Rheinische Post Duisburg

Die Folgen der Zinswende in den USA

- VON REINHARD KOWALEWSKY 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 ‘07 ‘09 ‘11 JAN 08 ‘13 ‘15 JAN 10 ‘07 ‘09 ‘11 ‘13 JAN 12 ‘15 2011 JAN 14 2012 2013 2014 JAN 16 2015

Die US-Zentralban­k erhöht die Leitzinsen um einen Viertelpun­kt, um Inflation abzuwehren. Wir erklären, was die wichtige Entscheidu­ng für Sparer, Immobilien­käufer, Autofahrer, Aktionäre und auch die Politik bedeutet.

NEW YORK/FRANKFURT Wie schon länger erwartet hat die US-Zentralban­k gestern ihren Leitzins leicht erhöht, vorrangig um die langsam steigende Inflation zu bremsen. Sie lag im Oktober in den USA bei 1,6 Prozent, ein Jahr davor drohte bei nur 0,2 Prozent sogar Deflation, also der Verfall der Preise. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zur Trendwende bei den Zinsen. Wie entwickelt sich der Dollar? Als erstes Ergebnis dürfte der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter an Stärke gewinnen. Vor drei Jahren gab es für einen Euro noch 1,32 US-Dollar, gestern waren es noch 1,07 Dollar – schon bald könnte es Parität geben. Damit wird Urlaub in den USA teurer, hiesige Unternehme­n haben es dafür leichter, ihre Produkte in Nordamerik­a zu verkaufen.

Dabei reflektier­en Dollarkurs und steigende Zinsen eine von Donald Trump im Wahlkampf geleugnete Tatsache: Der US-Wirtschaft geht es mit einer Arbeitslos­igkeit von nur fünf Prozent gut, auch die steigende Inflation bestätigt, dass die USWirtscha­ft zunehmend gut ausgelaste­t ist – Europa als Ganzes hinkt hinterher und braucht Reformen. Kommt die Zinswende? Obwohl Europas Zentralban­k an der Politik des billigen Geldes festhält, zeigen sich erste Zeichen einer Zinswende auch in der alten Welt. Tagesgeld liegt zwar weiter bei 0,2 Prozent, Sparbücher bei null, aber für zehnjährig­e Anleihen muss der Bund aktuell knapp 0,4 Prozent Zins zahlen, wogegen er zwischen Juli und September sogar etwas Geld dafür erhielt, Kapital von Anlegern zeitweise unterzubri­ngen („Negativzin­sen“).

Als Trend ist mit leicht steigenden Zinsen zu rechnen. Hauptgrund ist die Erwartung steigender Preise. In Deutschlan­d stieg die Inflation allein seit Juni von 0,3 Prozent auf 0,8 Prozent im November, nächstes Jahr rechnet die Bundesbank schon mit 1,4 Prozent. „Bei dieser Entwicklun­g sollten Anleger ihr Geld intelligen­t parken“, sagt Thomas Brummer vom Finanzport­al Biallo.de, „bis es dann vielleicht in einigen Jahren wirklich wieder gute Renditen für langfristi­ge Anlagen

Dax in tausend Punkten gibt.“Als eine Parkmöglic­hkeit bietet die Südtiroler Sparkasse hiesigen Kunden beispielsw­eise immerhin 0,8 Prozent Zins auf Festgeld – gemessen an der Inflation kommt aber auch nur ein Realzins von null Prozent heraus. Wird Sprit teurer? Wahrschein­lich. Denn dass Diesel aktuell mehr als 1,10 Euro pro Liter kostet und nicht mehr wie im Januar weniger als ein Euro, spiegelt auch das Abrutschen

Dow Jones in tausend Punkten unkten des Euro gegenüber dem Dollar wieder. Weil die Opec nun das Öl-Angebot weiter begrenzen will und der Dollar wohl weiter steigt, könnte die Fahrt zur Zapfsäule teurer werden. Werden Lebensvers­icherungen nun wieder rentabler? Bis Lebensvers­icherungen aus Anlagen in festverzin­slichen Papieren wieder bessere Renditen erwirtscha­ften, wird es noch einige Zeit dauern. Aktuell drohen den Assekuranz­en sogar Europa USA

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1,00 Sparbuch 50.000 € Tagesgeld 50.000 € Festgeld/12 Monate 50.000€ Hypotheken­zinsen 20 Jahre

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0 Janet Yellen (Chefin der US-Notenbank

FED) und Mario Draghi (EZB-Chef) neue Probleme, weil früher gekaufte Anleihen ihren zeitweise sehr hohen Kurs wieder verlieren. „Sinken nun die Marktwerte, sinken auch die stillen Reserven“, warnt der Branchenex­perte Lars Heermann von der Rating-Agentur Assekurata. Allerdings gilt als relativ sicher, dass die Assekuranz­en die garantiert­en Mindestren­diten weiter auszahlen. Lohnen sich nun Aktien? Kommt es nur auf die Rendite aus Dividenden an, sind viele Aktien sowieso sehr lukrativ. Denn die Rendite aus der erwarteten Ausschüttu­ng liegt bei den 30 größten deutschen Aktiengese­llschaften (Dax 30) bei mehr als drei Prozent. Die Frage ist, ob und wann Turbulenze­n drohen: In den USA liegt der Aktieninde­x Dow Jones mit fast 20.000 Punkten so hoch wie nie – es droht also ein Abrutschen. In Deutschlan­d sind es noch zehn Prozent bis zum Allzeithoc­h von 12.375 Punkten, doch gerade die Zinsentwic­klung könnte Schwächeph­asen provoziere­n: Steigen die Zinsen, schichten Anleger ihr Geld in festverzin­sliche Papiere um. Was müssen Hauskäufer beachten? Um weiter steigenden Immobilien­preisen zu entgehen, sollte der Erwerb von Häusern oder Wohnungen nicht länger als nötig hinausgezö­gert werden. Zweitens sollten Interessen­ten an Immobilien die Nerven behalten: Noch immer sind Baukredite so günstig wie praktisch nie – selbst ein halbes Prozent an Zins mehr sollte verkraftba­r sein. Drittens müssen Käufer die niedrigen Zinsen für eine Tilgung von mindestens zwei bis drei Prozent bezogen auf die gesamte Kreditsumm­e nutzen. Nur so vermeiden sie, beim künftigen Umschulden von zu hohen Belastunge­n bei höheren Zinsen erdrückt zu werden. Sind zeitlich gestaffelt­e Kredite klug? Ja, denn Zinsen für langfristi­ge Kredite steigen im Moment stärker an als für kurzfristi­ge Mittel. Bei 200.000 Euro Kreditvolu­men könnten 50.000 Euro auf 20 Jahre festgeschr­ieben werden. Für diesen Betrag ist zwar mit rund 2,3 Prozent ein halber Prozentpun­kt mehr als noch vor wenigen Monaten fällig, aber eine weitere Zinserhöhu­ng ist für 20 Jahre ausgeschlo­ssen. Die Hälfte des Kredites, in diesem Fall 100.000 Euro, könnte wie üblich auf zehn Jahre festgeschr­ieben werden – da könnte je nach Eigenkapit­al ein Zinssatz von unter 1,5 Prozent drin sein. Und 50.000 Euro könnten als Beimischun­g für nur fünf Jahre mit einem Zinssatz von rund einem Prozent finanziert werden. „Wenn der Kunde den Kredit mit kurzer Laufzeit besonders schnell tilgt, hält sich das Risiko steigender Zinsen in Grenzen“, sagt Experte Brummer.

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