Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
NRW-Minister rügen Cannabis-Freigabe
Ab 1. April dürfen Erwachsene legal kiffen. Polizei und Justiz üben Kritik. Auch Herbert Reul und Karl-Josef Laumann sind verärgert.
BERLIN/DÜSSELDORF Der Bundesrat hat den Weg für das neue, umstrittene Cannabis-Gesetz freigemacht. Ab 1. April ist der Konsum von Cannabis für Erwachsene erlaubt. Für eine Verzögerung durch den Vermittlungsausschuss gab es keine Mehrheit, weil sich die meisten Bundesländer enthielten – wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) es auch für Nordrhein-Westfalen tat.
Bis zuletzt war unklar gewesen, wie die Länder sich positionieren würden. Nachdem das klar war, gab es umgehend harsche Kritik. „Der Bundesrat hat verpasst, dieses wahnwitzige Vorhaben zu stoppen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. „Das ist hausgemachter Kontrollverlust. Wir haben tausend andere Probleme, schaffen uns mit der Legalisierung noch weitere dazu.“
Reul hatte die Planungen dazu stets abgelehnt, ebenso wie sein Kabinettskollege, Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). „Ich halte das Cannabis-Gesetz nach wie vor für einen schweren Fehler“, bekräftigte auch er am Freitag. Es gebe Warnungen aus Ärzteschaft, Polizei und Justiz, und er sehe nicht, wie der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden solle. „Umso wichtiger wird daher auch die Drogenprävention werden. Ich sehe hier vor allem den Bundesgesundheitsminister in der Pflicht, seine Anstrengungen zu verbessern“, so Laumann.
Tatsächlich sieht die Polizei große praktische Probleme auf NordrheinWestfalen zukommen. „Losgelöst davon, wie man zur Legalisierung von Cannabis steht, ist der jetzige Zeitpunkt unverantwortlich. Wir sind als Staat nicht darauf vorbereitet – bei so einem außergewöhnlichen Vorgang wäre Gründlichkeit besser gewesen als Tempo“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens. Vieles sei unkontrollierbar, etwa die Herkunft von Cannabis oder wie viel jemand tatsächlich besitze. Es gebe keinen Grenzwert für die Teilnahme am Straßenverkehr. Und: „Wir haben die Fußball-Europameisterschaft vor der Brust. Wie geht man damit um, wenn Menschen aus anderen Ländern etwas mitbringen?“
Die Justiz wiederum fürchtet eine Überlastung durch kommende Amnestieverfahren. „Die Ermittlungsarbeit in vielen anderen, auch wichtigen, Kriminalitätsbereichen wird jetzt zunächst liegenbleiben, weil Staatsanwälte und Richter Gerichtsakten händisch durchsuchen müssen, um festzustellen, ob man die Vollstreckung von Strafen verhindern muss“, sagte Gerd Hamme vom Richterbund NRW.
In den Reihen von SPD, Grünen und FDP in NRW hingegen begrüßt man den Geist des neuen Gesetzes. „Die Kriminalisierung hat nicht dazu geführt, dass weniger konsumiert wird“, sagte SPD-Landesparteichefin Sarah Philipp. „Mit der Kanone des Strafrechts auf Konsumentinnen und Konsumenten zu zielen, die Cannabis als Genussmittel konsumieren, war und ist nicht verhältnismäßig“, befand der Landesvorsitzende der Grünen, Tim Achtermeyer. Der Versuch, das neue Gesetz durch einen Vermittlungsausschuss zu blockieren, sei „ein grobes Foul an unseren demokratischen Spielregeln“. Das Gesetz markiere einen Wendepunkt in der Drogenpolitik, erklärte der Generalsekretär der NRW-FDP, Moritz Körner. Die Entscheidung dafür unterstreiche „das Vertrauen der Politik in den mündigen Bürger, eigenverantwortlich mit Cannabis umzugehen“.
Aus der Staatskanzlei hieß es am Freitag, auf die Länder und Kommunen kämen große Herausforderungen zu: „Dem wird sich die Landesregierung stellen.“
Leitartikel, Politik