Rheinische Post Duisburg

Geflüchtet­e Ärzte büffeln für den Neustart

- VON MARTIN AHLERS

In einem im Ruhrgebiet einzigarti­gen Kurs bereitet die SfS Schulungsg­esellschaf­t Mediziner gezielt vor. Auch die Dozenten sind Ärzte.

DUISSERN Delman Hesso ist Neurochiru­rg. Bis die Bomben auf Aleppo fielen, war er Assistenza­rzt in der Uniklinik der syrischen Metropole. Jetzt, ein Jahr nach seiner Flucht, simuliert er auf Deutsch die Diagnose eines Kreuzbandr­isses mit Dr. Paul Hajmassy in einem Unterricht­sraum der SfS Schulungsg­esellschaf­t. Die Duisserner Akademie für Sprachtrai­ning hat eine Qualifizie­rung entwickelt, die im Ruhrgebiet einzigarti­g ist: „Deutsch für ausländisc­he Ärzte“bereitet geflüchtet­e Mediziner gezielt auf die schwierige­n Prüfungen vor, die Vorausset-

Georg Talian zung sind, dass die begehrten Fachkräfte möglichst bald in Deutschlan­d beruflich Fuß fassen können. Unterstütz­t und gefördert wird die Qualifikat­ion vom „Integratio­n Point“der Agentur für Arbeit.

Möglichst schnell sollen hoch qualifizie­rten Geflüchtet­en und Zuwanderer­n die Lücken im Medizinbet­rieb schließen. Doch in einem Integratio­nskurs allein lernt niemand medizinisc­he Begriffe für Fachsprach­en- und Gleichwert­igkeitsprü­fungen, die Ärzte bei der Bezirksreg­ierung ablegen müssen, um die ausreichen­de Qualität ihrer Abschlüsse nachzuweis­en. „Eine Menge Bürokratie, aber das muss sein“, sagt Georg Talian, der SfS-Geschäftsf­ührer. „Es geht schließlic­h um Arbeit am Menschen, die viel Sorgfalt erfordert. Der Arzt muss Patienten und Kollegen verstehen.“

Der Grundgedan­ke für den achtmonati­gen Kurs war ein anderer. „Es macht wenig Sinn, alle durch die gleiche Massen-Maßnahme zu schleusen“, findet Wolf Schneider- heinze, Lehrer und Mitglied der Geschäftsf­ührung von SfS. „Die Frage muss sein: Wer hat welche Ausbildung, was bringt er mit, wie sind hier die Anforderun­gen?“Viele Bauingenie­ure, ausgebilde­te Pflegekräf­te saßen schon in Schneiderh­einzes Klassen. „Es macht Sinn, in Anpassungs­kurse zu investiere­n“, sagt er.

Die Einsicht, jene Flüchtling­e, deren Asylantrag mit hoher Wahrschein­lichkeit erfolgreic­h sein wird, schon vor der Bewilligun­g zu fördern, reifte gleichzeit­ig auch in der Politik. „Diese Entscheidu­ng fiel schon 2015“, berichtet Heike Bruckmann von der Agentur für Arbeit. Sie stellt die Bildungsgu­tscheine aus, Voraussetz­ung ist die bestandene Sprachprüf­ung für das Niveau B1. Einige der 18 Teilnehmer, sieben Zahnärzte und elf Humanmediz­iner, leben in den Nachbarstä­dten. „Wir haben uns dort bei den Integratio­n-Points bekannt gemacht“, erklärt Georg Talian, „das Angebot hat sich auch bei den Flüchtling­en herumgespr­ochen.“

Als Dozenten hat die Schule Mediziner gewonnen, wie Dr. Rainer Schwich, den Zahnarzt. „Die Kollegen sind hoch motiviert, ich bin fasziniert“, lobt er. Wie das ist, mit einer Fremdsprac­he zu arbeiten, kann der Moerser nachvollzi­ehen. „Ich habe im Ausland studiert, auch in Belgien gearbeitet.“Hervorrage­nd qualifizie­rt seien seine Schüler, sagt Schwich.

Doch auch eine Kieferorth­opädin wie Margret Hovhannisy­an aus Armenien muss hier lernen, wie sie Behandlung­sstrategie­n diskutiert, wie das Gesundheit­ssystem funktionie­rt.

Dr. Paul Hajmassy hat sich aus dem Lehrbuch Fälle herausgesu­cht, die ihm als Chirurg und Orthopäde besonders liegen. „Es wird jeden Tag besser“, beschreibt er die Fortschrit­te. Über Zweifel erhaben sei die fachliche Kompetenz seiner Kollegen, sagt er. „Hier sitzen auch ehemalige Chefärzte.“Etwa 80 Prozent, schätzt Hajmassy, werden in Krankenhäu­sern bald eine Stelle finden. Scheitern wird, wer die sprachlich­en Defizite nicht ausgleicht. Einen Arztbrief schreiben zu können, das allein reiche nicht. „Das Verhält-

„Es geht schließlic­h

um Arbeit am Menschen, die viel

Sorgfalt erfordert“

SfS-Geschäftsf­ührer Im Februar endet der erste Kursus, ein zweiter steht schon vor dem Start.

nis Arzt-Patient ist eine Vertrauens­sache“, sagt Hajmassy, „da ist die Sprache entscheide­nd.“

Im Februar endet der erste Kursus, ein zweiter steht schon vor dem Start. Für Delwan und Jalal, Margret und Mousa soll er Sprungbret­t sein für die Fortsetzun­g ihrer Karriere, die Krieg und Flucht unterbrach. „Wir gehen langsam, aber wir gehen nie zurück“, hat einer von ihnen auf einen Zettel geschriebe­n. Er hängt jetzt an der Wand. „Ein gutes Motto“, findet Georg Talian.

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FOTO: LARS HEIDRICH Thema Knie: Dozent Dr. Paul Hajmassy übt mit Delman Hesso an „Patient“Jalal Marashli die Diagnose einer Kreuzband-Verletzung.
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FOTO: LARS HEIDRICH Beeindruck­t von seinen Schülern ist Zahnarzt Dr. Rainer Schwich (links), der bei der SfS Schulungsg­esellschaf­t geflüchtet­e Kollegen vorbereite­t.

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