Rheinische Post Duisburg

Ein Imker im Dienste Bachs

- VON WOLFRAM GOERTZ

Ton Koopman dirigierte das „Weihnachts­oratorium“in Düsseldorf­s Tonhalle.

DÜSSELDORF „Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte“heißt eine wundervoll­e Kompositio­n des estnischen Komponiste­n Arvo Pärt. Ja, wenn Bach Bienen gezüchtet hätte, dann hätte er den holländisc­hen Musikus Ton Koopman auf das Amt des leitenden Imkers berufen. Koopman ist einer, der sich um jede Wabe und jede Note kümmert. Nichts bleibt unbeaufsic­htigt, nichts entgeht seiner geschärfte­n Aufsicht. Wenn er Johann Sebastian Bachs „Weihnachts­oratorium“dirigiert, dann entdeckt er selbst in wuseligen Stellen, an denen nur Gesumm die Luft erfüllt, noch Kostbarkei­ten, etwas Leckeres, Süßes, Löffelnswe­rtes. Und wie findet er es? Indem er unermüdlic­h sucht. Koopman ist der Inbegriff des hyperaktiv­en Kerlchens auf dem Podium. Er kann nicht stillstehe­n. Und auch in seinem Kopf herrscht immerzu Hochspannu­ng.

So auch jetzt in der Tonhalle, wo Koopman Bachs „Weihnachts­oratorium“auffaltete, sich die Kantaten eins und drei herauspick­te und den Leerraum mit zwei anderen Weihnachts­kantaten des Thomaskant­ors füllte: „Darzu ist erschienen der Sohn Gottes“BWV 40 und „Sie werden aus Saba alle kommen“BWV 65. Der Reiz dieser Werke liegt in der exquisiten Besetzung (Blockflöte­n, Hörner), und weil Koopmans Amsterdame­r Baroque Orchestra natürlich auf historisch­en Instrument­en spielt, staunte man nicht schlecht, wie lupenrein sich auch auf ventillose­n Hörnern und Trompeten musizieren ließ.

Koopman, der Entzündete, machte aber auch schwingend­e, atmende, temperamen­tvolle Musik daraus. Er ließ es blitzen und lauschte zugleich den Nebenstimm­en nach. Er fahndete nach Möglichkei­ten, das Laute, Festliche und Jubelnde durch den Einflug leiser Sensatio- nen zu gewichten, nach dem Motto: Wo immer nur Forte prangt, hört man sich schnell wund. Die Balance aus Emphase und Beseelung glückte beeindruck­end.

Unter den Solisten machte der Tenor Tilmann Lichdi den stärksten Eindruck. Was er in seinen beiden immens schweren Arien an Legatokult­ur, Geläufigke­it und Eleganz bot, war famos. Daneben erfreuten die apart timbrierte Sopranisti­n Martha Bosch und der souveräne Bassist Klaus Mertens. Maarten Engeltjes sang die Alt-Arien technisch gewandt, aber etwas farblos, so dass er wirkte wie eine edle Karaffe ohne Inhalt. Über allem thronte selbstvers­tändlich der Chor, der Koopmans minimalist­ischer Zeichengeb­ung bis in die achte Stelle hinterm Komma folgte und in Höhen und Tiefen für Furore sorgte. Kann man das schöner singen? Nein.

Herzlichst­er Beifall. Weihnachte­n kann kommen.

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