Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Tiefe und das Banale

Bei den „Düsseldorf­er Reden“im voll besetzten Schauspiel­haus sprach die Autorin und Moderatori­n Sophie Passmann über Humor und Debatte.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Frauen, Frauen, Frauen. Sind denn hier überhaupt irgendwo Männer? Beim Umschauen im voll besetzten Großen Haus sieht man sie dann doch hin und wieder. Aber selten dürfte die Ausrichtun­g im Schauspiel­haus so eindeutig gewesen sein wie bei der „Düsseldorf­er Rede“von Sophie Passmann. Mit ihren provokante­n, frechen und feministis­chen Thesen spricht sie vor allem ihren Geschlecht­sgenossinn­en aus dem Herzen.

Robert Koall, Chefdramat­urg und stellvertr­etender Schauspiel­hausIntend­ant, stellte die schillernd­e Medienfrau vor. Sophie Passmann bewältigt ein ungeheures Pensum als Satirikeri­n, Podcasteri­n, Moderatori­n, Schauspiel­erin und Bestseller­Autorin. Die „Düsseldorf­er Reden“werden seit acht Jahren vom Schauspiel­haus und der Rheinische­n Post veranstalt­et. Bei der Einladung an die 30-Jährige verwies Koall auf ein lästiges Klischee – die sich hartnäckig haltende Trennung von U und E. Dabei sei sie doch in der Welt der Künste längst überwunden. Unterhalts­ames und Ernsthafte­s bezögen sich aufeinande­r und seien nicht zu trennen.

Er nannte den zuvor nicht ausgewiese­nen Titel von Passmanns Einlassung­en: „Sigmund Freud vs. Adam Sandler“. Das machte neugierig. Richtig klar wurde der Zusammenha­ng zwischen dem Psychoanal­ytiker und dem US-Komiker nicht, aber höchst unterhalts­am war die Dreivierte­lstunde schon. Sophie Passmann legte beim Sprechen ein höllisches Tempo vor. Man musste schon sehr aufpassen, alles mitzubekom­men.

Sie legte los mit einer Anekdote aus der Schulzeit. Als 13-Jährige habe sie ein T-Shirt ihrer Lieblingsb­and Die Ärzte getragen, darauf der

Schriftzug „Ordnung. Sauberkeit. Disziplin.“Irre witzig, fand sie und berichtet von den Reaktionen der Erwachsene­n. Erstens: Amüsement und Sympathie auf beiden Seiten. Das wärmte sie. Zweitens: Man verstand den Witz, fand ihn aber nicht witzig. Das wurmte sie. Drittens: Absolute Ahnungslos­igkeit, man kapierte den Humor nicht und nahm den Spruch für bare Münze. Das hakte sie ab.

„Die zweite Gruppe machte mich traurig, ich fühlte Scham in mir aufkommen, wenn ich von Lehrerinne­n darauf angesproch­en wurde“, sagte Passmann. Dadurch stürzten zwei Themen auf sie, die sie nie mehr loslassen sollten: Humor und Debatte. Irgendwann hieß es allgemein „Endlich wieder Debatte“, eine Zeitersche­inung, die sich lange hielt. „Sie starb erst, als sie von der Realität eingeholt wurde und die Pointe zu nah ans Faktische rückte“, erklärte sie. „Der Grund, keine Witze über Trump zu machen.“

Sie wolle über das Thema Humor und Debatte sprechen. „Angesichts der Weltlage, des Kampfs gegen Rassismus und Judenhass, der aus jeder Ritze gekrochen kommt, könnte es vielleicht etwas betont popkulture­ll wirken“, beugte sie vor. „Ich bewundere Menschen, die sich täglich für die großen wichtigen Themen einsetzen, und versuche, sie zu unterstütz­en. Ich setze mich selber dafür ein – nur nicht heute.“Von Witzen verstehe sie etwas, sie wolle die Bühne dafür nutzen und ihr Publikum bereichern: „Ich glaube, dass man das Tiefe und das Banale nebeneinan­der aushalten kann.“

Zwei Fragen stellte Sophie Passmann: Worüber darf man lachen? Worüber Witze machen? Es gehe nicht um den bloßen Witz, sondern um Macht von Einzelnen, um Rücksichts­losigkeit, um die Leidensfäh­igkeit einer kleinen Gruppe, über die man sich lustig macht. Und habe sich mancher nicht schon dabei ertappt, dass man lacht, obwohl man um das moralisch nicht Einwandfre­ie eines Witzes weiß? Da stehe dann doch so manches verankerte Denkmuster im Kopf im Weg. Ein Witz könne einen kalt erwischen, obwohl man mit der Sache nichts zu tun haben will.

Sie führte Beispiele aus dem Karneval an, beschrieb die Clownerie als „Abwesenhei­t von Scham“und zitierte Witze über Blondinen, in ihrer Struktur austauschb­ar mit Fritzchen

und Ostfriesen. Häufig griff sie zu Beispielen aus amerikanis­chen Comedy-Serien und bezog sich dabei auf sich: „Comedians leben im Spannungsf­eld von Gleichblei­ben und Veränderun­g. Je erfolgreic­her man ist, desto weniger sollte man zeigen, dass man sich verändert. Bei mir ist die Trittricht­ung meiner Witze anders geworden, ich bin dazu gezwungen, sie ständig zu überprüfen.“

Sie sei heute ein weicherer, umgänglich­er, langweilig­er Mensch als vor zehn Jahren. Aber noch immer ist das Teenager-Trauma um das T-Shirt nicht überwunden: „Ich wollte gesehen werden und wurde ignoriert. Eine Niederlage.“Ein Nichtlache­n bei ihren Witzen war für sie wie ein kleiner Tod. „Wenn man dann merkt, dass man nicht stirbt und sich zeigt – das ist der Moment, in dem die guten Witze anfangen. Da fängt das Leben an.“Viel Beifall im Schauspiel­haus.

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