Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Falsche Gesundheitsversprechen
Verbraucherschützer warnen vor irreführender Werbung für ein Medizinprodukt.
DÜSSELDORF Wenn man der Werbung Glauben schenken würde, wäre das Medizinprodukt Healy geradezu ein Wundermittel: Influencer behaupten, es habe sie von ihren Depressionen erlöst, von chronischen Schmerzen oder Schlafstörungen. Und das nur, weil sie sich das kleine Gerät der gleichnamigen Firma wie einen Tracker ans T-Shirt oder an die Bluse geheftet hätten. Eine Frau berichtet in einem Instagram-Video sogar davon, dass sich ihre Long-Covid-Symptome wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen deutlich gebessert hätten, seit sie das Medizinprodukt nutze. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es offenbar auch.
Verbraucherschützer warnen eindringlich vor den falschen Werbeversprechen, die um das Gerät kursieren. „Wir halten die Werbung zum Produkt ‚Healy‘ für irreführend, weil es keinen Beweis dafür gibt, dass das Produkt wirklich wirksam ist“, sagt Juristin Susanne Punsmann von der Verbraucherzentrale NRW. Auch Recherchen des Wissenschaftsmagazin „Quarks“und „Medizin transparent“kämen zu dem Schluss, dass es „keinerlei Belege für die Wirksamkeit von Healy“gebe.
Allein in dieser Woche haben sich laut Punsmann deutschlandweit 111 Menschen bei den Verbraucherzentralen über das Medizinprodukt beschwert – auch weil mit den Werbebeiträgen von Verkäuferinnen und Verkäufern in den sozialen Medien sogar kranke Kinder angesprochen würden. Angeblich könne Healy
auch ihnen helfen, wieder gesund zu werden. „Dafür gibt es aber ebenfalls keine Belege. Solche Behauptungen können gefährlich werden, wenn Betroffene sie ernst nehmen und deshalb darauf verzichten, mit Beschwerden zum Arzt zu gehen“, sagt Punsmann. Zwar weist der Hersteller Healy International auf seiner Internetseite sogar darauf hin, dass die Wissenschaft das Medizinprodukt weder anerkenne noch seine Wirksamkeit bestätigt sei. Doch das Produkt wird vor allem von Influencern in den sozialen Medien vertrieben. Und die halten sich mit offensichtlich irreführenden Werbeversprechen nicht zurück.
Die Verbraucherzentrale NRW hat deshalb bereits einen Verkäufer abgemahnt. Doch da Healy über ein Multi-Level-Marketing-System verkauft werde, sei das nicht sonderlich wirksam, heißt es. MultiLevel-Marketing bedeutet in dem Fall, dass die selbstständigen Verkäufer ihre Produkte nicht nur direkt an ihre Kunden vertreiben wollen, sondern sie auch noch dazu anhalten, ebenfalls Vertriebspartner zu werden. Das führt wiederum dazu, dass sie zusätzlich eine Provision erhalten – das heißt: Es lohnt sich für sie, andere anzuwerben.
„Inzwischen sind noch ganz viele andere Menschen bei Instagram und Co. auf den Zug aufgesprungen und bewerben dieses Produkt – da kommen wir mit den Abmahnungen kaum hinterher“, sagt Juristin Punsmann. Das Unternehmen Healy International selbst habe die Verbraucherschützer nicht kontaktiert; die Hinweise auf der Internetseite, dass Healy nicht von der Wissenschaft anerkannt und seine Wirksamkeit nicht bestätigt sei, seien aus ihrer Sicht ausreichend. „Allerdings ist uns nicht klar, inwiefern die Firma in die Werbeversprechen der Verkäuferinnen und Verkäufer involviert ist“, so Punsmann.
Bei einem anderen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln habe sich beispielsweise herausgestellt, dass er seinen Verkäuferinnen und Verkäufern eine Liste mit Werbeversprechen vorgelegt habe, die sie auf Instagram und Co. verbreiten sollten – ohne dass die Firma selbst damit in Erscheinung getreten wäre. Es sei also theoretisch möglich, dass Healy International ebenfalls so vorgehe. Aber dafür gebe es bislang keinerlei Beweise.
Auf eine Anfrage unserer Redaktion antwortete das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht. Es bestätigte lediglich mit zwei automatisierten Mails, dass sie eingegangen und an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet worden sei.