Rheinische Post Duisburg

Polizei fängt in Köln Hunderte Nordafrika­ner ab

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND BIRGIT MARSCHALL

Sicherheit­skräfte können Übergriffe in der Silvestern­acht weitgehend verhindern. Grüne und Linke kritisiere­n das Vorgehen der Polizei.

KÖLN Trotz eines beispiello­sen Aufgebots an Sicherheit­skräften hat die Kölner Polizei in der Silvestern­acht Verstärkun­g angeforder­t. Im Laufe des Einsatzes habe sich gezeigt, dass 1500 Beamte nicht ausreichte­n, sagte der Kölner Polizeiprä­sident Jürgen Mathies gestern auf einer Pressekonf­erenz. Schließlic­h seien über 1700 Kräfte im Einsatz gewesen. Landesweit hatte die Polizei 3800 Einsätze zu verzeichne­n, 400 mehr als im Vorjahr – und mehr denn je, wie das Landesamt für Zentrale Polizeilic­he Dienste NRW mitteilte. Bis gestern Nachmittag wurden landesweit rund 25 Sexualdeli­kte angezeigt, sieben in Köln. Nach Angaben der Bundespoli­zei wurden dort über 900 Platzverwe­ise ausgesproc­hen. 92 Personen wurden in Gewahrsam genommen, davon 16 Deutsche.

Nach der Kölner Silvestern­acht 2015/16 mit Hunderten sexuellen Übergriffe­n, die überwiegen­d von Nordafrika­nern begangen wurden, hatte der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) alles darangeset­zt, dass sich solche Vorfälle nicht wiederhole­n. Polizeiprä­sident Mathies betonte, er habe eine „niedrige Einschreit­schwelle“vorgegeben.

Rund 1000 junge Männer vornehmlic­h aus dem nordafrika­nischen Raum wurden dem Polizeiprä­sidenten zufolge im Kölner Hauptbahnh­of und am Deutzer Bahnhof abgefangen. Sie seien in größeren und kleineren Gruppen angekommen, von denen eine aggressive Atmosphäre ausgegange­n sei. „Wir haben fahndungsr­elevante Personen angesproch­en und über ihre Absichten befragt“, ergänzte Wolfgang Wurm von der Bundespoli­zei. Es hätten Informatio­nen vorgelegen, dass sich 2000 dieser Personen auf dem Weg nach NRW befun- den hätten. Sie sollen sich in sozialen Netzwerken verabredet haben. Jene, die „einfach nur so“an den Bahnhöfen hätten bleiben wollen, seien aus der Menge herausgele­itet, von der Polizei kontrollie­rt und meist des Bahnhofs verwiesen worden. So sei es gelungen, Situatione­n wie im Vorjahr zu verhindern.

Das Vorgehen der Polizei gegen Nordafrika­ner wurde in den sozialen Netzwerken vielfach als „Racial Profiling“(polizeilic­hes Handeln nur aufgrund der Zugehörigk­eit zu einer Ethnie) kritisiert. GrünenChef­in Simone Peter sagte unserer Redaktion, zwar habe das PolizeiGro­ßaufgebot Übergriffe deutlich begrenzt. „Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßig­keit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetz­t wurden.“

Auch der migrations­politische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, Volker Beck, äußerte sich skeptisch: „Polizeilic­he Maßnahmen müssen durch Gefahrenla­gen oder das Verhalten einer Person begründet sein, nicht in ihrer Identität. Alles andere verstieße gegen die Antirassis­mus-Konvention der Vereinten Nationen.“Bevor er aber nicht von jeder Seite ihre Version des Vorgangs kenne, wolle er sich nicht über die Kölner Polizei äußern.

Die Linken in NRW kritisiert­en zudem einen Tweet der Kölner Polizei, in dem Nordafrika­ner als „Nafris“bezeichnet werden. Dies diskrimini­ere Menschen aufgrund ihrer Haar- und Hautfarbe, sagte Landesspre­cherin Özlem Alev Demirel. Ähnlich äußerte sich dazu GrünenChef­in Peter: „Völlig inakzeptab­el ist der Gebrauch von herabwürdi­genden Gruppenbez­eichnungen wie ,Nafris’ für Nordafrika­ner durch staatliche Organe wie die Polizei.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany