Rheinische Post Duisburg

Wenn das Amt den Glauben testet

- VON BENJAMIN LASSIWE

Das Bundesamt für Migration überschrei­tet bei der Anhörung christlich­er Konvertite­n Grenzen. Kirchenver­treter sind entsetzt.

NÜRNBERG/BERLIN „Wie heißen die beiden Söhne im Gleichnis vom verlorenen Sohn?“Pfarrer Gottfried Martens aus Berlin-Steglitz kann diese Frage nicht beantworte­n. Sein iranischer Täufling noch weniger. Denn in der Bibel werden die Namen der beiden Söhne überhaupt nicht erwähnt. Der Iraner allerdings könnte deswegen nun in seine Heimat abgeschobe­n werden. Denn weil er in seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), die kürzlich in Berlin stattfand, diese Frage nicht beantworte­n konnte, glaubte ihm das Amt nicht, dass er wirklich und aus voller Überzeugun­g zum christlich­en Glauben konvertier­t ist.

Ein Einzelfall? Mitnichten. Bei Pfarrer Martens häufen sich die Fälle von Konvertite­n, die einen negativen Asylbesche­id erhalten haben. „Und fast immer finden sich in den Anhörungsp­rotokollen Belege dafür, dass Anhörer, Dolmetsche­r und Entscheide­r, also alle mit dem jeweiligen Fall betrauten Personen, selbst überhaupt keine Ahnung von dem haben, wonach sie fragen“, sagt Martens. So verwechsel­te eine Anhörende das Apostolisc­he Glaubensbe­kenntnis mit dem Vaterunser. Ein Dolmetsche­r übersetzte das Osterfest mit dem Begriff „Schweinefl­eischfest“. Und ein Konvertit scheiterte an der Frage nach dem Geburtstag Martin Luthers – den vermutlich die wenigsten lutherisch­en Christen in Deutschlan­d auf Anhieb nennen können. Andere, harmlosere Fragen waren: Sagt Ihnen der Ortsname Wittenberg etwas? Warum wird denn im Christentu­m gefastet? Oder: Welches besondere Ereignis hat dazu geführt, dass Sie sich als Christ fühlen?

Rund 1000 iranische und afghanisch­e Flüchtling­e hat Martens in den vergangene­n Jahren getauft. Alle erhielten einen mehrmonati­gen Taufunterr­icht. Alle mussten am Ende eine Prüfung bestehen. Den immer wieder erhobenen Vorwurf, die Menschen kämen nur zu ihm, um als Konvertite­n ein Bleiberech­t zu erhalten, weist Martens zurück: „Ich habe aber den Eindruck, dass es im Bamf mittlerwei­le die Maßgabe gibt, Konvertite­n besonders streng zu beurteilen. Zu Anfang wurden fast alle Täuflinge als asylberech­tigt anerkannt – aber im letzten Sommer ist es dann gekippt.“Damals hatte das Bundesamt zahlreiche neue Entscheide­r und Anhörer eingestell­t. „Das ist in den Bescheiden spürbar“, sagt Martens.

In Bayern erleben Kirchenver­treter Ähnliches. Auf der vor Kurzem in Nürnberg tagenden bayerische­n Landessyno­de berichtete Oberkirche­nrat Michael Martin nicht nur davon, dass sich in Bayern ebenfalls viele Flüchtling­e in der Landeskirc­he taufen ließen. Vielmehr führe auch dort das Bundesamt „Glaubenspr­üfungen“bei Flüchtling­en durch. „Unbestritt­en ist: Die Taufe gehört zum Kernbereic­h kirchliche­n Handelns“, sagte Martin vor der Synode. „Als solche ist sie einer staatliche­n Überprüfun­g entzogen.“Aus kirchliche­r Sicht halte man fest, dass Glaube mehr sei als die Ansammlung von Faktenwiss­en. Deshalb könne er überhaupt nicht überprüft werden.

Vor der Synode berichtete Martin davon, dass einem Täufling aus Bayreuth dazu geraten wurde, seinen Glauben bei einer Abschiebun­g in den Iran zu verleugnen. „Völlig zu Recht fragte ein Täufling nach seiner Anhörung: ,Wie kann es sein, dass ein oft nicht christlich­er Mitarbeite­r des Bamf – übersetzt von einem muslimisch­en Afghanen – die Entscheidu­ng über meinen Glauben fällt?’“In der anschließe­nden Debatte äußerte sich auch der Ratsvor- sitzende der evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich Bedford-Strohm: „Als ich davon gehört habe, war ich entsetzt.“Dazu werde es eine Antwort der Landeskirc­he geben. „Es kann keine Glaubenspr­üfung durch Menschen geben, die dazu keine Kompetenz haben, und es kann auch nicht angezweife­lt werden, dass die Menschen, die von der Kirche getauft werden, aus ernsthafte­n Motiven getauft werden.“

Auf Nachfrage unserer Redaktion wollte sich das Bamf nicht zu den Fällen äußern. Ein Sprecher betonte jedoch, dass im Rahmen der persönlich­en Anhörung die näheren Umstände des Glaubenswe­chsels geprüft würden: „Die Taufbesche­inigung bestätigt, dass ein Glaubensüb­ertritt stattgefun­den hat, sie sagt aber nichts darüber aus, wie der Antragstel­ler seinen neuen Glauben bei der Rückkehr in sein Heimatland voraussich­tlich leben wird und welche Gefahren sich hieraus ergeben.“

Die Klärung dieser Frage sei Bestandtei­l der Anhörung. Der Entscheide­r müsse beurteilen, ob der Glaubenswe­chsel des Antragstel­lers aus „asyltaktis­chen Gründen“oder aus echter Überzeugun­g erfolgt sei. „Das Bundesamt zweifelt aber den durch Taufbesche­inigung nachgewies­enen Glaubenswe­chsel an sich nicht an“, so der Sprecher. Es werde generell unterstell­t, dass eine sorgfältig­e Taufbeglei­tung vonseiten der Gemeinden erfolgt sei. „Für Befragunge­n in der Anhörung zur Konversion gilt, dass sie nicht auf ein reines Glaubensex­amen hinauslauf­en dürfen.“Allerdings werde von einem Konvertite­n durchaus erwartet, dass er ausführlic­h schildern könne, welche Beweggründ­e er für die Konversion hatte und welche Bedeutung die neue Religion für ihn habe.

„Es kann keine Glaubenspr­üfung durch Menschen geben, die dazu keine Kompetenz

haben“

Heinrich Bedford-Strohm

EKD-Ratsvorsit­zender

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