Rheinische Post Duisburg

Magdalena Meisen übersetzt den Stadtrat für Gehörlose

- VON MARLEN KESS

Stadtentwä­sserungsbe­trieb, Radschnell­verbindung oder Rechnungsp­rüfungsamt – was ohnehin komplizier­t klingt, muss Magdalena Meisen in der heutigen Ratssitzun­g simultan übersetzen: in Gebärdensp­rache. Die 55-jährige Kölnerin ist Gebärden-Mutterspra­chlerin und hat sich 2001 mit einer Agentur für Gebärdensp­rachendolm­etschen selbststän­dig gemacht. Mit einigen Kollegen dolmetscht sie seit einigen Monaten unter anderem die Ratssitzun­gen der Stadt Düsseldorf.

„Dabei sitzen wir oben im Zuschauerb­ereich und gebärden in eine Kamera hinein“, berichtet Magdalena Meisen. Die Aufnahme können sich taube Bürger dann im Internet als Livestream oder Auf- zeichnung ansehen. Das nutzen im Schnitt etwa 300 Bürger. 20.000 Euro kostet der Service pro Jahr, den es in Düsseldorf seit Anfang 2016 gibt. Meisen lobt dieses städtische Engagement: „Bei Barrierefr­eiheit denken alle nur an Rollstuhlr­ampen, dabei gehören Angebote für taube Menschen genauso dazu.“

Magdalena Meisen wurde ihr ungewöhnli­cher Beruf quasi in die Wiege gelegt: Beide Eltern sind taub. Da es zu ihrer Studienzei­t kaum Angebote zum Erlernen des Gebärdensp­rachdolmet­schens gab, studierte sie zuerst Heilpädago­gik. „Danach habe ich am Modellvers­uch-Studium in Köln teilgenomm­en und bekam 1995 meine staatliche Anerkennun­g“, erzählt sie. 2001 gründete sie die Agentur Skarabee, für die sie und ihre elf Kollegen heu- te deutschlan­dweit Aufträge wahrnehmen. Dazu gehören zum Beispiel Einsätze bei der „Tagesschau“und beim „heute journal“, im Stadtrat wie in Düsseldorf oder am Gericht. „Wir betreuen zudem Privatpers­onen, etwa bei Arzttermin­en oder Vorstellun­gsgespräch­en“, erklärt Meisen. Auch in Unternehme­n sei das Gebärdendo­lmetschen beispielsw­eise in Personalge­sprächen oder auf Weihnachts­feiern gefragt.

Je besser Magdalena Meisen die Menschen kennt, für die sie dolmetscht, desto leichter fällt es. „Claus Kleber redet oft leise und nutzt verschacht­elte Sätze, das ist schwierig“, lacht sie. Als Leibdolmet­scherin, die zum Beispiel von Kanzlerin Angela Merkel regelmäßig auf Reisen mitgenomme­n wird, will Meisen aber nicht arbeiten: „Ich schätze die Abwechslun­g und jeden Tag mit neuen Menschen und Themen in Berührung zu kommen.“

Auf die heutige Haushaltss­itzung – eine Mammutsitz­ung, die um 9 Uhr beginnt und bis in den Abend geht – haben sich Meisen und ihre drei Kolleginne­n akribisch vorbereite­t. „Das ist notwendig, weil hier völlig andere Sprachregi­ster benutzt werden als im persönlich­en Gespräch“, so Meisen. Politische Sprache sei mit vielen Insider-Informatio­nen, Abkürzunge­n und Namen gespickt („Den Begriff Köbrücke kennt man als Nicht-Düsseldorf­er nicht unbedingt“) und dadurch komplizier­t. Dennoch freut sie sich auf die Herausford­erung – und über das Angebot: „Als Dolmetsche­rin ist man immer auch Sprachrohr für die Belange tauber Menschen, die in der Öffentlich­keit oft viel zu wenig wahrgenomm­en werden.“

 ??  ?? Magdalena Meisen als Dolmetsche­rin im Einsatz – hier ein Standbild aus der Aufzeichnu­ng der Stadtratss­itzung vom 7. Juli 2016
Magdalena Meisen als Dolmetsche­rin im Einsatz – hier ein Standbild aus der Aufzeichnu­ng der Stadtratss­itzung vom 7. Juli 2016

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