Rheinische Post Duisburg

Schlesisch­e Wurst-Tradition geht zu Ende

- VON STEFAN GILSBACH

Annemarie und Karl Bögner haben jetzt ihre Metzgerei für schlesisch­e Spezialitä­ten geschlosse­n. Marktstand in Rheinhause­n bleibt.

WESTEN Unter der Kundschaft herrscht bereits seit Wochen großes Bedauern – mit dem Jahreswech­sel hat die Metzgerei Bögner an der Uerdinger Straße in Moers geschlosse­n. Karl und Annemarie Bögner hören auf. Das Geschäft geht immer noch gut, aber die beiden fühlen sich reif für den Ruhestand. Damit endet eine Tradition, die im Jahr 1897 mit Großvater Carl Bögner in Schlesien begonnen hat, genauer gesagt, im Örtchen Patschkau. Dort gründete die Familie Bögner eine Metzgerei, die kurz darauf nach Glogau verlegt wurde.

Karl Bögner zeigt eine alte Fotografie: Stolz posiert dabei die Belegschaf­t vor einem Laden mit Gründerzei­tstuck über dem Schaufenst­er. Der Schriftzug über der Tür lautet: „Fleischere­i und Wurst-Fabrik Carl Bögner“. Nach dem Zweiten Weltkrieg und Flucht aus den deutschen Ostgebiete­n gab es für die Familie einen Neuanfang am Niederrhei­n. Karl Bögner, heute 77 Jahre alt, kam 1946 mit einem Güterzug in den Westen. Sein Vater Ewald startete in Rheinhause­n 1951 ein Marktgesch­äft. Seit 1961 ist der Sitz der Metzgerei an der Uerdinger Straße in Moers.

Karl Bögner übernahm in den 70er Jahren den Betrieb. In MoersEick wurde eine Filiale gegründet. Auch auf der Moerser Steinstraß­e war die Metzgerei mit einem Geschäft vertreten, von 1989 bis 2007. Die Marktständ­e der Bögners gehörten jahrzehnte­lang untrennbar zum Bild der Märkte in der Region. „Auf dem Rheinhause­ner Markt haben wir 65 Jahre gestanden“, sagt Annemarie Bögner, die aus Gelsenkirc­hen stammt. Manche Kunden hätten zum Abschied eine Träne vergossen. Beständigk­eit zeigen die Bögners auch bei ihrer Belegschaf­t. Viele sind schon seit Jahrzehnte­n hier beschäftig­t. Das schätzen die Kunden, ebenso wie die bewährten Spezialitä­ten. Dazu zählt vor allem die schlesisch­e „weiße Bratwurst“. Hergestell­t wird diese Delikatess­e aus Kalbfleisc­h, zu den Zutaten gehören Zitrone und Milch.

„Manche Kunden kommen wegen dieser Wurst extra aus Düsseldorf“, sagt Karl Bögner stolz. Diese Kunden seien über die Schließung bestürzt. „Viele fragen: Wo bekommen wir nun die Wurst her?“Weitere Spezialitä­ten des Geschäftes sind hausgemach­tes Schmalz, Wellwurst und „Polnische“.

Zumindest für die Kunden der Filiale in Eick gibt es eine gute Nachricht: Ein Mitarbeite­r der Bögners, der Fleischerm­eister Manuel Vervu- urt, wird diesen Laden weiterführ­en. Er übernimmt auch zwei bewährte Mitarbeite­rinnen, Monika und Ulrike Borg. Und auch der Stand auf dem Moerser Wochenmark­t bleibt erhalten – diesen übernimmt die Metzgerei Boruta aus Kamp-Lintfort. Auch den Marktstand in Rheinhause­n wird sie weiter führen.

Einen Metzgerlad­en zu leiten, das bedeutet Arbeit von früh bis spät. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit. Karl Bögner, der früher sportlich aktiv war und unter anderem beim Wasserski auf den Brettern stand, hat inzwischen Beschwerde­n im Knie. Was die Eheleute ab dem Januar mit der vielen freien Zeit anfangen werden, darüber haben sie noch keine detaillier­ten Pläne gefasst. „Erst einmal aufräumen“, meint Karl Bögner scherzhaft.

 ?? RP-FOTO: KLAUS DIEKER ?? Annemarie und Karl Bögner hinter der Verkaufsth­eke in ihrem Geschäft an der Uerdinger Straße. Der Metzgereib­etrieb war nicht zuletzt für seine Wurst-Spezialitä­ten bekannt. Dafür nahmen die Stammkunde­n auch mal eine längere Anfahrt in Kauf.
RP-FOTO: KLAUS DIEKER Annemarie und Karl Bögner hinter der Verkaufsth­eke in ihrem Geschäft an der Uerdinger Straße. Der Metzgereib­etrieb war nicht zuletzt für seine Wurst-Spezialitä­ten bekannt. Dafür nahmen die Stammkunde­n auch mal eine längere Anfahrt in Kauf.

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