Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Meerbusch will Inklusion neu denken
Inklusion soll über alle Aufgabenbereiche der Stadt hinweg vernetzt werden. Inspiration dafür könnte aus Neuss kommen.
„Inklusion ist ein Thema, welches sämtliche Bereiche der Stadt berührt“, sagt Meerbuschs Sozialdezernent Peter Annacker. Ein mögliches stadtweites Inklusionskonzept könne daher auch nur von Verwaltung und Politik übergreifend gedacht werden. Im vergangenen Sommer hatte die SPD-Fraktion für Meerbusch einen „Aktionsplan Inklusion“angeregt, um die verschiedenen Aspekte dieses komplexen Themas zu koordinieren und langfristige Ziele festzusetzen. Dieser Antrag wurde zwar vertagt, seither läuft aber die Diskussion, wie Meerbusch Menschen mit verschiedenen Arten von Einschränkungen noch besser integrieren kann.
Im Sommer vergangenen Jahres war als Reaktion darauf und nach längerer Unterbrechung der „Runde Tisch barrierefrei“wieder zusammengekommen. Dabei stellten die Teilnehmer, bestehend aus Politik und Interessenverbänden, fest, dass Inklusion über die Barrierefreiheit hinaus geht, und dass dieses übergeordnete Thema in Meerbusch neu konzeptioniert werden muss, um alle Bereiche der Stadt mit einzubinden.
In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick nach Süden. In Neuss gibt es seit 2016 eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, Mirjam Lenzen,
die sich als Inklusionsbeauftragte nur mit diesem Themenfeld befasst. Im Sozialausschuss gab sie einen Überblick über ihre Arbeit und lieferte Ideen für die weitere Entwicklung in Meerbusch.
Die Grundlage für die Stelle einer Inklusionsbeauftragten ergibt sich unter anderem auf Basis der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, der BarrierefreieInformationstechnik-Verordnung des Bundes, der Landesbauordnung und des Bundesteilhabegesetzes. „In der Neusser Verwaltung gibt es quasi kein Amt, mit dem ich nicht zu tun habe“, berichtet Lenzen. Eine solche Stelle gibt es in Meerbusch nicht, wohl aber gibt es zwei Behindertenbeauftragte. Jürgen Simons und sein Stellvertreter Rainer Hansmeyer sind Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung, werden bei Bauprojekten involviert und stehen mit Politik und Verwaltung in Kontakt. Anders als Lenzen sind sie jedoch im Ehrenamt tätig. Die Inklusion ist zwar Pflichtaufgabe der Kommune, die Benennung eines entsprechenden Beauftragten ist es jedoch nicht. Wie Stadtsprecher David Burkhardt mitteilt, könne dies in Meerbusch nur auf Wunsch und mit Beschluss der Politik erfolgen.
Als Beispiel für ein Neusser Großprojekt, bei dem Inklusion eine wichtige Rolle gespielt hat, nennt Mirjam Lenzen den Umbau des dortigen Bürgeramtes, der im Dezember abgeschlossen wurde. „Für Menschen mit Sehbehinderung wurde dabei unter anderem ein Leitliniensystem umgesetzt, die Infotafeln sind weiß auf Schwarz bedruckt, was hohen Kontrast und bessere Lesbarkeit bedeutet“, berichtet Lenzen. Piktogramme helfen Menschen mit Leseschwierigkeiten. Einige der Kollegen an den Schaltern arbeiten sitzend, sodass auch Rollstuhlfahrer ihnen auf Augenhöhe
begegnen können, und die Tische sind so gestaltet. Lenzen formuliert das Ziel dieser Bemühungen: „Jeder Mensch sollte überall dabei sein und über sein eigenes Leben bestimmen können.“
Auch Meerbusch setzt im Städtebau bereits viele Aspekte der Inklusion um. Neun Kindergärten bieten eine gemeinsame Betreuung von behinderten und nicht-behinderten Kindern an, gleiches gilt für die Montessori-Gesamtschule in Büderich. Bei öffentlichen Bauvorhaben wird zudem – den Vorschriften folgend – auf Barrierefreiheit geachtet. So lobte Lenzen das Verwaltungsgebäude am Dr.-Franz-Schütz-Platz, in welchem sie ihren Vortrag hielt. Auch die benachbarte Bibliothek wurde barrierefrei gestaltet. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Spielplätze im Stadtgebiet umgebaut und dabei so gestaltet, dass auch Kinder mit körperlichen Einschränkungen – sogar solche im Rollstuhl – die Möglichkeit haben, am Spiel teilzunehmen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch in Meerbusch noch viel zu tun. So kritisieren Menschen mit Behinderung und Behindertenvertreter unter anderem unebene Kopfsteinpflaster oder die nicht bodengleichen Einstiege am Bahnhof Osterath.
Ein weiterer Aspekt, den Mirjam Lenzen hervorhebt, ist die politische
Teilhabe. Wichtig ist, öffentliche Informationen für alle zugänglich zu machen, zum Beispiel in Leichter Sprache. Dabei handelt es sich um eine Abwandlung des Schriftdeutschen, das nach bestimmten Regeln vereinfacht wird. So wird auf Nebensätze verzichtet, zusammengesetzte Nomen werden mit Bindestrich geschrieben. Zugleich werden die Adressaten aber mit Sie angesprochen und ernst genommen. In Meerbusch gibt es derzeit das Kommunalportal mit den Services der Ämter oder den Kita-Navigator in leichter Sprache, die offizielle Stadthomepage allerdings noch nicht. Das soll sich aber beim anstehenden Relaunch des Webportals ändern. Dabei lässt sich die Stadt von einer externen Fachfirma unterstützen.
Wie es mit dem Thema Inklusion in Meerbusch weitergehen soll, will die Stadt der Politik bald in einer umfänglichen Zusammenfassung darlegen, auf deren Basis dann weiter über ein Inklusionskonzept diskutiert werden kann. Wichtig ist für Dezernent Annacker hier eine Vernetzung der politischen Gremien und Fachbereiche, aber auch aller Gruppen von Bürgern. „In jedem Aspekt muss inklusiv gedacht werden“, so Annacker. „Inklusion geht weit darüber hinaus, Gebäude für alle Menschen zugänglich zu machen“, ist der Sozialdezernent überzeugt.