Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Wir müssen uns wieder mehr etablieren“
Wie die Direktorin der Volkshochschule jüngere Generationen zukünftig besser erreichen will, ohne dabei ältere auszuschließen.
DÜSSELDORF In der Volkshochschule Düsseldorf tut sich so einiges: Den Bertha-von-Suttner-Platz tauscht sie bald gegen ein neues Gebäude an der Yorckstraße in Derendorf, auf das altbekannte gedruckte Programm verzichtet sie im Zeichen der Digitalisierung. Wir haben mit der Direktorin Simone Bruns über die großen Veränderungen und die Zukunft der VHS gesprochen – auch mit Blick auf jüngere Generationen, gestiegene Gebühren und die Kursgestaltung in politisch angespannten Zeiten.
Frau Bruns, für die Düsseldorfer VHS steht ja der große Umzug nach Derendorf an. Sitzen Sie schon auf gepackten Umzugskartons?
SIMONE BRUNS Gedanklich sind wir schon total bereit für das neue Gebäude. De facto ist noch nichts gepackt, weil wir wahrscheinlich erst Ende des Jahres die Schlüsselübergabe haben, dann wird die Stadt noch einige Dinge vorbereiten müssen für das angemietete Gebäude, wir planen also frühestens Anfang nächsten Jahres mit dem Umzug.
Aktuell braucht man vom Hauptbahnhof aus ja nur wenige Minuten zur VHS. Warum wird der neue Standort dennoch besser sein?
BRUNS Der Hauptbahnhof ist natürlich von der Erreichbarkeit mit dem ÖPNV her unschlagbar. Am neuen Standort sitzen wir auf der Straße gegenüber vom S-Bahnhof Derendorf, da sind wir immer noch sehr gut erreichbar. In Derendorf sind wir aber auch in einem aufstrebenden Stadtteil, der immer hipper wird, sagt man, glaube ich, heutzutage, und die Hochschule ist direkt neben uns, wir sind also in einem Bildungsviertel, wo wir vielleicht auch ein anderes Publikum ansprechen werden.
Welches Publikum möchten Sie denn gerne zukünftig stärker ansprechen?
BRUNS Die Volkshochschule ist ja 105 Jahre alt und wir sind, glaube ich, bei einem Großteil der Düsseldorfer Bevölkerung sehr präsent als größter kommunaler Bildungsanbieter. Aber wir stellen natürlich auch fest, dass wir bei der jüngeren Bevölkerung, die entweder noch Schülerinnen und Schüler sind oder gerade Familien gründen, nicht mehr den Stellenwert haben wie bei der Generation 50 plus, die die Volkshochschule als Bildungseinrichtung noch stärker zu schätzen wusste.
Woran liegt das?
BRUNS In der digitalisierten Gesellschaft liegt es nahe, sich mal eben ein Tiktok-Video oder ein YoutubeTutorial anzugucken. Wir als Volkshochschule bieten aber viel mehr als nur gezieltes Wissen, wir bieten auch ganz viele soziale Komponenten und kritische Diskurse an, da müssen wir uns wieder etablieren. Ich habe die Volkshochschule noch über meine Eltern kennengelernt, die es wirklich zu schätzen gewusst haben, dass es einen Bildungsanbieter für jedermann gibt, wo man zu moderaten Preisen eigentlich jeden Bildungshunger befriedigen konnte, den man hatte.
Wo Sie von moderaten Preisen sprechen: Nun kostet ja beispielsweise ein zweimonatiger Japanisch-Kurs 160 Euro, ein fünfstündiges Seminar zum Erfolgsfaktor Stimme 113 Euro.
BRUNS Jetzt haben Sie aber genau die Teuersten ausgesucht.
Sind denn solche Kurse auch für Düsseldorfer mit niedrigen Einkommen erschwinglich?
BRUNS Für Einkommensschwächere haben wir auch eine ganz klare Rabattierungsrichtlinie, die Entgeltermäßigung, und wir liegen im Bildungsbereich immer noch unter den Preisen der freien Wirtschaft, weil die Kommune uns unterstützt. Wir haben auch Angebote, die komplett kostenfrei sind, wo wir sagen, dass das notwendig ist, das ist vor allem im Bereich der Grundbildung und Alphabetisierung der Fall.
Wie kommen denn die höheren Preise zustande?
BRUNS Wir haben eine ganz klare, transparente Entgeltordnung, die sich bei uns anhand der Gruppengröße staffelt. Je kleiner die Gruppe, desto teurer die Veranstaltung. Nun macht es häufig keinen Sinn, 25 Leute in eine Klasse zu setzen, um die Preise gering zu halten. Zum anderen wird alles teurer und wir möchten natürlich unseren exzellenten Dozenten ein Honorar zahlen, das ihrer Arbeit würdig ist.
Wo wir schon beim Kursangebot sind: Das gedruckte Programm schaffen Sie ab, stattdessen ist die Übersicht aller Kurse nur noch online zu finden?
