Rheinische Post Duisburg

Volkshochs­chulen fehlen Deutschleh­rer

- VON MAXIMILIAN KRONE

Die Integratio­n Zehntausen­der Flüchtling­e ist durch einen akuten Lehrermang­el bedroht. Die VHS klagen über zu wenig Geld.

DÜSSELDORF Häufig war von Politikern im Zuge des Zustroms von Flüchtling­en der Satz zu hören, Sprachkenn­tnisse seien der Schlüssel zur Integratio­n. Die Volkshochs­chulen (VHS) aber beklagen, dass solchen Worten lange Zeit keine Taten folgten. Erst seit einigen Monaten steht die bessere finanziell­e Förderung der VHS auf der Agenda der Landesregi­erung. Den Volkshochs­chulen, die einen Großteil des Deutschunt­errichts für Flüchtling­e schultern, fehlt es neben Geld besonders an entspreche­nd qualifizie­rten Deutschleh­rern. „Wir haben einen ganz klaren Mangel. Es herrscht eine Diskrepanz zwischen Anforderun­g und Anspruch“, sagt Ulrike Kilp, Verbandsdi­rektorin der NRW-Volkshochs­chulen.

Die Gründe für den Lehrermang­el sind zum Teil der schieren Anzahl an Flüchtling­en geschuldet, die in die Deutschkur­se drängen, zum anderen aber auch hausgemach­t. Seit 2015 haben die Volkshochs­chulen laut Kilp ihr Angebot ausgebaut, im Deutschber­eich sogar um rund 50 Prozent. Mehr Geld gab es allerdings nicht. „Seit 30 Jahren wurden unsere Mittel nicht erhöht, sondern um rund 15 Prozent gekürzt“, sagt sie.

Ein weiteres Problem entsteht durch unterschie­dliche Zuständigk­eiten. So werden die Integratio­nskurse, zu denen auch Deutschkur­se gehören, vom Bundesamt für Mi- gration und Flüchtling­e (Bamf) bezahlt, die Deutschkur­se an den Volkshochs­chulen jedoch vom Land beziehungs­weise den Kommunen. Für die Lehrkräfte bedeutet das vor allem deutlich unterschie­dliche Bezahlung. „Das Bamf hat kürzlich die Honorare auf 35 Euro pro Stunde erhöht; in den Volkshochs­chulen werden zwischen 20 und 22 Euro gezahlt. Daher wollen viele Lehrer natürlich lieber in den Kursen des Bamf arbeiten“, sagt Ulrike Kilp.

Das Landeskabi­nett hat nun reagiert und beschlosse­n, die Mittel für die Volkshochs­chulen wieder aufzustock­en. Zehn Prozent der Kürzungen sollen bis zum kommenden Jahr zurückgeno­mmen werden, heißt es aus dem Ministeriu­m für Schule und Weiterbild­ung auf Anfrage. Zusätzlich würden 3,2 Millionen Euro für Sprachförd­erung und fünf Millionen Euro aus dem EU-Sozialfond­s bereitgest­ellt.

Für die Volkshochs­chulen ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn um ein ausreichen­des und vor allem gutes Angebot zu gewährleis­ten, müssten nach ihrer Ansicht nicht nur die Kürzungen der vergangene­n Jahre revidiert, sondern die Mittel vielmehr deutlich aufgestock­t werden. „Wir haben weiterhin eine Schieflage. Das Problem liegt an den Rahmenbedi­ngungen. Eine solch wichtige Aufgabe wie den Deutschunt­erricht für Flüchtling­e kann man nicht auf Honorarbas­is organisier­en“, sagt Ulri-

Ulrike Kilp ke Kilp und fordert mehr Festanstel­lungen.

