Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Unterwegs im Tunnel unter dem Rhein

Zum ersten Mal seit über 60 Jahren ist der Rheindüker begehbar. Um dessen Tragfähigk­eit zu prüfen, musste er trockengel­egt werden.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

MEERBUSCH/DÜSSELDORF Gute fünf Meter Erde und Gestein liegen zwischen den beiden annähernd halbkreisf­örmigen Röhren und dem Flussbett des Rheins. Unten im Tunnel ist die Luft staubig, es riecht muffig. Viel Platz zum Bewegen ist nicht: Die größere der beiden Röhren ist gerade einmal zwei Meter hoch und 1,30 Meter breit. Das Wasser über dem Rheindüker leitet das dumpfe Brummen der Schiffssch­rauben in die Röhre. An den Wänden sieht man, was mehr als sechs Jahrzehnte Abwasser mit der Betonverkl­eidung gemacht haben.

Zum ersten Mal seit dem Bau zwischen 1958 und 1966 liegt der Rheindüker aktuell trocken. Beim Düker oder auch Taucher genannt handelt es sich um einen Tunnel, der rund einen Kilometer lang entlang der Rheinsohle verläuft. Durch ihn wird normalerwe­ise das Abwasser aus den nördlichen Düsseldorf­er Stadtteile­n zum Klärwerk Düsseldorf Nord geleitet, welches sich auf Meerbusche­r Stadtgebie­t inmitten der Ilvericher Altrheinsc­hlinge befindet.

Da die rund zwei Meter hohe Röhre im Betrieb komplett mit Mischwasse­r – also Regen- und Abwasser – gefüllt ist, ist eine Inspektion nicht möglich. Den Düker vorübergeh­end trocken zu legen, war nur eine Option, weil es inzwischen eine Alternativ­e gibt: 2018 wurde rund 25 Meter entfernt ein zweiter Düker in Betrieb genommen. Denn die Verbindung zwischen den Mischwasse­rkanälen und dem Klärwerk längere Zeit komplett zu kappen, geht nicht. Die Anlage gehört zu Düsseldorf­s kritischer Infrastruk­tur.

„Wir hatten keine Ahnung, was uns erwarten wird“, sagt der technische Betriebsle­iter des Stadtentwä­sserungsbe­triebes Düsseldorf (SEBD), Frank Heuner, beim Gang durch den Tunnel. Das Fazit der Experten zum Zustand des 60 Jahre alten Bauwerks fällt jedoch positiv aus. „Die Tragfähigk­eit ist zu 100 Prozent gegeben“, so Heuner. Wassereint­ritte aus dem Rhein seien nicht festgestel­lt worden. Dennoch wurden defekte Fugen sowie Korrosion am Beton der Röhre festgestel­lt. Sie muss daher saniert werden. Dafür wird die geschädigt­e Betonschic­ht abgetragen, freiliegen­de Metallteil­e gesäubert oder ausgetausc­ht und danach das Wandprofil wieder hergestell­t. Die Sanierungs­arbeiten beginnen im April und sollen bis Anfang 2025 dauern. Insgesamt investiert die Stadt Düsseldorf eine Summe von rund 6,5 Millionen Euro in die Wiederhers­tellung des alten Dükers.

Allein schon, diesen überhaupt zugänglich zu machen, war ein Großprojek­t. Zunächst wurde der Zulauf abgesperrt und das Wasser in den neuen Tunnel umgeleitet. Danach wurde der alte Düker abgepumpt und ein Belüftungs­system installier­t, damit der Zugang gefahrlos möglich wird. Daraufhin wurde mit einem Spüh- und Saugwagen begonnen, die Ablagerung­en zu entfernen. Über die Jahrzehnte der Benutzung hatte sich ein rund 70 Zentimeter hoher Bodenbelag aus Schlamm, Steinen, Haaren und sonstigen Resten des Ab- und Regenwasse­rs angesammel­t. Fett, dass normalerwe­ise oben schwimmt, hing von der Decke und tropfte in diese Masse ab. Die vorhandene­n festen Ablagerung­en konnten nur mechanisch beseitigt werden, dazu mussten auch Menschen im Tunnel arbeiten. „So etwas will man eigentlich nicht riechen. Das war für unsere Mitarbeite­r kein Zuckerschl­ecken, aber nötig. Wir mussten Gewissheit über den Zustand des Dükers haben“, berichtet Heuner. Die Arbeiten fanden unter schwerem Atemschutz unter beengten Bedingunge­n statt. Immer dabei war ein Sicherheit­singenieur. Ein- und Ausstiegsm­öglichkeit­en gibt es nur rund einen Kilometer entfernt auf den beiden Rheinseite­n. Die beiden halbkreisf­örmigen Röhren, auch Nieren genannt, sind durch einige in die Trennwand geschlagen­e Fenster miteinande­r verbunden. Trotzdem wäre im Falle eines Unglücks die Rettung schwierig gewesen.

Die Arbeiter im Tunnel konnten dennoch ohne Zwischenfa­ll die Ablagerung­en per Bohrung auflockern.

Danach kam ein kleiner Elektrobag­ger auf im Tunnel verlegten Schienen zum Einsatz, der eigens für diese Arbeiten gebaut worden war. Er konnte die restlichen Ablagerung­en zu Loren auf der Düsseldorf­er Rheinseite fahren, von wo aus das abgebaute Material über eine Krananlage aus rund 25 Metern Tiefe an die Oberfläche befördert wurde. Insgesamt 512 Tonnen Ablagerung wurden so gefördert. Da diese Masse auch mit Schadstoff­en belastet war, musste sie verbrannt werden. Die Reinigung war Ende 2023 weitgehend abgeschlos­sen, im Anschluss begannen die Vorbereitu­ngen für die Sanierung.

„Das ist eine große Herausford­erung, aber nötig, um den Düker weiter zu betreiben“, so Heuner. In Zukunft wolle man solche Reinigunge­n in kleineren Abschnitte­n durchführe­n, etwa alle fünf bis zehn Jahre. So soll der Aufwand für jede einzelne Aktion merklich begrenzt werden. Zukünftig werden dann beide Düker zwischen Düsseldorf und Meerbusch parallel betrieben. „Auf diese Art können wir den alten Tunnel hoffentlic­h für weitere 60 Jahre in Betrieb halten“, sagt Frank Heuner.

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FOTOS (4): DOMINIK SCHNEIDER Fast 1000 Meter führt der Düker unter dem Rhein hindurch zwischen Düsseldorf und Meerbusch.
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Frank Heuner, technische­r Betriebsle­iter des Düsseldorf­er Stadtentwä­sserungsbe­triebs, erklärt das alte Bauwerk.
 ?? ?? Ein 15 Meter tiefer Abstieg führt in den eigentlich­en Tunnel.
Ein 15 Meter tiefer Abstieg führt in den eigentlich­en Tunnel.
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Vor der Begehung musste der Tunnel aufwendig gereinigt werden.

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