Rheinische Post Duisburg

Eine Zumutung für Demokraten

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Im kommenden Jahr finden vier Wahlen statt: die Bundestags­wahl am 17. oder 24. September sowie die Wahlen in NRW (14. Mai), Schleswig-Holstein (7. Mai) und dem Saarland (26. März). Den Start ins große Wahljahr macht aber am 12. Februar eine seltsame Veranstalt­ung zur längst vorbestimm­ten Ausrufung des neuen Bundespräs­identen. Je nach Temperamen­t wird man diese Formalität mit dem angestaubt­en Markenname­n Bundesvers­ammlung als kurios oder als demokratis­che Zumutung empfinden. Auf jeden Fall ist der gehorsame Vollzug dessen, was jeder politisch Anteilnehm­ende seit Wochen weiß, keine Werbung für die Demokratie.

Die Wahl zum Bundespräs­identen ist eigentlich keine – denn er steht ja längst fest. Wir Demokraten werden verulkt.

Wie wurden die Österreich­er auf ihrem pannenreic­hen Weg zur Wahl des neuen Präsidente­n verspottet; aber das Volk zwischen Bregenz und Wien hatte wenigstens eine echte Wahl.

Bei uns hat sich ein kleiner Kreis von Regierende­n fintenreic­h auf einen Bundespräs­identen aus ihrer Mitte geeinigt. Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier soll es sein; und er wird es werden. Steinmeier ist ein honoriger Politiker mit einer sympathisc­hen Ehefrau; als originelle­r Kopf fiel er bislang nicht auf. Das Überraschu­ngselement, das für eine demokratis­che Wahl kennzeichn­end ist, fehlt am 12. Februar ebenso wie jede noch so winzige Chance des verspottet­en Souveräns, die Inthronisa­tions-Urkunde „Bundespräs­ident“gegenzuzei­chnen. Die Bürger haben bei der Bestimmung, wer ihr erster Bürger wird, nichts zu sagen. Wie absurd. Jeder Bürger-oder Oberbürger­meister in NRW wird von den Wahlberech­tigten der Stadt bestimmt und nicht von einem Findungszi­rkel mit der Spezial-Begabung zum Tarnen und und Kungeln. Man kann das vernünftig­e Prinzip der repräsenta­tiven Demokratie auch der Lächerlich­keit preisgeben, indem man es derart überstrapa­ziert.

Der Souverän wird durch die große Koalition der Willigen zusätzlich verhohnepi­pelt, indem der Bundes- versammlun­g wiederum einige mehr oder minder prominente Nicht-Politiker beigegeben werden. So soll der Eindruck vorgetäusc­ht werden, als seien die politisch Profession­ellen nicht unter sich. Nichts gegen Bundesvers­ammlungs-Exoten wie den Komiker Hape Kerkeling, den Kabarettis­ten Volker Pispers, die Schauspiel­erin Mariele Millowitsc­h oder Fecht-Olympiasie­gerin Britta Heidemann. Mich wundert und wurmt es aber, dass sie sich als kritische Geister für den Ulk hergeben, der in Kürze mit uns Staatsbürg­ern getrieben wird.

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