Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Wir haben keine Angst vorm Tabellenführer“
Die DHC-Hockey-Frauen gehen in die heiße Phase. Der Trainer spricht über Titelaussichten und die Bedingungen im Olympiajahr.
Herr Sussenburger, zwischen dem Ende der Hallensaison und der Vorbereitung auf die Feldsaison, die am Wochenende mit dem Spiel der DHC-Frauen gegen Großflottbek beginnt, lag nur eine Woche. Reicht die Zeit, um Luft zu holen? SUSSENBURGER Die Spielzeiten sind immer sehr eng getaktet im olympischen Jahr. Damit müssen wir leben. Wir müssen uns auf das Sportliche konzentrieren. Mit dem Unentschieden gegen Rot Weiß Köln hatten wir Anfang der Woche einen ersten Härtest, bevor es am Wochenende um Punkte geht. Eine optimale Vorbereitung sieht anders aus.
Wegen Olympia ist die Bundesliga-Rückrunde auf fünf Spiele reduziert. Die sechs Vereine aus der Bundesliga-Gruppe A bleiben unter sich und treffen nicht mehr auf die sechs Gegner aus Gruppe B. Wie bewerten Sie das?
SUSSENBURGER Ich hätte lieber mehr Spiele gehabt, allein schon, um den jüngeren Spielerinnen die Möglichkeit zu geben, sich zu zeigen. So aber bleibt wenig Raum für Experimente. Eine komplette Rückrunde mit mehr als nur fünf Spielen wäre auch zuschauerfreundlicher.
Wird es neue taktische Varianten geben oder personelle Umstellungen? Mabel Brands etwa war in der Halle die herausragende Torjägerin. Rückt sie weiter nach vorne in die Spitze?
SUSSENBURGER Halle und Feld sind nicht Eins zu Eins vergleichbar. Was in der Halle Sinn macht, muss nicht auf dem Feld funktionieren. Und umgekehrt. In der Halle hatten wir eine der besten Spielzeiten, als Mittelfeldspielerin Selin Oruz auf der linken Stürmerinnenposition spielte. Da sie unglaublich viele Bälle ablief, hatten wir eine tolle Stabilität in der Defensive und unsere Tore haben wir trotzdem gemacht. Hinzu kommen personelle Unwägbarkeiten. In der Vorrunde hatten wir einige verletzungsbedingte Ausfälle, sodass hier Lücken zu stopfen waren und nicht jede Spielerin immer auf ihrer Wunschposition spielen konnte. Generell werden wir natürlich immer versuchen, jede Spielerin auf der Position einzusetzen, auf der sie ihr Potenzial am besten abrufen kann.
Sind die Olympiateilnehmerinnen in der Rückrunde für den DHC im Einsatz?
SUSSENBURGER
Der Olympia-Kader
wird ja erst in einigen Wochen bekanntgegeben. Selin Oruz und Lisa Nolte werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Paris dabei sein. Und auch für Sara Strauss stehen die Chancen nicht schlecht. Sie hatte lange mit ihrer Verletzung zu kämpfen, hat sich aber wieder an die 100 Prozent heran gearbeitet. Auch Lilly
Stoffelsma hat noch Aussichten auf eine Nominierung. Ich würde mich für alle freuen. Die vier werden in der Bundesliga-Rückrunde mit von der Partie sein.
Die Olympischen Spiele sind der Traum jedes Sportlers und jeder Sportlerin. Besteht die Gefahr, dass die Spielerinnen mit Olympia-Aussicht
in der Bundesliga unbewusst mit angezogener Handbremse spielen, um Verletzungen zu vermeiden?
SUSSENBURGER Das kann theoretisch der Fall sein und ich will das auch nicht per se ausschließen. In der Praxis sehe ich das aber nicht. Wer sich permanent Gedanken über mögliche Verletzungen macht, steigert das Verletzungsrisiko eher, als dass es abnimmt. Die Mädels werden sich extrem reinhauen. Abgesehen von Olympia: Die meisten Bundesligaspielerinen hören in ihre Körper, wo Probleme liegen und was präventiv nötig ist, vielleicht eine zusätzliche Physio-Stunde oder eine andere Ernährung.
Der Blick auf die Tabelle zeigt, dass sich Mannheim auf dem Weg ins Viertelfinale nicht aufhalten lässt. SUSSENBURGER Mannheim ist tatsächlich sehr stark. Wo sollten die noch so viele Punkte liegen lassen, dass sie die Tabellenführung verspielen könnten? Für uns gilt: Egal, auf welchem Tabellenrang wir uns für das Viertelfinale qualifizieren sollten: Die Gegner, gegen die wir uns in zwei K.-o.-Spielen durchsetzen müssten, sind stark, ganz gleich, wer kommt. Wir müssen uns an das erinnern, was uns in den vergangenen Jahren so stark gemacht hat.
Mannheim ist einer der großen Favoriten auf den Titel. Und der DHC?
SUSSENBURGER Mannheim und Alster sind nicht zufällig Tabellenführer in ihren Gruppen. Sie sind uns womöglich einen Tick voraus. Wir haben keine Angst vor denen, müssen aber neidlos anerkennen, dass sie extrem gute Kader haben. Mannheim ist gespickt mit Nationalspielerinnen, die inzwischen sehr gut eingespielt sind. Unser Kader steht dem allerdings nicht viel nach. Der K.-o.-Modus hat seine Eigenheiten, die viel Raum für Unwägbarkeiten lassen.
Sind Sie ein Gegner dieses Modus? Wäre eine Spielordnung wie in der Fußball-Bundesliga besser: Wer am
Ende der Saison die meisten Punkte gesammelt hat, ist Meister? SUSSENBURGER Das wäre sportlich das Fairste. Bei dem Fußball-Modus sind Verletzungen zu verkraften und man könnte einen Ausrutscher wieder gut machen. Fallen bei uns oder beim Gegner aber Leistungsträgerinnen im Viertelfinale oder in der Endrunde aus oder sie haben einen schlechten Tag erwischt, hätte das völlig andere Konsequenzen und könnte das frühzeitige Aus bedeuten. Ähnliches gilt für die ein oder andere unglückliche Schiedsrichterentscheidung. Andererseits ist eine Endrunde mit den vier besten deutschen Frauen-Teams eine spannende Sache.
Der DHC baut verstärkt auf gute Jugendarbeit. Zahlt sich die in der ersten Frauenmannschaft aus? SUSSENBURGER Die gute Jugendarbeit hat doch im DHC schon Tradition. Speziell die Jahrgänge 2005 und 2007 sind sehr stark. Dass der Verein bei den Hallen-Endrunden um die Deutsche Jugendmeisterschaft in diesem Jahr fünf von sechs möglichen Vertretern am Start hatte und die weibliche U16 auf dem Feld Meister wurde, ist eine Auszeichnung für die tolle Jugendarbeit. Davon profitiert mittel- bis langfristig natürlich auch das BundesligaTeam.