Rheinische Post Duisburg

Bye, Bye, Belek

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND PATRICK SCHERER

Im Januar 2016 fuhren noch 16 Fußball-Bundesligi­sten zum Wintertrai­ningslager in die Türkei. 2017 fährt keiner mehr.

DÜSSELDORF Günstige Hotels, gepflegte Rasenplätz­e, Wärmegaran­tie und vor allem jede Menge Testspielg­egner – die türkische Riviera war jahrelang das perfekte Ziel für Fußballklu­bs aus ganz Europa, um sich auf die Rückrunde vorzuberei­ten. In Spitzenzei­ten kamen jährlich bis zu 700 Teams. Anfang dieses Jahres hielten noch 16 von 36 Bundesligi­sten ihr Trainingsl­ager in der Türkei ab. Doch das war einmal. In diesem Winter wird kein Profiklub anreisen. Neben Antalya war vor allem Belek als Ziel beliebt. Auch Borussia Mönchengla­dbach und Fortuna Düsseldorf reisten so im Januar 2016 noch in den 6500-EinwohnerO­rt, der nahezu ausschließ­lich vom (Fußball-)Tourismus lebt.

In der Türkei herrscht große Unsicherhe­it: wiederholt­e Anschläge der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in Istanbul und Ankara, der Putschvers­uch im Juli. Und dann am vergan- genen Samstagabe­nd das Bombenatte­ntat im Umfeld des Stadions von Besiktas Istanbul, zu dem sich die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK bekannt hat und bei dem 38 Menschen starben.

In Gladbach betont man, dass Belek bis zuletzt das optimale Ziel für ein Wintertrai­ningslager gewesen sei. Klubsprech­er Markus Aretz sagt: „Der Putsch in der Türkei hat uns im Sommer natürlich aufhorchen lassen, was die Sicherheit­slage vor Ort betrifft. Als unsere Planung des Wintertrai­ningslager­s konkreter wurde, hat sich dann in erster Linie gezeigt, dass keine anderen Profiteams dort hinreisen werden, so dass es nicht möglich ist, Testspiele zu organisier­en.“Deswegen fliegen die Borussen diesmal ins spanische Marbella – wie vier andere Bundesligi­sten auch. In Düsseldorf klingen die Beweggründ­e für ein Nein zu Belek ähnlich: „Aufgrund der angespannt­en und unsicheren Lage in der Türkei kam für uns ein Trainingsl­ager in diesem Jahr dort nicht in Frage. Zudem haben wir mit Malta eine vielverspr­echende Möglichkei­t, eine interessan­te Partnersch­aft einzugehen“, sagt Fortunas Vorstandsv­orsitzende­r Robert Schäfer.

Die Sportagent­ur „Match IQ“vermittelt Trainingsl­ager und Testspiele für alle Erstligist­en (bis auf Bayern München) und den Großteil der Zweitligis­ten. Offiziell will sich die Agentur auf Anfrage nicht äußern. Dem Vernehmen nach haben aber alle Klubs in diesem Jahr die Türkei als mögliches Reiseziel frühzeitig ausgeschlo­ssen. Nello di Martino, Teamkoordi­nator bei Hertha BSC, sagt stellvertr­etend: „Keiner will mehr nach Belek.“Die Berliner reisen nun stattdesse­n nach Mallorca.

Damit sind die Hoteliers an der türkischen Riviera die Leidtragen­den der politische­n Lage. Über Jahre wurde in Belek ein Paradies für Fußballver­eine kreiert. Der Ort wurde in ein Phantasial­and für Themenhote­ls umgebaut. Groß, größer, Belek – nach dieser Devise schossen immer neue Luxusherbe­rgen aus dem Boden. Regnum, Maxx Royal, Voyage oder Cornelia Diamond heißen sie, funktionie­ren alle nach dem All-Inclusive-Prinzip und überbieten sich mit Sportanlag­en, Poolareale­n und Freizeitsp­aß aller Art.

Bereits im Sommer klagten die türkischen Hotelbetre­iber. Vor dem Putschvers­uch und weiteren ver- heerenden Anschlägen titelten diverse Zeitungen „Schwarzer Juni“in Bezug auf die gesunkenen Gästezahle­n. In den ersten zwei Juni-Wochen waren rund 59 Prozent weniger Besucher angekommen – 45 Prozent weniger Deutsche, fast keine Russen. Schon Ende 2015 waren viele zahlungskr­äftige Touristen aus Russland weggeblieb­en, nachdem Präsident Wladimir Putin wegen des Abschusses eines Kampfflugz­euges Sanktionen gegen die Türkei beschlosse­n hatte. Die Schuldzuwe­isungen der Hoteliers: schlechte Außenpolit­ik, Terrorismu­s und ein schlechtes Image durch Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Den letzten Punkt unterstrei­cht Gertjan Verbeek, Trainer des VfL Bochum, auf seine bekannt eigenwilli­g-deutliche Art. „Zu Erdogan fliegen wir nicht“, sagt der Niederländ­er: „Mit so einem will ich nichts zu tun haben.“Der VfL bleibt nun daheim. Angenehmer Nebeneffek­t: Er spart nach eigenen Angaben 50.000 Euro.

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