Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Fastenbrechen am Rhein wäre tolles Signal“
Ein Gespräch über den Ramadan und die Herausforderungen im jüdisch-muslimischen Verhältnis.
Redouan Aoulad Ali ist gebürtiger Düsseldorfer. Im Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM), dessen Vorstandsmitglied er ist, kümmert er sich um soziale Fragen und Projekte. Düsseldorf sieht er als Stadt, in der Vielfalt, Weltoffenheit und der interreligiöse Dialog einen hohen Stellenwert haben. Dass es auch ausgrenzende Erfahrungen gibt, sieht er als Herausforderung.
Herr Aoulad Ali, vor einer Woche begann der Fastenmonat Ramadan. In London, Frankfurt und Köln-Ehrenfeld wird aus diesem Anlass eine Straßenbeleuchtung aufgehängt. Sollte es das im kommenden Jahr auch in Düsseldorf geben?
AOULAD ALI Also ich finde das eine schöne Idee, die die muslimischen Schwestern und ihre Freundinnen da in Ehrenfeld auf den Weg gebracht haben. Aber (er schmunzelt) es ist doch so, dass Köln von uns Dinge abguckt und nicht umgekehrt. Wichtiger als eine Beleuchtung fände ich, dass wir ein öffentliches gemeinsames Fastenbrechen anbieten, so wie es beispielsweise in der Nachbarstadt Monheim gemacht wird. Das ist dann ein großes gemeinsames Abendessen, bei dem sich Menschen mit ganz unterschiedlichen Religionen und Lebensgefühlen begegnen. Es wäre doch toll, wenn wir das beispielsweise am Rheinufer hinbekämen. Denn bislang gibt es meist nur gezielte Einladungen an Politiker oder andere Repräsentanten der Stadtgesellschaft, die dann zu einem Fastenbrechen kommen. Das sollten wir auf breitere Füße stellen.
Wie kann man denn den ganzen Tag kein Wasser trinken? Und warum schlägt man sich dann gleich abends wieder den Bauch voll? Können Sie diese Fragen eigentlich noch hören?
AOULAD ALI (lacht) Tatsächlich sind es in jedem Jahr immer wieder die gleichen Fragen, die auf uns zu kommen. Scherzhaft sprechen wir da untereinander schon mal von der alljährlichen „Ramadan Quiz “, weil man einfach merkt, dass es für die Fragesteller noch immer keine „Normalität“darstellt. Aber wir erklären das gerne und machen natürlich niemandem einen Vorwurf, sondern freuen uns über das Interesse.
Gesunde Erwachsene sollen ja zwischen Sonnenauf- und untergang weder essen noch trinken noch schlechte Gedanken haben. Ganz schön anspruchsvoll – oder?
AOULAD ALI Ja, das ist es. Aber auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme. Kinder, Schwangere, Ältere und Kranke müssen nicht fasten. Auch ein Herzchirurg darf essen und trinken, damit er sich bei seinen Operationen voll konzentrieren kann. Und auch wer sagt: Ich schaffe das
einfach nicht, kann beispielsweise durch Almosen und die Unterstützung von Armen das Fasten ersetzen.
Wie gehen denn die nicht-muslimischen Arbeitgeber mit dem Fasten im Ramadan um?
AOULAD ALI Das ist nicht immer ganz einfach. Ich kenne Menschen, die erwähnen auf der Arbeit gar nicht, dass sie fasten.
Warum?
AOULAD ALI Aus Sorge, dass der Chef jeden Fehler, der passiert, auf das seiner Einschätzung nach „übertriebene“
Fasten zurückführt. Manche nehmen sich sogar eine volle Brotdose mit, damit die anderen Mitarbeiter denken, dass der Kollege nicht fastet. Das ist natürlich übertrieben. Auf der anderen Seite stehen beispielsweise internationale Unternehmen, für die Mitarbeiter, die die Regeln des Ramadans befolgen, längst eine Selbstverständlichkeit sind.
Und was ist mit den schlechten Gedanken?
