Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Mehr Crack- und Kokain-Konsum
2022 haben knapp elf Prozent der Kontakte des Neusser Streetwork-Angebots „Beratung Mobil“Kokain oder Crack konsumiert – im vergangenen Jahr stieg diese Zahl auf knapp 40 Prozent. Dabei sind die Auswirkungen des Konsums immens.
NEUSS Im Oktober vergangenen Jahres schlug die Neusser CDU „Crack-Alarm“. Ihrer damaligen Beobachtung zufolge war das aus Kokainsalz und Natron hergestellte Suchtmittel nun auch in der Quirinusstadt angekommen. „Wie in anderen Großstädten auch hat die Droge Crack Einzug gehalten“, berichtete der CDU-Vorsitzende JanPhilipp Büchler besorgt.
Beobachtungen, die sich mit der jetzt vorgelegten Bilanz des Neusser Streetwork-Angebotes „Beratung mobil“decken. „Auffallend ist die Veränderung 2023 im Vergleich zu 2022 bezogen auf die Suchtmittel“, heißt es darin. Haben im Jahr 2022 noch knapp elf Prozent der Kontakte Kokain konsumiert – stieg diese Zahl im vergangenen Jahr auf knapp 40 Prozent. Dabei ist zu erwähnen: Zu Kokain wird auch Crack gezählt, das sich allerdings in Zubereitung, Wirkung und Preis unterscheidet. Der steigende Konsum von Kokain und Crack ist laut Fachberichten in ganz Europa zu beobachten. Durch diesen Konsumwandel verändere sich das Klientel stark, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeit in der aufsuchenden Arbeit habe, heißt es in der Bilanz. Aufgrund der deutlich kürzeren Wirkungsdauer von Crack und Freebase – dabei handelt es sich um chemisch verarbeitetes Kokain – sowie dem extrem hohen Suchtpotenzial (deutlich kürzer als beispielsweise bei Heroin) müssten die Konsumenten zeitnah erneut konsumieren. „Somit halten sich viele Personen, mit und ohne Obdach, den ganzen Tag an den Szeneplätzen auf, da hier die Verfügbarkeit der Substanz gewährleistet ist“, fasst die Beratung mobil zusammen. Viele der Menschen wüssten dabei gar nicht, dass sie Crack konsumieren, sondern gingen von Kokainkonsum aus.
Im Jahr 2023 habe in Neuss aus diesem Grund viel Aufklärung in diesem Bereich stattgefunden. Ebenfalls betont wird, dass mit dem Konsum von Crack „erhebliche und schnelle Wesensveränderungen“verbunden sind. Durch den enormen Sucht- und Beschaffungsdruck mit aggressivem Verhalten und einer inneren Unruhe werde der Beratungsprozess deutlich erschwert. Wahnvorstellungen, schnellere körperliche und seelische Verelendung – zum Beispiel in Form von Unterernährung, Abszessen, Verletzungen, faulen Zähnen und mehr – seien schnell offensichtlich. Viele der betroffenen Klienten weisen den
Experten zufolge zum Teil massive Wunden, wie beispielsweise offene Beine, auf und schämen sich, in eine Arztpraxis zu gehen oder haben Ängste, die einen Arztbesuch verhindern. Hierdurch verschlimmere sich häufig der Zustand.
„Beratung mobil“hat sich seit 2018 zu einem festen Bestandteil des Hilfesystems in Neuss entwickelt. Es ist ein Angebot der „Impuls“-Suchtberatung für Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten und
von Wohnungslosigkeit und/oder Abhängigkeitserkrankungen betroffen sind. Das Angebot wurde installiert, um den betroffenen Menschen Unterstützungs- und Hilfsangebote näher zu bringen. Der Beratungsbus der Streetworker ist auch regelmäßig im Bereich vor der Stadthalle zu sehen, der als größter Hotspot für Dealer und Konsumenten in Neuss gilt.
Die statistische Auswertung zeigt, dass der Großteil der Kontakte tatsächlich an der Stadthalle stattgefunden hat (54 Prozent Gruppenund 53 Prozent Einzelkontakte). Der zweithäufigste Ort ist die sonstige Innenstadt gewesen. Über die konstanten Kontakte und das dadurch aufgebaute Vertrauen konnten demnach rund 100 Vermittlungen stattfinden – der Großteil zur „Impuls-Suchtberatung“sowie zur Caritas Wohnungslosenhilfe. Die Altersstruktur bei den Klienten war durchmischt. Der Großteil der Einzelkontakte hat wie in den vorherigen Jahren in der Altersgruppe von 46 bis 55 Jahren stattgefunden. Die Bereiche Suchtmittelproblematik und Wohnungssituation/ Wohnungslosigkeit waren dabei die am häufigsten dokumentierten Beratungsthemen. Bei den Einzelkontakten sind erneut gesundheitliche Probleme als dritthäufigstes Thema aufgetreten.