Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Herztransplantation im Doppelpack
Im Uniklinikum wurde zwei Brüdern innerhalb weniger Monate ein neues Herz transplantiert – nach zermürbender Wartezeit.
Sie haben alles zwei Mal erlebt: die Sorgen, die Angst, die Hoffnung. Und schließlich auch das Geschenk: ein neues Herz. Zwei Brüder, Henning und Axel Hansen, hatten dieselbe Erkrankung: eine massive Herzschwäche. Und beiden Männern wurden nach einer zermürbenden Wartezeit im Düsseldorfer Uniklinikum neue Herzen implantiert. „Das war eine sehr ungewöhnliche Situation, dass zwei Brüder innerhalb eines Jahres ein Spenderherz bekommen“, sagt Professor Udo Boeken, chirurgischer Leiter des Herztransplantationsprogramm des Klinikums. Eine Erfolgsstory im Doppelpack.
Er ist gerade erst aus der vierwöchigen Reha nach Hause zurückgekehrt, wurde nach einem halben Jahr in Kliniken von seiner Familie empfangen und hat am ersten Abend ein Gulasch genossen: Axel Hansen (56), dem älteren der beiden Brüder fällt es noch schwer, seine Gefühle in Worte zu fassen: „Ich bin einfach nur sehr erleichtert.“Eine Empfindung, die er mit seinem jüngeren Bruder Henning (48) teilt. Bei ihm traten die Herzprobleme zum ersten Mal vor rund 15 Jahren auf. Ein junger Mann, kräftig, über 1,90 Meter groß, tätig im Vertriebsaußendienst. „Ganz plötzlich hatte ich Luftnot.“Und die wurde mit der Zeit immer schlimmer. Früher hatte er Fußball gespielt, ist gern Fahrrad gefahren. Doch zum Schluss fiel ihm der Gang zum Bäcker an der nächsten Ecke schwer, und schließlich konnte er sich nur noch mit Mühe ins Bad schleppen.
Drei Mal musste Henning Hansen,
der mit seiner Familie im Kreis Wesel lebt, ein Kammerflimmern durchleben, bis er schließlich im Februar des vergangenen Jahres ins Herzzentrum Duisburg kam – und auf die Dringlichkeitsliste für eine Herztransplantation. Und damit begann die Zeit des Hoffens und Bangens. „Da liegt man dann und wartet“, sagt er. Die Düsseldorfer Spezialisten hielten in dieser Zeit engen Kontakt zu ihren Kollegen. „Wir haben täglich telefoniert, und einmal in der Woche bin ich nach Duisburg gefahren“, ergänzt Udo
Boeken. In dieser Zeit war das Herz von Henning Hansen kurz davor zu versagen. „Die Organfunktion hätte sich mit Medikamenten nicht viel länger aufrechterhalten lassen“, so der Herzspezialist.
Ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch nach sechs Wochen kam die erlösende Nachricht vom Zentralregister der Stiftung Eurotransplant in Leiden (Niederlande), dass es ein passendes Spenderherz für Henning Hansen gibt. Der Patient wurde sofort ins Düsseldorfer Klinikum transportiert und dort am
13. März 2023 operiert. Der Eingriff selbst gilt als Routine, dauert zwischen vier und in Ausnahmefällen auch schon mal 12 Stunden und ist nur in wenigen Zentren möglich. Im Düsseldorfer Klinikum wird nahezu jede Woche ein Herz transplantiert, in ganz Deutschland waren es im vergangenen Jahr rund 300. „Viel zu wenig“, wie Udo Boeken betont.
Das Problem: Es gibt hierzulande immer noch zu wenig Organspenden. Exakt: 850 pro Jahr, das bedeutet zehn pro eine Million Einwohner. Und damit ist Deutschland
Schlusslicht in Europa, in Ländern wie Spanien und Polen ist diese Zahl etwa fünf Mal so hoch. Die Folge: Jedes Jahr sterben mindestens 150 Menschen, die auf ein neues Organ warten. „Diese Wartezeit ist echt ein Drama“, sagt Udo Boeken. „Selbst hochdringlich gelistete Patienten und Patientinnen müssen hierzulande bis zu sechs Monate auf ein Spenderorgan warten.“In Österreich, wo (wie in fast allen Ländern Europas) die Widerspruchsregelung gilt, seien es oft nur wenige Tage.
Diese Widerspruchsregel beinhaltet, dass Menschen einer Organspende nach ihrem Tod aktiv widersprechen müssen. Eine Gesetzesinitiative ist allerdings im Parlament bisher gescheitert, nun wollen einige Länder unter Federführung von NRW-Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann einen neuen Vorstoß über den Bundesrat unternehmen. „Bisher ist in Deutschland leider eine völlig antiquierte Regelung Gesetz“, kommentiert Udo Boeken.
Unter diesen Vorzeichen hatten die Brüder Hansen noch Glück, Henning musste, nachdem er auf die Dringlichkeitsliste kam, sechs Wochen auf sein neues Herz gewartet, bei Axel waren es acht Wochen. Allerdings musste er schon die letzten Monate vor der Transplantation kurz vor Weihnachten in der Klinik verbringen – mit Lesen, Fernsehen und etlichen düsteren Gedanken. „Die Wartezeit ist sehr herausfordernd, auch für unsere Eltern, die das nun zum zweiten Mal durchmachen mussten.“
An der Krankengeschichte seines Bruders konnte er erahnen, was ihm selbst bevorstand. Es war wie ein Blick in die Zukunft. „Meistens war es so, dass Henning in allem einige Jahre vor mir dran war, beispielsweise bekam er 2014 einen Defibrillator eingesetzt, bei mir war es dann 2022 soweit.“Da hatte Axel Hansen noch eine Herzleistung von unter 30 Prozent. Doch nun sieht er mit Blick auf seinen Bruder auch die Perspektiven. Henning Hansen geht regelmäßig zur Physiotherapie und ins Sportstudio, um seine Muskulatur, die vom langen Liegen noch geschwächt ist, wieder aufzubauen. „Spazieren gehen klappt gut, Radfahren muss noch warten.“
Letzte Frage: Erleben die beiden Brüder ihre neuen Herzen als Fremdkörper? Henning Hansen beteuert (und Axel stimmt ihm zu): „Das ist kein Fremdkörper, sondern ein neues Leben.“