BRUNS Genau, wir wollten weg vom bewährten und betrauerten Programm, hin zur aktuelleren, flexibleren Webseite.
Warum?
BRUNS Als ich vor knapp neun Jahren den Job angetreten bin, war es für mich total wichtig, jedes Halbjahr dieses Programm in der Hand zu haben. Ich habe jetzt aber gesehen, wie sehr so ein Programm hemmt – man braucht einen ganz langen Vorlauf, und wenn es dann gedruckt vor einem liegt, ist es gar nicht mehr so aktuell, weil sich vieles vielleicht schon verändert hat. Wir konnten überhaupt nicht flexibel reagieren, wenn wir zusätzliche Veranstaltungen planen wollten. Außerdem war das Programm natürlich teuer, es war nicht nachhaltig und einfach nicht mehr zeitgemäß. Ausschlaggebend war letztlich aber die schreckliche Pandemie-Zeit, wo wir eine ganze Auflage vernichten mussten, weil wir zwangsgeschlossen waren.
Traf Ihre Entscheidung, auf das gedruckte Programm zu verzichten, auf Gegenwind?
BRUNS Sie können sich nicht vorstellen, was ich für Trauernachrichten bekam. Man unterstellt uns häufig, dass wir Gruppen komplett ausschließen, seitdem wir kein PrintProgramm mehr haben.
Und was sagen Sie dazu?
BRUNS Für die, die vielleicht noch nicht so richtig digital unterwegs sind und sich nicht trauen, im Internet etwas zu buchen, bieten wir hier am Bertha-von-Suttner-Platz Beratungen an, wir sind telefonisch da, um Fragen zu beantworten, und werden zukünftig auch in die Stadtteile gehen, um dort vor Ort zu beraten – da haben wir eine Kooperation mit den Stadtteilbüchereien geschlossen.
Viele Ihrer Kurse finden ja zunehmend online statt. Gab es auch dagegen Proteste?
BRUNS Erstaunlicherweise wird das sehr gut angenommen. Die Vorteile eines Online-Angebotes erschließen sich jedem direkt: Man ist räumlich unabhängig, man ist auch zeitlich vielleicht etwas unabhängiger und muss nicht noch erst in die Stadt fahren, um die Veranstaltung zu besuchen.
Findet die Zukunft der VHS also online statt?
BRUNS Die Volkshochschule ist und bleibt auch ein Präsenz-Bildungsträger. Der persönliche Austausch, das Miteinander, die soziale Interaktion, die der Besuch einer Veranstaltung vor Ort mit sich bringt, ist einfach durch nichts zu ersetzen. Ich glaube, die Zukunft liegt darin, dass man das Ganze miteinander verknüpft. Das heißt: Im Idealfall kann ich mir aussuchen, an welchen Abenden ich meinen Spanisch-Kurs online und an welchen vor Ort besuche, weil die Veranstaltung hybrid gestreamt wird.
Welche Kurse sind an der VHS eigentlich am beliebtesten?
BRUNS Bei „Volkshochschule“fallen einem, glaube ich, ganz spontan zwei Sachen ein: Das sind zum einen die Sprachen und zum anderen Kunst und Kreativität. Was man nicht so weiß, aber auch ein totaler Dauerbrenner bei der Volkshochschule ist, ist der Bereich der beruflichen Bildung.
Sie setzen aber auch auf neue Angebote?
BRUNS Im Bereich Virtual Reality passiert total viel und ich glaube, da sind wir noch lange nicht am Ende.
Man kann zum Beispiel, ohne sich zu bewegen, auf einmal in fremde Länder reisen oder Dinge tun, die man sich in der Realität vielleicht nicht trauen würde. Dann gibt es natürlich zunehmend Fragen zu künstlicher Intelligenz, Cyber-Sicherheit und Nachhaltigkeit.
Die politische Lage ist ja weltweit angespannt. Wäre somit an der VHS ein Kurs wie zum Beispiel „Mit AfD-Anhängern umgehen“vorstellbar?
BRUNS Wir stoßen bei der Kursgestaltung immer wieder auf solche Fragestellungen – manchmal ist der Inhalt gut gemeint, aber der Titel zu polarisierend. Ich glaube, in einer demokratischen Volkshochschule muss man alles sagen können, aber man darf nicht nur einseitig berichten. Auch wenn wir unsere eigene politische Meinung und Weltanschauung haben, müssen wir umfassend aufklären, dass sich unsere Teilnehmenden selbst ein Bild machen können.
Sie leiten die Volkshochschule ja nicht nur, sondern besuchen in Ihrer Freizeit auch selbst gerne Kurse. Was haben Sie denn zuletzt für sich entdeckt?
BRUNS Ich war bei einem Tai-ChiSchnupper-Seminar – es war schon anstrengend, muss ich sagen. Ansonsten hatte ich ein ganz tolles Seminar zum Thema NLP, also NeuroLinguistisches Programmieren. Ich bin ja Psychologin von Hause aus und fand es großartig.