AOULAD ALI Damit sind unter anderem Flüche und Beschimpfungen gemeint. Aber es hilft uns allen, wenn wir da zurückhaltender sind – nicht nur im Ramadan.
Ein gutes Stichwort. Denn tatsächlich nehmen ja die Spannungen in einer zunehmend verunsicherten und gereizten Gesellschaft zu. Manche Bürger sind dauer-wütend und die Toleranz bleibt auf der Strecke.
AOULAD ALI Das ist leider wahr. Es gibt aber zwei Ebenen, die sich stark unterscheiden. Vieles läuft im Alltag unkompliziert und es gibt in der Nachbarschaft, auf der Arbeit oder in der Schule ein gutes Miteinander. Schaut man in die Sozialen Medien, stellt sich das oft ganz anders dar.
Sind Sie auch schon beschimpft worden?
AOULAD ALI Das kommt schon vor. Aber man muss da genau hinschauen. Wenn man plötzlich zehn beleidigende Nachrichten bekommt, stammen die nicht selten von denselben Akteuren. Die senden das dann von Fake Accounts und versuchen so, den Eindruck zu erwecken, dass sie ganz viele Leute so denken.
Sie sind in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, selbst ihr Vater war noch ein kleines Kind, als er mit seinen Eltern hierherkam. Gab es Vorurteile?
AOULAD ALI Aber ja. Ich hatte viele Super-Lehrer, aber es gab eben auch einen, der konnte und wollte Muslime nicht akzeptieren und hat das auch gar nicht versteckt. Damals kam das Buch „Nicht ohne meine Tochter“heraus. Er hat uns dann angeschaut und immer wieder gesagt: „Ihr Mohammedaner klaut ja sogar die eigenen Töchter“.
Heute sitzen Menschen mit einer solchen Denkweise in den Parlamenten.
AOULAD ALI So ist es und ich schätze, dass es damals wie heute ein Potenzial von 20 bis 30 Prozent der Bürger gibt, die mit den muslimischen Einwanderern fremdeln, die sich nicht eingestehen wollen, dass Muslime ein Teil dieser Stadt und ein Teil
dieser Gesellschaft sind. Aber wir sollten auf die anderen 80 Prozent schauen, mit denen wir uns bestens verstehen und mit denen wir ganz viel vorangebracht haben.
Neben den Christen gilt das ja gerade auch für ihr Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde. Belasten das bestialische Töten jüdischer Menschen durch die Hamas am 7. Oktober und die weiter andauernde Reaktion Israels im Gaza-Streifen diese Annäherung?
AOULAD ALI Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir als Düsseldorfer muslimischen oder jüdischen Glaubens hier ungewollt schlimme Dinge mitausbaden müssen, für die wir nichts können und die wir aufs Schärfste verurteilen. Der Blick richtet sich deshalb auf unser Leben hier vor Ort. Wir haben tolle Brücken gebaut und das Miteinander funktioniert gut. Aber es stimmt natürlich, dass die steigende Polarisierung den Erhalt der gut gebauten Brücken zu einer Herausforderung macht. Es ist schwieriger geworden, an dem gemeinsamen Seil festzuhalten und es nicht aus der Hand gleiten zu lassen. Aber in unserer Stadt schaffen wir das.
Auch wenn mutmaßliche Teilnehmer oder Sympathisanten einer samstäglichen pro-palästinensischen Demonstration am Rande des Geschehens eine israelische Fahne verbrennen?
AOULAD ALI Ich habe das Video, das diesen vollkommen inakzeptablen Vorgang zeigt, auch gesehen und darauf niemanden erkannt, den ich hier aus Düsseldorf kenne. Klar ist: Niemand darf Flaggen anderer Nationen anzünden. Denn dahinter steht ja der Gedanke, den anderen und sein Land zu vernichten. So hat beispielsweise Atatürk vor rund 100 Jahren das Schänden der griechischen Fahne strikt untersagt, obwohl beide Länder damals stark verfeindet waren und sich im Krieg befanden.