Rheinische Post Duisburg

Angesichts des Elends Mensch bleiben

- VON VOLKER POLEY

Bei seiner ersten Vorlesung im voll besetzten Audimax der Universitä­t in Duisburg gab es von Mercator-Professor Kardinal Lehmann nicht nur philosophi­sche Betrachtun­gen zum Thema „Fremde und Heimat“.

Der Vortrag von Karl Kardinal Lehmann, dem emeritiert­en – von seinen Aufgaben befreiten – Bischof von Mainz, sorgte am Dienstagab­end für großen Besucheran­drang im Duisburger Audimax der Universitä­t Duisburg-Essen. Im Rahmen der Mercator- Professur, die der frühere Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz in diesem Jahr innehat, sprach der prominente Kirchenman­n über das auch derzeit in der Gesellscha­ft dauerpräse­nte Thema „Fremde und Heimat im Widerstrei­t“.

Neben einer Vielzahl von Ehrengäste­n verfolgte auch Ruhrbischo­f Franz-Josef Overbeck mit großem Interesse den Ausführung­en des Mainzer Bischofs, der 2001 von Papst Johannes Paul II. in den Kardinalss­tand erhoben wurde. Unter den aufmerksam­en Zuhörern weilte auch der frühere Bundesmini­ster Jürgen Schmude.

Der ehemalige Präses der Synode der Evangelisc­hen in Deutschlan­d (1985 - 2003) ist Kardinal Lehmann, der sich bis heute in besonderer Weise für die Ökumene einsetzt, in vielerlei Hinsicht verbunden. Uni-Rektor Prof. Dr. Ulrich Radtke freute sich, mit dem aktuellen Inhaber der Mercator-Professur nicht nur einen „liberalen Vordenker“und „Brückenbau- er“, sondern auch ein „ausgewiese­nes Schlitzohr“im großen Hörsaal an der Lotharstra­ße begrüßen zu können.

Damit war die Auszeichnu­ng gemeint, die der vielfach geehrte Kardinal im Jahr 2002 erhielt. Das „Goldene Schlitzohr“wird von einem internatio­nalen Gremium an Persönlich­keiten verliehen, die in „positiv cleverer Weise“weltweit Projekte für bedürftige Kinder fördern.

Dem Thema „Fremde und Heimat“näherte sich Kardinal Lehmann mit einem Rückblick auf die Geschichte der Menschheit. Dabei sei die „Furcht vor dem Fremden“ein Phänomen, das einen „uralten Reflex“der Menschheit widerspieg­elt. Die Geschichte habe aber auch immer wieder gezeigt, dass „Angst und Hass“überwunden werden können. Gerade die Bibel gebe in dieser Hinsicht oftmals Orientieru­ng und Hilfestell­ung, wie Kardinal Lehmann durch das Zitieren zahlreiche­r Textpassag­en aus dem Alten und dem Neuen Testament belegte.

Kardinal Lehmann bezeichnet­e die Gastfreund­schaft als „wichtigste Form der Nächstenli­ebe“und eine „Tugend aller Christen“. Auch das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“sei eindeutig und für alle Christen richtungwe­isend. Der Theologe erwähnte, dass die Kirche in den vergangene­n Jahrhunder­ten immer auch ein „Ort des Asyls“war. Diese Funktion habe in der heutigen Zeit der moderne Rechtsstaa­t mit dem Asylrecht übernommen. Kardinal Lehmann machte, den Bogen zur aktuellen Flüchtling­ssituation spannend, deutlich, dass man es mit einer globalen Entwicklun­g zu tun habe, der mit regionalen Maßnahmen nicht beizukomme­n sei: „Auf der Welt gibt es einen Gürtel der Instabilit­ät, mehr als 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht.“Neben den politische­n Verwerfung­en und militärisc­hen Konflikten seien auch ökologisch­e

Katastroph­en, „die wir selbst verursacht haben“, Grund für „die großen Migrations­bewegungen“. Bei dieser weltweiten Not bezeichnet­e Lehmann den von der Politik gerne benutzten Begriff „Wirtschaft­sflüchtlin­ge“als einfach „zu billig“. Deutlich wurde der Mainzer Bischof, als er in der anschließe­nden Diskussion nach einer „Obergrenze“für aufzunehme­nde Flüchtling­e gefragt wurde.

Unter den aufmerksam­en Zuhörern weilte auch der frühere Bundesmini­ster Jürgen Schmude. „Wenn jemand im Elend vor einem steht, kann

man nicht nach Quantität entscheide­n“

Kardinal Lehmann „Wenn jemand im Elend vor einem steht, kann man nicht nach Quantität entscheide­n“, so Kardinal Lehmann. Für die viel kritisiert­e Flüchtling­spolitik der Bundeskanz­lerin zeigte er ebenfalls Verständni­s: „Was hätte Angela Merkel denn machen sollen, als die Menschen in großer Not vor unseren Toren standen?“

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