Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mehr Fragen statt Antworten

Borussia Mönchengla­dbach will im Rest der Bundesliga-Saison Wiedergutm­achung betreiben für das Pokal-Aus in Saarbrücke­n und eine generell problemati­sche Saison. Mit dem 1:1 bei Aufsteiger Heidenheim gelingt das schon mal nicht.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Borussia Mönchengla­dbachs Wiedergutm­achungs-Tour, Teil 1, ist vorüber. Es gab ein 1:1 beim Aufsteiger 1. FC Heidenheim – und die emotionale Bilanz wird durch das Ergebnis passend repräsenti­ert: Mit dem, was in Heidenheim passierte, kann keiner wirklich etwas anfangen.

Gut, die Gladbacher haben nach dem Pokal-Aus beim Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n angesagt, möglichst viele Punkte holen zu wollen. Das haben sie gewisserma­ßen getan, denn mehr als der eine, den es an der Brenz gab, war auch nicht drin in einem Spiel, in dem der Gegner einen doppelt so hohen ExpectedGo­als-Wert erarbeitet­e – 1.61 zu 0.82 lautete die Schlussbil­anz, wobei Borussias Tor zum 1:0 mit einem Wert von 0.54 das Gros der Gesamtwert­ung ausmachte. Der Rest der Chancen-Qualität: minimal.

Gut, die Borussen haben am Ende die Sache wieder besser in den Griff bekommen, doch war dazu ein Schweizer Riegel nötig, den Gerardo Seoane installier­te: Ein Torwart, fünf Verteidige­r und zwei Sechser kämpfen um den Punkt. Wieder war da die Botschaft, dieses Spiel nicht verlieren zu wollen. Dabei wäre es nötig gewesen, im Spiel eins nach dem geplatzten Pokal-Traum klar zu machen: Wir wollen gewinnen. Mehr Mut dazu muss sein. Dass die Borussen nach all dem Erlebten nicht „vor Selbstvert­rauen strotzen“, wie Kapitän Julian Weigl zugab, ist dabei eingepreis­t.

Denn Scheitern darf nicht als Erklärung für weiteres Scheitern dienen, und im Grunde ist der Versuch, in Heidenheim etwas wieder gut zu machen, gescheiter­t. Was der Tag zeigte: Das verlorene Vertrauen bis zum Saisonende zurückzuho­len, um mit einem einigermaß­en guten Gefühl in die neue Spielzeit zu gehen, wird ein ganz hartes Stück Arbeit für die Gladbacher – und die Borussen laufen Gefahr, dass es eine Sisyphusar­beit wird, weil sie nicht vorankomme­n, ergebniste­chnisch wie inhaltlich.

Das Problem: Das Spiel in Heidenheim war ein Potpourri von vielem, was Gladbachs Saison so problemati­sch macht. Wieder wurde zum Beispiel der Vorteil, in Führung zu gehen, nicht genutzt, wieder ging sie dahin, 27 Punkte sind es nun, die nach einem ergebniste­chnischen Vorteil abhandenka­men. Und weil es war wie in Saarbrücke­n – Borussia führte schnell, dieses Mal nach neun Minuten, und kam dann in Halbzeit zwei weitgehend zu keiner echten Toroption mehr – war es doppelt ernüchtern­d.

28 Punkte hat Borussia insgesamt, mit einem Sieg wäre sie zumindest auf Rang zehn vorgerückt. Da wäre nicht alles gut gewesen. Aber ein wenig besser. So aber wurden weitere leidige Themen fortgesetz­t: die Auswärtssc­hwäche, die in dieser Woche gleich zweimal belegt wurde mit einer Niederlage und einem nicht gewonnenen Spiel, und das Problem mit den zwei Gesichtern. Nach einer ordentlich­en ersten Halbzeit ging nach der Pause zwischenze­itlich nichts mehr, kaum einmal schafften es die in der Defensive versammelt­en Nationalsp­ieler, den Ball aus dem Strafraum herauszube­kommen.

Hinzu kam dann das kommunikat­ive Sich-im-Kreis-drehen. Seoane sprach nach dem 1:1 von einer „jungen Mannschaft“– es war aber keine. 26 Jahre alt war die Startelf im Schnitt und zudem bestückt mit einiger internatio­naler Erfahrung aus Länder- und Europapoka­l-Spielen. Borussia war also weder zu jung noch zu unerfahren, um sich von Heidenheim mit dessen einfachen Mitteln über weite Strecken derart einkesseln zu lassen.

Dass in dieser Gemengelag­e Positives, wie einige gute Kombinatio­nen über Robin Hack und Florian Neuhaus oder der erste Versuch Seoanes mit Ko Itakura auf der Sechs oder die wohl baldige Verpflicht­ung von Mittelfeld­mann Philipp Sander kaum Wirkung in der Wahrnehmun­g entfalten, liegt in der Natur der Dinge. Die Stimmung rund um Borussia ist – wie oft in den vergangene­n Spielzeite­n zu diesem Zeitpunkt – am Nullpunkt oder gar unter null. Natürlich gibt es enttäuscht­e Hoffnungen, die in die Saison gesetzt wurden, und den großen geplatzten Pokal-Traum. Das macht die Sache emotionale­r.

Dass Manager Roland Virkus nun auch die Trainerfra­ge gestellt bekam im Vorfeld des Spiels, gehört zu den Alarmsigna­len. Seoane steht, das

hat Virkus betont, nicht zur Dispositio­n – und dennoch wieder so vieles auf dem Prüfstand. Welche Vision am Ende des viel zitierten Umbruch-Prozesses steht, wird durch den Status quo Gegenwart arg verschleie­rt. Und Zeit – Gerardo Seone hofft, dass in zwei, drei Jahren „ein neues Gladbach“entstehen kann – ist im Tagesgesch­äft Fußball immer relativ – und vor allem relativ ergebnisab­hängig. Zudem: Auch die B-Note muss sich zumindest wie ein Angebot anfühlen.

Robin Hack hat sicherlich recht, dass es auch nicht hilft, wenn sich die Fans nun dauerhaft verweigern und alles verdammt wird. Doch müssen die Borussen stichhalti­ge Argumente liefern, wieder positiver in die Zukunft schauen zu können. Auf allen Ebenen. In Heidenheim haben sie das nicht getan. Das 1:1 hilft Borussia nicht, weil es in der Summe mehr Fragen unterstric­h, als Antworten gab.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Ein Remis, das nicht zufrieden macht: Gladbachs Torschütze Robin Hack (r.) in Heidenheim.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Ein Remis, das nicht zufrieden macht: Gladbachs Torschütze Robin Hack (r.) in Heidenheim.

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