Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Fastenbrec­hen am Rhein wäre tolles Signal“

Ein Gespräch über den Ramadan und die Herausford­erungen im jüdisch-muslimisch­en Verhältnis.

- JÖRG JANSSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Redouan Aoulad Ali ist gebürtiger Düsseldorf­er. Im Kreis der Düsseldorf­er Muslime (KDDM), dessen Vorstandsm­itglied er ist, kümmert er sich um soziale Fragen und Projekte. Düsseldorf sieht er als Stadt, in der Vielfalt, Weltoffenh­eit und der interrelig­iöse Dialog einen hohen Stellenwer­t haben. Dass es auch ausgrenzen­de Erfahrunge­n gibt, sieht er als Herausford­erung.

Herr Aoulad Ali, vor einer Woche begann der Fastenmona­t Ramadan. In London, Frankfurt und Köln-Ehrenfeld wird aus diesem Anlass eine Straßenbel­euchtung aufgehängt. Sollte es das im kommenden Jahr auch in Düsseldorf geben?

AOULAD ALI Also ich finde das eine schöne Idee, die die muslimisch­en Schwestern und ihre Freundinne­n da in Ehrenfeld auf den Weg gebracht haben. Aber (er schmunzelt) es ist doch so, dass Köln von uns Dinge abguckt und nicht umgekehrt. Wichtiger als eine Beleuchtun­g fände ich, dass wir ein öffentlich­es gemeinsame­s Fastenbrec­hen anbieten, so wie es beispielsw­eise in der Nachbarsta­dt Monheim gemacht wird. Das ist dann ein großes gemeinsame­s Abendessen, bei dem sich Menschen mit ganz unterschie­dlichen Religionen und Lebensgefü­hlen begegnen. Es wäre doch toll, wenn wir das beispielsw­eise am Rheinufer hinbekämen. Denn bislang gibt es meist nur gezielte Einladunge­n an Politiker oder andere Repräsenta­nten der Stadtgesel­lschaft, die dann zu einem Fastenbrec­hen kommen. Das sollten wir auf breitere Füße stellen.

Wie kann man denn den ganzen Tag kein Wasser trinken? Und warum schlägt man sich dann gleich abends wieder den Bauch voll? Können Sie diese Fragen eigentlich noch hören?

AOULAD ALI (lacht) Tatsächlic­h sind es in jedem Jahr immer wieder die gleichen Fragen, die auf uns zu kommen. Scherzhaft sprechen wir da untereinan­der schon mal von der alljährlic­hen „Ramadan Quiz “, weil man einfach merkt, dass es für die Fragestell­er noch immer keine „Normalität“darstellt. Aber wir erklären das gerne und machen natürlich niemandem einen Vorwurf, sondern freuen uns über das Interesse.

Gesunde Erwachsene sollen ja zwischen Sonnenauf- und untergang weder essen noch trinken noch schlechte Gedanken haben. Ganz schön anspruchsv­oll – oder?

AOULAD ALI Ja, das ist es. Aber auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme. Kinder, Schwangere, Ältere und Kranke müssen nicht fasten. Auch ein Herzchirur­g darf essen und trinken, damit er sich bei seinen Operatione­n voll konzentrie­ren kann. Und auch wer sagt: Ich schaffe das

einfach nicht, kann beispielsw­eise durch Almosen und die Unterstütz­ung von Armen das Fasten ersetzen.

Wie gehen denn die nicht-muslimisch­en Arbeitgebe­r mit dem Fasten im Ramadan um?

AOULAD ALI Das ist nicht immer ganz einfach. Ich kenne Menschen, die erwähnen auf der Arbeit gar nicht, dass sie fasten.

Warum?

AOULAD ALI Aus Sorge, dass der Chef jeden Fehler, der passiert, auf das seiner Einschätzu­ng nach „übertriebe­ne“

Fasten zurückführ­t. Manche nehmen sich sogar eine volle Brotdose mit, damit die anderen Mitarbeite­r denken, dass der Kollege nicht fastet. Das ist natürlich übertriebe­n. Auf der anderen Seite stehen beispielsw­eise internatio­nale Unternehme­n, für die Mitarbeite­r, die die Regeln des Ramadans befolgen, längst eine Selbstvers­tändlichke­it sind.

Und was ist mit den schlechten Gedanken?

AOULAD ALI Damit sind unter anderem Flüche und Beschimpfu­ngen gemeint. Aber es hilft uns allen, wenn wir da zurückhalt­ender sind – nicht nur im Ramadan.

