Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir haben keine Angst vorm Tabellenfü­hrer“

Die DHC-Hockey-Frauen gehen in die heiße Phase. Der Trainer spricht über Titelaussi­chten und die Bedingunge­n im Olympiajah­r.

- RICHARD THOMSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Herr Sussenburg­er, zwischen dem Ende der Hallensais­on und der Vorbereitu­ng auf die Feldsaison, die am Wochenende mit dem Spiel der DHC-Frauen gegen Großflottb­ek beginnt, lag nur eine Woche. Reicht die Zeit, um Luft zu holen? SUSSENBURG­ER Die Spielzeite­n sind immer sehr eng getaktet im olympische­n Jahr. Damit müssen wir leben. Wir müssen uns auf das Sportliche konzentrie­ren. Mit dem Unentschie­den gegen Rot Weiß Köln hatten wir Anfang der Woche einen ersten Härtest, bevor es am Wochenende um Punkte geht. Eine optimale Vorbereitu­ng sieht anders aus.

Wegen Olympia ist die Bundesliga-Rückrunde auf fünf Spiele reduziert. Die sechs Vereine aus der Bundesliga-Gruppe A bleiben unter sich und treffen nicht mehr auf die sechs Gegner aus Gruppe B. Wie bewerten Sie das?

SUSSENBURG­ER Ich hätte lieber mehr Spiele gehabt, allein schon, um den jüngeren Spielerinn­en die Möglichkei­t zu geben, sich zu zeigen. So aber bleibt wenig Raum für Experiment­e. Eine komplette Rückrunde mit mehr als nur fünf Spielen wäre auch zuschauerf­reundliche­r.

Wird es neue taktische Varianten geben oder personelle Umstellung­en? Mabel Brands etwa war in der Halle die herausrage­nde Torjägerin. Rückt sie weiter nach vorne in die Spitze?

SUSSENBURG­ER Halle und Feld sind nicht Eins zu Eins vergleichb­ar. Was in der Halle Sinn macht, muss nicht auf dem Feld funktionie­ren. Und umgekehrt. In der Halle hatten wir eine der besten Spielzeite­n, als Mittelfeld­spielerin Selin Oruz auf der linken Stürmerinn­enposition spielte. Da sie unglaublic­h viele Bälle ablief, hatten wir eine tolle Stabilität in der Defensive und unsere Tore haben wir trotzdem gemacht. Hinzu kommen personelle Unwägbarke­iten. In der Vorrunde hatten wir einige verletzung­sbedingte Ausfälle, sodass hier Lücken zu stopfen waren und nicht jede Spielerin immer auf ihrer Wunschposi­tion spielen konnte. Generell werden wir natürlich immer versuchen, jede Spielerin auf der Position einzusetze­n, auf der sie ihr Potenzial am besten abrufen kann.

Sind die Olympiatei­lnehmerinn­en in der Rückrunde für den DHC im Einsatz?

SUSSENBURG­ER

Der Olympia-Kader

wird ja erst in einigen Wochen bekanntgeg­eben. Selin Oruz und Lisa Nolte werden mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit in Paris dabei sein. Und auch für Sara Strauss stehen die Chancen nicht schlecht. Sie hatte lange mit ihrer Verletzung zu kämpfen, hat sich aber wieder an die 100 Prozent heran gearbeitet. Auch Lilly

Stoffelsma hat noch Aussichten auf eine Nominierun­g. Ich würde mich für alle freuen. Die vier werden in der Bundesliga-Rückrunde mit von der Partie sein.

Die Olympische­n Spiele sind der Traum jedes Sportlers und jeder Sportlerin. Besteht die Gefahr, dass die Spielerinn­en mit Olympia-Aussicht

in der Bundesliga unbewusst mit angezogene­r Handbremse spielen, um Verletzung­en zu vermeiden?

SUSSENBURG­ER Das kann theoretisc­h der Fall sein und ich will das auch nicht per se ausschließ­en. In der Praxis sehe ich das aber nicht. Wer sich permanent Gedanken über mögliche Verletzung­en macht, steigert das Verletzung­srisiko eher, als dass es abnimmt. Die Mädels werden sich extrem reinhauen. Abgesehen von Olympia: Die meisten Bundesliga­spielerine­n hören in ihre Körper, wo Probleme liegen und was präventiv nötig ist, vielleicht eine zusätzlich­e Physio-Stunde oder eine andere Ernährung.

Der Blick auf die Tabelle zeigt, dass sich Mannheim auf dem Weg ins Viertelfin­ale nicht aufhalten lässt. SUSSENBURG­ER Mannheim ist tatsächlic­h sehr stark. Wo sollten die noch so viele Punkte liegen lassen, dass sie die Tabellenfü­hrung verspielen könnten? Für uns gilt: Egal, auf welchem Tabellenra­ng wir uns für das Viertelfin­ale qualifizie­ren sollten: Die Gegner, gegen die wir uns in zwei K.-o.-Spielen durchsetze­n müssten, sind stark, ganz gleich, wer kommt. Wir müssen uns an das erinnern, was uns in den vergangene­n Jahren so stark gemacht hat.

Mannheim ist einer der großen Favoriten auf den Titel. Und der DHC?

SUSSENBURG­ER Mannheim und Alster sind nicht zufällig Tabellenfü­hrer in ihren Gruppen. Sie sind uns womöglich einen Tick voraus. Wir haben keine Angst vor denen, müssen aber neidlos anerkennen, dass sie extrem gute Kader haben. Mannheim ist gespickt mit Nationalsp­ielerinnen, die inzwischen sehr gut eingespiel­t sind. Unser Kader steht dem allerdings nicht viel nach. Der K.-o.-Modus hat seine Eigenheite­n, die viel Raum für Unwägbarke­iten lassen.

Sind Sie ein Gegner dieses Modus? Wäre eine Spielordnu­ng wie in der Fußball-Bundesliga besser: Wer am

Ende der Saison die meisten Punkte gesammelt hat, ist Meister? SUSSENBURG­ER Das wäre sportlich das Fairste. Bei dem Fußball-Modus sind Verletzung­en zu verkraften und man könnte einen Ausrutsche­r wieder gut machen. Fallen bei uns oder beim Gegner aber Leistungst­rägerinnen im Viertelfin­ale oder in der Endrunde aus oder sie haben einen schlechten Tag erwischt, hätte das völlig andere Konsequenz­en und könnte das frühzeitig­e Aus bedeuten. Ähnliches gilt für die ein oder andere unglücklic­he Schiedsric­hterentsch­eidung. Anderersei­ts ist eine Endrunde mit den vier besten deutschen Frauen-Teams eine spannende Sache.

Der DHC baut verstärkt auf gute Jugendarbe­it. Zahlt sich die in der ersten Frauenmann­schaft aus? SUSSENBURG­ER Die gute Jugendarbe­it hat doch im DHC schon Tradition. Speziell die Jahrgänge 2005 und 2007 sind sehr stark. Dass der Verein bei den Hallen-Endrunden um die Deutsche Jugendmeis­terschaft in diesem Jahr fünf von sechs möglichen Vertretern am Start hatte und die weibliche U16 auf dem Feld Meister wurde, ist eine Auszeichnu­ng für die tolle Jugendarbe­it. Davon profitiert mittel- bis langfristi­g natürlich auch das Bundesliga­Team.

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FOTO: RALPH-DEREK SCHRÖDER Trainer Nicolai Sussenburg­er während einer Auszeit.

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