Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neue Chancen für regionale Lebensmittel
Auf dem Röttgenhof in Büderich diskutierte der Verein „Ernährung-NRW“über Trends in der Landwirtschaft.
Das Thema Ernährung hat viele Facetten: Klimaschutz, Massentierhaltung, Veganismus und gesunde Ernährung sind nur einige der Punkte, die kontrovers diskutiert werden. Die Landwirtschaft ist in Meerbusch wie in ganz NordrheinWestfalen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der vor Herausforderungen steht. Bei der „Langen Nacht der Ernährung“, die vom Verein „Ernährung-NRW“organisiert wurde, standen einige dieser Entwicklungen im Mittelpunkt. Im Röttgenhof auf dem Büdericher Golfplatz trafen sich Vereinsmitglieder, sowie Interessierte aus Unternehmen, Verbänden und Institutionen aus der nordrheinwestfälischen Ernährungswirtschaft, des Lebensmittelhandwerks und des -handels. Der Verein, der sich seit 2010 für die Interessen der regionalen Landwirtschaft einsetzt und rund 150 Mitglieder hat, will die Potenziale der Landwirte stärken und neue Trends unterstützen. Wer weiß beispielsweise, dass im Münsterland Algen produziert und als Snacks vermarktet werden? „Wir züchten Algen in großen Gewächshäusern“, berichtete Ulrich Aversberg, Vorsitzender der Deutschen
Algen Genossenschaft. Diese brauchen nur ein feuchtes Medium und genügend Wärme. Dies sei bislang noch nicht gewinnbringend. Daher betätigt sich Aversberg auch weiterhin als Schweinezüchter.
Unter dem Logo „NRW is(s)t gut“macht sich der Verein ErnährungNRW für Regionalität und Lebensmittelsicherheit stark. „73 Prozent der Kunden legen Wert darauf, dass ein Lebensmittel aus der Region kommt“, unterstrich der Vereinsvorsitzende Andreas Heinz. Der Verein bündele die Kräfte besonders der kleinen und mittelständischen Landwirtschaft, erklärte er. So biete er beispielsweise die Organisation eines gemeinsamen Auftritts auf der Grünen Woche in Berlin an und lade jedes Jahr zu einem Vereinstreffen ein. Dies fand nun in Büderich statt.
Das erste Referat des Abends beschäftigte sich mit einer Vermarktungsidee von regionalen Produkten. Die Jung-Unternehmer Johannes Decker und Daniel Neumann, Geschäftsführer der Firma Feldling aus Köln-Pulheim, ermöglichen Kitas, Schulen und der Gastronomie den direkten Zugang zu frischen und hochwertigen Produkten von regionalen Landwirten. Morgens holen sie das frische Obst und Gemüse bei ihren Partnerhöfen ab und liefern es ohne Zwischenlagerung am gleichen Tag aus. „Während es für private Kunden schon länger Gemüsekisten gibt, fiel uns auf, dass es für Einrichtungen, die auf frische und regionale Produkte Wert legen, noch keine direkten Bezugsquellen gibt, sondern dass diese meist auf dem Großmarkt einkaufen“, berichtete Decker. Inzwischen kann das Start-up 80 regionale Obstund Gemüsesorten je nach Jahreszeit anbieten. Rund 80 Kunden im Bereich Köln, Düsseldorf und dem Rhein-Kreis Neuss kommen jede
Woche in den Genuss der frischen Ware, ein Großteil sind Kitas. „Zwei Tonnen frisch geerntete Lebensmittel liefern wir jede Woche aus“, erklärte Neumann.
Aus einem anderen Bereich berichtete der nächste Referent. Wolfgang Kühnl ist Geschäftsführender Gesellschafter der „InFamily Foods Holding“, nach eigenen Angaben zweitgrößter Wursthersteller Deutschlands. Jedoch sprach er nicht über die Geschäftsbereiche Wurst oder pflanzliche Alternativen, die das zweite Standbein der Firma sind, sondern warf einen Blick in die
Zukunft. Der dritte Bereich des Unternehmens beschäftige sich damit, Technologien zu entwickeln, die aus wenigen tierischen Zellen zum Verzehr geeignete Proteine (Eiweiße) produzieren. Aus tierischen Stammzellen ließen sich sowohl Muskel- als auch Fettgewebe züchten und daraus Fleischersatzprodukte herstellen, so Kühnl. Also quasi Fleisch aus der Retorte. Der Vorteil: Geschmack und Inhaltsstoffe sind dem Original sehr ähnlich, ohne dass dafür Tiere leiden und sterben müssen. „So können wir Land und Fleisch entkoppeln“,erklärte er. Das sei eine Chance für Regionen, wo eine klassische Viehzucht aufgrund der Umweltbedingungen nicht mehr möglich sei. Proteine aus dem Bioreaktor könnten dabei helfen, eine nachhaltige Lebensweise zu erreichen, erklärte der Referent. Die Zulassung eines „hybriden Hot-dogs“wurde bereits bei der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit beantragt.
Dass auch die Landwirtschaft durch die Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst und profitieren werde, erläuterte Michael Rohmer vom Landwirtschaftsverlag Digital. Er erklärte spannend und verständlich, was KI überhaupt ist, wie sie sich entwickelt habe und was jeder über die nächste technische Revolution wissen sollte. „Das ist eine Schlüsseltechnologie“, unterstrich er. Klaus Franke von der Sparkasse Osnabrück erklärte, dass auch den Banken Nachhaltigkeit wichtig sei und bei der Kreditvergabe zunehmend eine Rolle spiele. „80 Prozent der Kunden sind für einen Beitrag zum Klimaschutz, 21 Prozent sind bereit, dafür auf einen Teil der Rendite zu verzichten“, informierte er. „Wir werden die Herausforderungen der Zukunft annehmen“, so das Fazit von Andreas Heinz.