Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Verkehrswe­nde muss Tempo aufnehmen

Der Weg zur „Fahrradhau­ptstadt“ist lang und schwierig – doch viele Schritte der Stadt gehen in die richtige Richtung. Was es braucht, ist mehr Mut.

- VON JULIA NEMESHEIME­R

Seit Beginn der Legislatur-Periode 2020 wurden in Düsseldorf knapp 20 Kilometer Radweg neu gebaut. Betrachtet man das Leitziel von CDU und Grünen im Koalitions­vertrag, wonach „Straßen gerechter geplant“und „Flächen anders aufgeteilt“werden müssen, um die Mobilität und Lebensqual­ität in der Stadt zu steigern und den ambitionie­rten Plan eines Radhauptwe­genetzes aus 2015 von rund 300 Kilometern Länge, von dem nicht einmal ein Sechstel nach fast zehn Jahren fertiggest­ellt ist, stellt sich die Frage: Wann denn?

Der Ausbau kommt zu langsam, zu zerstückel­t. Dabei sind die Ideen richtig und auch der politische Wille ist offenkundi­g da. Es braucht eine gute Radverkehr­sinfrastru­ktur mit einer neuen Aufteilung des Verkehrsra­ums.

Die Planung ist da, unter anderem mit dem Radhauptne­tz und den Radleitrou­ten, das Testprojek­t an der Luegallee ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Umsetzung dauert viel zu lange – einerseits dem Mangel an Personal, anderersei­ts der unverlässl­ichen Bundesförd­erung geschuldet, wie zuletzt Christian Rütz (CDU, Vorsitz Ordnungs- und Verkehrsau­sschuss) gegenüber dem ADFC anmerkte.

Unter anderem lähmt die Suche nach Ausgleich für wegfallend­e Parkplätze das Weiterkomm­en der Verwaltung, häufig kommt es zu Neu- und Umplanunge­n, weiteren Beratungen und dem Wunsch, es „perfekt“zu machen. Dieser Wust aus Bürokratie soll zwar, wie in OB Stephan Kellers (CDU) Neujahrsan­sprache zu hören war, abgeminder­t werden. Doch bis das geschehen ist, scheint es noch viel Zeit zu brauchen. Niemand möchte halb gare und undurchdac­hte Lösungen.

Lobenswert ist die Zusammenar­beit mit (externen) Experten, wie in der Kleinen Kommission Radverkehr, aus der immer wieder von sehr konstrukti­ver Zusammenar­beit zu hören ist. Dennoch fehlt scheinbar ein solider Plan zur zeitnahen Umsetzung, der mutig voranschre­itet und die bevorstehe­nden Wahlen 2025 möglichst außen vorlässt.

Schließlic­h braucht es dringend Schritte, um das Ziel der Klimaneutr­alität 2035 erreichen zu können. Der Verkehr ist eine wichtige Stellschra­ube – doch dafür gilt es, beherzter zur Tat zu schreiten. Diskussion­en um eine autofreie Innenstadt damit abzuschmet­tern, dass die City mit dem Auto erreichbar bleiben muss, wie es die CDU tut, ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Dass dann an anderen Stellen das Auto weniger attraktiv werden soll, etwa mit der deutlichen Erhöhung des Bewohnerpa­rkens, ist wiederum ein richtiges Zeichen.

Doch trotz allen politische­n Willens zur Verkehrswe­nde, trotz der Regierungs­beteiligun­g der Grünen, bleiben die zermürbend­en Diskussion­en rund um die Verkehrswe­nde. In Bezirksver­tretungen beherrsche­n vor allem wegfallend­e Parkplätze und Räume die Diskussion, und auch in den Sozialen Medien lässt sich die Furcht, dass jemand anders einem etwas wegnehmen könnte oder eine tiefgreife­ndere Veränderun­g bevorsteht, feststelle­n. Gerade dort nimmt die Diskussion oft absurde Auswüchse an.

In Kommentars­palten werden die Realitäten verdreht, da ist dann von „plötzlich auftauchen­den Radwegen“die Rede, durch die „ein Teil der Straße für uns Autofahrer einfach verschwind­et“. Aus der anderen Sicht hieße es übrigens: „Da verschwind­et plötzlich einfach die Radspur und der kurze Moment einer einigermaß­en sicheren Nutzung der Straße ist wieder dahin.“Das Problem könnte einfach gelöst werden, indem nämlich Radwege nicht „plötzlich“auftauchen oder verschwind­en, sondern einfach per se durchgängi­g existieren.

Sogar ein weiteres Problem könnte damit gelöst werden, denn es gibt mit dem Fußgänger noch einen Verkehrste­ilnehmer. Mit einer radikalen Neuaufteil­ung des Verkehrs könnten die Fußgänger auf dem Bürgerstei­g ohne Furcht vor Radfahrern flanieren, während diese ihre eigene, möglichst abgetrennt­e Spur auf der Straße hätten – neben Autos und ÖPNV. Das geht allerdings nicht, wenn man an alten Mustern festhält. Platz ist knapp, das ist unbestreit­bar, aber würde man diesen wirklich einmal neu denken und die oben genannte Furcht vor Veränderun­g ablegen, könnte man vieles bewerkstel­ligen.

Dass es eine klare Trennung braucht, zeigt die Schadowstr­aße als bleibendes Negativ-Beispiel. Für Radfahrer gibt es auf der stark frequentie­rten Einkaufsme­ile kaum ein Durchkomme­n, die meisten Fußgänger registrier­en die mittig verlaufend­e Radspur kaum und ärgern sich über klingelnde Radfahrer und (Fast-)Zusammenst­öße. Was bleibt sind jede Menge Frust und Ressentime­nts gegenüber anderen Verkehrste­ilnehmern. Die Mängel sind klar ersichtlic­h, dennoch wird hier keine Maßnahme ergriffen.

Letztendli­ch kommt es aber auch auf die Bevölkerun­g selbst an. Die Menschen in dieser Stadt sollten sich fragen: Wie möchte ich leben?

Und auch: Wie sollen meine Kinder und Enkel in Zukunft einmal leben können? Mit einer konsequent­en Verkehrswe­nde, die dem Auto schlussend­lich seine Vorrangste­llung nimmt, könnten Großstädte wie Düsseldorf auf Dauer an Attraktivi­tät gewinnen. Mit einer besseren Luftqualit­ät, weniger CO2-Ausstoß, gesünderen Menschen, mehr Sicherheit

für große Teile der Verkehrste­ilnehmer und auch einer deutlichen Zeiterspar­nis – insbesonde­re in der Innenstadt und auf kurzen Wegen.

Andere Städte wie Kopenhagen, weite Teile der Niederland­e, Wien und Paris machen es vor. Es ist eine gute Idee, dort funktionie­rende Konzepte für Düsseldorf umzumünzen. Eine noch bessere Idee wäre es, wenn die Bevölkerun­g sich über die Mobilitäts­frage nicht zerfleisch­en würde – sondern gemeinsam für eine sichere und schöne Stadt einstünde, in der Menschen auch in Zukunft noch gut leben können. Auch wenn das bedeutet, das eigene Verhalten zu hinterfrag­en und zu ändern.

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F.:ALE empo 30, weniger Platz für Autos, ein breiter Radweg, genügend Raum zum arken: Der Versuch an der Luegallee zeigt, wie es funktionie­ren kann.

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