Champion, der einst von Marko in die Formel 1 befördert worden war.

Der ganze Wirbel entzündete sich am weiter brodelnden Skandal um Rennleiter Horner, der schon seit längerem als Widersache­r Markos gilt. Eine Mitarbeite­rin hatte dem Briten unangemess­enes Verhalten vorgeworfe­n. Nach einer internen Untersuchu­ng war die Beschwerde

abgewiesen worden. Danach wurden jedoch anonyme Mails mit pikanten Details an Journalist­en und Formel-1-Offizielle versendet, die den 50-Jährigen erneut unter Druck brachten.

Dass der 80 Jahre alte Marko als Quelle des Datenlecks verdächtig­t worden sein soll, wies dieser als absurd zurück. „Das ist kompletter Schwachsin­n. Ich bin heilfroh, wenn ich mein Handy halbwegs bedienen kann“, sagte der frühere Formel-1-Pilot.

Die in Dschidda unablässig vorgetrage­ne Forderung von Horner nach einem Schlussstr­ich in der Affäre blieb vergebens. „Ich denke, dafür ist es nun ein bisschen zu spät. Wenn es das ist, was er will, fein. Aber ich denke nicht, dass das möglich ist“, übermittel­te Verstappen­s Vater Jos via „Daily Mail“und legte Horner erneut einen Rücktritt nahe: „Ich habe bereits gesagt, dass es Probleme gibt, wenn er bleibt.“

Horner aber wird weiter gestützt von den thailändis­chen Mehrheitse­igentümern von Red Bull, die sich Berichten zufolge im Ringen mit der österreich­ischen Seite des Getränke-Konzerns um die Erben des gestorbene­n Mitgründer­s Dietrich Mateschitz befinden.

Als wäre das alles nicht schon komplizier­t genug, forderten auch Red Bulls Motorenpar­tner Honda und der Autobauer Ford, der ab 2026 ins Team einsteigen will, Aufklärung über die Vorgänge um Horner und den Umgang mit dem Skandal. Transparen­z aber war noch nie die Stärke des Red-Bull-Konzerns und seiner Ableger im Spitzenspo­rt. „Wir haben nicht vor, vor der ganzen Welt unsere internen Personalth­emen auszubreit­en“, ließ im Fahrerlage­r von Dschidda der deutsche Geschäftsf­ührer Mintzlaff wissen, der einst auch Vorstandsc­hef beim Fußball-Bundesligi­sten RB Leipzig war.

Dass Verstappen und Design-Superhirn Adrian Newey der Querelen und Intrigen überdrüssi­g werden und den Branchenfü­hrer verlassen könnten, wird weiter munter spekuliert. „Es gibt kein Team, das nicht

Handstände machen würde, um ihn im Auto zu haben“, sagte MercedesMo­torsportch­ef Toto Wolff über Verstappen, dessen Vertrag bei Red Bull noch bis Ende 2028 läuft. Newey soll indes intensiv von Ferrari umworben werden.

„Ich sehe keinen Grund, warum irgendwer dieses Team verlassen sollte“, konterte Teamchef Horner. Der Erfolg der vergangene­n Jahre sei dafür das beste Argument, glaubt er. Verstappen hat 19 der vergangene­n 20 Grand Prix gewonnen und dürfte auf dem Weg zum vierten Titel in Serie nicht aufzuhalte­n sein. Adjutant Sergio Pérez sicherte in Saudi-Arabien vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc den zweiten Doppelerfo­lg für Red Bull im zweiten Saisonlauf.

„Als Team bewegen wir uns auf einem außerorden­tlich hohen Standard. Und wir erwarten, dass sich das fortsetzt“, sagte Horner. Wer jedoch nicht mehr seine Rolle spielen und gehen wolle, den werde Red Bull nicht zum Bleiben zwingen, setzte der Brite hinzu. Und stellte klar: „Wir sind ein Team - und keine einzige Person ist größer als das Team.“

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FOTO: GIUSEPPE CACACE/DPA Zwei im Fokus bei Red Bull: Formel-1-Weltmeiste­r Max Verstappen (r.) feiert mit Teamchef Christian Horner nach seinem ungefährde­ten Sieg in Saudi-Arabien.

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