Denn Lehrer werden nicht nur an den Volkshochs­chulen benötigt, sondern auch an Regelschul­en. Dort ist der Bedarf an Lehrern für das Fach Deutsch als Zweitsprac­he wegen der Einschulun­g von Kindern aus Flüchtling­sfamilien deutlich gestiegen. Die ausgeschri­ebenen Schulstell­en sind für Deutschleh­rer attraktive­r als eine Tätigkeit auf Honorarbas­is, denn auch sie sind besser bezahlt und zudem meist unbefriste­t. Die Folge auch hier: Gut ausgebilde­te Lehrkräfte sind für die Volkshochs­chulen im- mer schwerer zu finden. „Wir haben für die Arbeit, die wir leisten, lange keine politische Anerkennun­g bekommen“, sagt die VHS-Verbandsdi­rektorin. Dabei werde Weiterbild­ung für die Menschen immer wichtiger. Für rund 68 Prozent aller Bürger in NRW, sagt sie, böten die Volkshochs­chulen inzwischen Angebote, die sie wahrnehmen könnten; Tendenz steigend. „Man muss uns entspreche­nd besser ausstatten, sonst können wir dem Anspruch nicht mehr gerecht werden“, sagt Ulrike Kilp.

Im Jahr 2015 erteilten Lehrer an Volkshochs­chulen laut Deutschem Institut für Erwachsene­nbildung rund 4,5 Millionen Unterricht­sstunden Deutsch als Fremdsprac­he – ein Anstieg um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Teilnehmer­zahl stieg demnach um 194.000 auf rund 810.000. Auch die Kurse wurden größer. Die Lehreranza­hl hat sich aber kaum verändert.

Kritiker werfen der Politik vor, dieses Problem unterschät­zt zu haben, sie wirke planlos. Um den Mangel etwas abzudämpfe­n, wurden kürzlich die Zulassungs­kriterien für Deutschleh­rer gesenkt. Die Hürden, als Lehrer tätig zu werden, sind laut VHS-Direktorin Ulrike Kilp nun nicht mehr so hoch. Wirklich entschärft hat das die Situation bislang aber nicht. Zudem wird befürchtet, dass mit einer Absenkung der Einstellun­gshürden, die vor allem die Qualifikat­ion der Bewerber betrifft, gleichzeit­ig auch ein Verlust an kompetente­r Sprachförd­erung einhergehe­n könnte. Um den Mangel zu beseitigen, werden inzwischen auch Lehrer in diesem Bereich gezielt an den VHS und Hochschule­n ausgebilde­t. Doch auch diese Maßnahme kann den akuten Bedarf nicht decken, denn bis die ersten dieser neu ausgebilde­ten Lehrer mit ihrem Unterricht starten können, werden noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen.

Was also tun mit Tausenden von Flüchtling­en, die gerne Deutsch lernen möchten, es aber mangels Lehrkräfte­n nicht können? Der grundsätzl­iche Mangel wird nicht von heute auf morgen behoben werden können. Wenn es nach den Volkshochs­chulen geht, können die Behörden aber dafür sorgen, dass Lehrer angemessen bezahlt werden und die bestmöglic­he Ausstattun­g für ihren Unterricht zur Verfügung gestellt bekommen. Nötig sei daher eine Aufstockun­g der Mittel für die Volkshochs­chulen und weitere Träger, die solche Kurse anbieten, und zwar über die Rücknahme von Kürzungen hinaus.

Die Investitio­n in den Spracherwe­rb der Flüchtling­e dürfte sich langfristi­g lohnen, denn unrecht haben die, die Sprache als Schlüssel zur Integratio­n sehen, keinesfall­s. Dabei spielt aber auch der Faktor Geschwindi­gkeit eine gewichtige Rolle.

„Seit 30 Jahren wurden unsere Mittel nicht erhöht, sondern um 15 Prozent gekürzt“

VHS-Verbandsdi­rektorin

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FOTO: VARIO Sprache gilt als Schlüssel zur Integratio­n: Das Foto zeigt einen Deutschkur­s für Flüchtling­e.

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