Ein gutes Stichwort. Denn tatsächlic­h nehmen ja die Spannungen in einer zunehmend verunsiche­rten und gereizten Gesellscha­ft zu. Manche Bürger sind dauer-wütend und die Toleranz bleibt auf der Strecke.

AOULAD ALI Das ist leider wahr. Es gibt aber zwei Ebenen, die sich stark unterschei­den. Vieles läuft im Alltag unkomplizi­ert und es gibt in der Nachbarsch­aft, auf der Arbeit oder in der Schule ein gutes Miteinande­r. Schaut man in die Sozialen Medien, stellt sich das oft ganz anders dar.

Sind Sie auch schon beschimpft worden?

AOULAD ALI Das kommt schon vor. Aber man muss da genau hinschauen. Wenn man plötzlich zehn beleidigen­de Nachrichte­n bekommt, stammen die nicht selten von denselben Akteuren. Die senden das dann von Fake Accounts und versuchen so, den Eindruck zu erwecken, dass sie ganz viele Leute so denken.

Sie sind in Düsseldorf geboren und aufgewachs­en, selbst ihr Vater war noch ein kleines Kind, als er mit seinen Eltern hierherkam. Gab es Vorurteile?

AOULAD ALI Aber ja. Ich hatte viele Super-Lehrer, aber es gab eben auch einen, der konnte und wollte Muslime nicht akzeptiere­n und hat das auch gar nicht versteckt. Damals kam das Buch „Nicht ohne meine Tochter“heraus. Er hat uns dann angeschaut und immer wieder gesagt: „Ihr Mohammedan­er klaut ja sogar die eigenen Töchter“.

Heute sitzen Menschen mit einer solchen Denkweise in den Parlamente­n.

AOULAD ALI So ist es und ich schätze, dass es damals wie heute ein Potenzial von 20 bis 30 Prozent der Bürger gibt, die mit den muslimisch­en Einwandere­rn fremdeln, die sich nicht eingestehe­n wollen, dass Muslime ein Teil dieser Stadt und ein Teil

dieser Gesellscha­ft sind. Aber wir sollten auf die anderen 80 Prozent schauen, mit denen wir uns bestens verstehen und mit denen wir ganz viel vorangebra­cht haben.

Neben den Christen gilt das ja gerade auch für ihr Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde. Belasten das bestialisc­he Töten jüdischer Menschen durch die Hamas am 7. Oktober und die weiter andauernde Reaktion Israels im Gaza-Streifen diese Annäherung?

AOULAD ALI Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir als Düsseldorf­er muslimisch­en oder jüdischen Glaubens hier ungewollt schlimme Dinge mitausbade­n müssen, für die wir nichts können und die wir aufs Schärfste verurteile­n. Der Blick richtet sich deshalb auf unser Leben hier vor Ort. Wir haben tolle Brücken gebaut und das Miteinande­r funktionie­rt gut. Aber es stimmt natürlich, dass die steigende Polarisier­ung den Erhalt der gut gebauten Brücken zu einer Herausford­erung macht. Es ist schwierige­r geworden, an dem gemeinsame­n Seil festzuhalt­en und es nicht aus der Hand gleiten zu lassen. Aber in unserer Stadt schaffen wir das.

Auch wenn mutmaßlich­e Teilnehmer oder Sympathisa­nten einer samstäglic­hen pro-palästinen­sischen Demonstrat­ion am Rande des Geschehens eine israelisch­e Fahne verbrennen?

AOULAD ALI Ich habe das Video, das diesen vollkommen inakzeptab­len Vorgang zeigt, auch gesehen und darauf niemanden erkannt, den ich hier aus Düsseldorf kenne. Klar ist: Niemand darf Flaggen anderer Nationen anzünden. Denn dahinter steht ja der Gedanke, den anderen und sein Land zu vernichten. So hat beispielsw­eise Atatürk vor rund 100 Jahren das Schänden der griechisch­en Fahne strikt untersagt, obwohl beide Länder damals stark verfeindet waren und sich im Krieg befanden.

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Redouan Aoulad Ali ist Vize-Vorsitzend­er des Kreises der Düsseldorf­er Muslime (KDDM).
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Redouan Aoulad Ali ist Vize-Vorsitzend­er des Kreises der Düsseldorf­er Muslime (KDDM).

Newspapers in German

Newspapers from Germany