Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
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Borussia Mönchengladbach will im Rest der Bundesliga-Saison Wiedergutmachung betreiben für das Pokal-Aus in Saarbrücken und eine generell problematische Saison. Mit dem 1:1 bei Aufsteiger Heidenheim gelingt das schon mal nicht.
Borussia Mönchengladbachs Wiedergutmachungs-Tour, Teil 1, ist vorüber. Es gab ein 1:1 beim Aufsteiger 1. FC Heidenheim – und die emotionale Bilanz wird durch das Ergebnis passend repräsentiert: Mit dem, was in Heidenheim passierte, kann keiner wirklich etwas anfangen.
Gut, die Gladbacher haben nach dem Pokal-Aus beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken angesagt, möglichst viele Punkte holen zu wollen. Das haben sie gewissermaßen getan, denn mehr als der eine, den es an der Brenz gab, war auch nicht drin in einem Spiel, in dem der Gegner einen doppelt so hohen ExpectedGoals-Wert erarbeitete – 1.61 zu 0.82 lautete die Schlussbilanz, wobei Borussias Tor zum 1:0 mit einem Wert von 0.54 das Gros der Gesamtwertung ausmachte. Der Rest der Chancen-Qualität: minimal.
Gut, die Borussen haben am Ende die Sache wieder besser in den Griff bekommen, doch war dazu ein Schweizer Riegel nötig, den Gerardo Seoane installierte: Ein Torwart, fünf Verteidiger und zwei Sechser kämpfen um den Punkt. Wieder war da die Botschaft, dieses Spiel nicht verlieren zu wollen. Dabei wäre es nötig gewesen, im Spiel eins nach dem geplatzten Pokal-Traum klar zu machen: Wir wollen gewinnen. Mehr Mut dazu muss sein. Dass die Borussen nach all dem Erlebten nicht „vor Selbstvertrauen strotzen“, wie Kapitän Julian Weigl zugab, ist dabei eingepreist.
Denn Scheitern darf nicht als Erklärung für weiteres Scheitern dienen, und im Grunde ist der Versuch, in Heidenheim etwas wieder gut zu machen, gescheitert. Was der Tag zeigte: Das verlorene Vertrauen bis zum Saisonende zurückzuholen, um mit einem einigermaßen guten Gefühl in die neue Spielzeit zu gehen, wird ein ganz hartes Stück Arbeit für die Gladbacher – und die Borussen laufen Gefahr, dass es eine Sisyphusarbeit wird, weil sie nicht vorankommen, ergebnistechnisch wie inhaltlich.
Das Problem: Das Spiel in Heidenheim war ein Potpourri von vielem, was Gladbachs Saison so problematisch macht. Wieder wurde zum Beispiel der Vorteil, in Führung zu gehen, nicht genutzt, wieder ging sie dahin, 27 Punkte sind es nun, die nach einem ergebnistechnischen Vorteil abhandenkamen. Und weil es war wie in Saarbrücken – Borussia führte schnell, dieses Mal nach neun Minuten, und kam dann in Halbzeit zwei weitgehend zu keiner echten Toroption mehr – war es doppelt ernüchternd.
28 Punkte hat Borussia insgesamt, mit einem Sieg wäre sie zumindest auf Rang zehn vorgerückt. Da wäre nicht alles gut gewesen. Aber ein wenig besser. So aber wurden weitere leidige Themen fortgesetzt: die Auswärtsschwäche, die in dieser Woche gleich zweimal belegt wurde mit einer Niederlage und einem nicht gewonnenen Spiel, und das Problem mit den zwei Gesichtern. Nach einer ordentlichen ersten Halbzeit ging nach der Pause zwischenzeitlich nichts mehr, kaum einmal schafften es die in der Defensive versammelten Nationalspieler, den Ball aus dem Strafraum herauszubekommen.
Hinzu kam dann das kommunikative Sich-im-Kreis-drehen. Seoane sprach nach dem 1:1 von einer „jungen Mannschaft“– es war aber keine. 26 Jahre alt war die Startelf im Schnitt und zudem bestückt mit einiger internationaler Erfahrung aus Länder- und Europapokal-Spielen. Borussia war also weder zu jung noch zu unerfahren, um sich von Heidenheim mit dessen einfachen Mitteln über weite Strecken derart einkesseln zu lassen.
Dass in dieser Gemengelage Positives, wie einige gute Kombinationen über Robin Hack und Florian Neuhaus oder der erste Versuch Seoanes mit Ko Itakura auf der Sechs oder die wohl baldige Verpflichtung von Mittelfeldmann Philipp Sander kaum Wirkung in der Wahrnehmung entfalten, liegt in der Natur der Dinge. Die Stimmung rund um Borussia ist – wie oft in den vergangenen Spielzeiten zu diesem Zeitpunkt – am Nullpunkt oder gar unter null. Natürlich gibt es enttäuschte Hoffnungen, die in die Saison gesetzt wurden, und den großen geplatzten Pokal-Traum. Das macht die Sache emotionaler.
Dass Manager Roland Virkus nun auch die Trainerfrage gestellt bekam im Vorfeld des Spiels, gehört zu den Alarmsignalen. Seoane steht, das
hat Virkus betont, nicht zur Disposition – und dennoch wieder so vieles auf dem Prüfstand. Welche Vision am Ende des viel zitierten Umbruch-Prozesses steht, wird durch den Status quo Gegenwart arg verschleiert. Und Zeit – Gerardo Seone hofft, dass in zwei, drei Jahren „ein neues Gladbach“entstehen kann – ist im Tagesgeschäft Fußball immer relativ – und vor allem relativ ergebnisabhängig. Zudem: Auch die B-Note muss sich zumindest wie ein Angebot anfühlen.
Robin Hack hat sicherlich recht, dass es auch nicht hilft, wenn sich die Fans nun dauerhaft verweigern und alles verdammt wird. Doch müssen die Borussen stichhaltige Argumente liefern, wieder positiver in die Zukunft schauen zu können. Auf allen Ebenen. In Heidenheim haben sie das nicht getan. Das 1:1 hilft Borussia nicht, weil es in der Summe mehr Fragen unterstrich, als Antworten gab.