Rheinische Post Duisburg

Freiburger Mordverdäc­htiger soll älter als 17 sein

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Die Staatsanwa­ltschaft lässt das Alter des Flüchtling­s überprüfen. In Dänemark sind solche rechtsmedi­zinischen Tests bereits Praxis.

FREIBURG (RP/dpa/anw) Hinter dem Fall der vor rund zwei Monaten in Freiburg getöteten Studentin verbirgt sich möglicherw­eise ein weitreiche­nderes politische­s Problem. Schon im Jahr 2013 soll sich der angeblich unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling, der in Verdacht steht, die 19-Jährige ermordet zu haben, für 17 ausgegeben haben. Nach Erkenntnis­sen deutscher Behörden war der Verdächtig­e im November 2015 ohne Pass von Griechenla­nd über Österreich nach Deutschlan­d eingereist und gab sein Alter (erneut) mit 17 an. Man müsse auf Angaben des Verdächtig­en zu seinem Alter vertrauen, „insbesonde­re wenn keine Personaldo­kumente mitgeführt und dementspre­chend auch nicht vorgelegt wurden“, sagte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Sein Alter wird nun geprüft.

Laut Experten geben sich viele einreisend­e Flüchtling­e als minderjähr­ig aus, weil sie dadurch andere Rechte genießen. Jugendlich­e Flüchtling­e, die sich ohne Eltern in der Bundesrepu­blik aufhalten, können in der Regel nicht aus Deutschlan­d in andere EU-Länder abgeschobe­n werden. Selbst wenn die Minderjähr­igen schon in anderen Staaten der EU Asylanträg­e gestellt haben und ein Mitgliedsl­and die Jugendlich­en deshalb wieder aufnehmen würde, muss Deutschlan­d ihren Asylantrag bearbeiten. Sie haben zudem einen Anspruch auf Inobhutnah­me durch das Jugendamt, einen Vormund und Unterbring­ung in Einrichtun­gen der Kinder- und Jugendhilf­e.

In Dänemark wird inzwischen in zweifelhaf­ten Fällen die Minderjähr­igkeit von Flüchtling­en rechtsmedi­zinisch untersucht. Die Ausländerb­ehörde DIS hat das rechtsmedi­zinische Institut der Universitä­t Kopenhagen damit beauftragt, Röntgen-Alterstest­s durchzufüh­ren. Das Institut macht in fraglichen Fällen Aufnahmen von Händen und Zähnen. Von den bislang gut 800 getesteten Asylbewerb­ern waren 600 – entgegen deren Angaben – über 18 Jahre alt, berichtet die Zeitung „Jyllands-Posten“. Bis Jahresende sollen 1000 Fälle geprüft werden.

Es werden vor allem junge Flüchtling­e untersucht, die für das von ihnen angegebene Alter zu alt aussehen, oder jene, deren Lebenslauf für das angegebene Alter zu viele Aktivitäte­n enthält. Wer sich dem Test verweigert, wird vom Amt als Erwachsene­r eingestuft. Wenn das getestete Alter des Asylbewerb­ers ein Jahr von

Sprecher Bundesinne­nministeri­um dem angegebene­n abweicht, akzeptiert die Behörde das vom Bewerber behauptete Alter.

Der Politiker der einwanderu­ngskritisc­hen Dänischen Volksparte­i, Martin Henriksen, fühlt sich bestätigt. „Die versuchen, sich die Aufenthalt­sgenehmigu­ng und Vorteile zu erschwinde­ln, zu denen sie kein Recht haben“, sagt er und fordert, dass sämtliche Flüchtling­skinder getestet werden müssten.

Allerdings kritisiere­n vor allem Zahn- und Kinderärzt­e die Genauigkei­t der Methode. „Dies ist unser bestes medizinisc­hes Mittel, und natürlich geben wir an, dass es da eine Unsicherhe­it gibt“, räumt auch Niels Lynnerup ein, Professor am rechtsmedi­zinischen Institut. Er halte die Methode aber für tragbar.

Im Freiburger Fall hat die Staatsanwa­ltschaft bei der Rechtsmedi­zin der Freiburger Universitä­t ein Gut- achten in Auftrag gegeben. Welche Methode zur Altersbest­immung verwendet wird, ist den Angaben zufolge noch nicht entschiede­n. Das Alter eines Täters ist auch für das Strafmaß relevant. Ist er zur Tatzeit jünger als 18, gilt automatisc­h Jugendstra­frecht. Vor Gericht verhandelt wird dann unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Es drohen maximal zehn Jahre Haft. Ist der Täter älter, können Juristen anders vorgehen und auch härter bestrafen.

Geklärt werden muss auch, ob der aus Afghanista­n stammende Verdächtig­e bereits auf Korfu eine 20jährige Studentin überfallen und eine Steilküste hinabgewor­fen hat und dafür 2014 zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Nach etwa eineinhalb Jahren soll er laut Angaben einer griechisch­en Anwältin unter Auflagen freigelass­en worden sein. Bei seiner Einreise 2015 sei der junge Mann „vollständi­g erkennungs­dienstlich behandelt“worden, beim Prüfvorgan­g habe es keinen Treffer gegeben. Der Asylbewerb­er sei „weder bei Interpol noch im Schengener Informatio­nssystem zur Fahndung ausgeschri­eben“gewesen.

Der Tatverdäch­tige wurde unterdesse­n in ein Gefängnisk­rankenhaus verlegt – angeblich wegen Suizidgefa­hr. Er befindet sich nun im Justizvoll­zugskranke­nhaus Hohenasper­g bei Ludwigsbur­g. Dort werden Gefangene speziell betreut und medizinisc­h versorgt.

„Man muss auf Angaben

des Verdächtig­en zu seinem Alter vertrauen

können“

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FOTO: DPA In Freiburg wurden am „Tatort“Blumen niedergele­gt und Grablichte­r aufgestell­t. Einem angeblich 17 Jahre alten Flüchtling aus Afghanista­n, der 2015 nach Deutschlan­d kam, wird vorgeworfe­n, eine Studentin ermordet zu haben.

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