ANDREAS MUNDT „Heimliche Aufschläge von Airlines stoppen“
Der Präsident des Bundeskartellamts will Verbrauchern bei Problemen mit Online-Käufen zur Seite springen.
BONN Beim Gespräch mit Andreas Mundt wird es plötzlich laut. Arbeiter mähen den Rasen der Villa Hammerschmidt, die neben dem Kartellamt liegt. Dessen Präsident bleibt gelassen. „Dann muss ich lauter sprechen.“Auch bei der Durchsetzung des Wettbewerbs versteht er es, sich Gehör zu verschaffen. Lässt der Biss des Kartellamtes nach? 2016 gab es nur noch Bußen für 121 Millionen, früher war es weit mehr. MUNDT Nein, wir verfolgen unerlaubte Absprachen und Kartelle mindestens so konsequent wie immer. Die Bußgeldhöhen schwanken von Jahr zu Jahr. Wir haben aber erneut zahlreiche Hinweise erhalten, denen wir nachgehen. Dabei spielt die Kronzeugenregelung eine wichtige Rolle. 2016 haben uns 53 Unternehmen Informationen über Verstöße in ihrer Branche gegeben, weil sie im Gegenzug auf eine mildere Behandlung hoffen. Was könnte Bußgelder erhöhen? MUNDT Bedeutung kommt auch der in den ersten Monaten 2017 anstehenden Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu. Wir erwarten, dass damit eine Gesetzeslücke geschlossen wird, die es verschiedenen Unternehmen in der Vergangenheit ermöglicht hatte, sich der Haftung für ihre Kartellrechtsverstöße und dem Bußgeld durch eine geschickte Umstrukturierung zu entziehen. 2016 konnte Edeka sich Kaiser’ s einverleiben, obwohl Ihr Amt dagegen war. Die Ministererlaubnis machte es möglich. Sollte sie wegfallen? MUNDT Wir kritisieren zwar, dass sich das Marktumfeld im Lebensmitteleinzelhandel nun zu Lasten der Verbraucher und der Lieferanten weiter verschlechtern wird, aber das Instrument der Ministererlaubnis sollte unbedingt beibehalten werden. Warum? MUNDT Wir als Kartellamt bewerten nur, ob eine Fusion oder Übernahme für den Wettbewerb schlecht ist und prüfen keine anderen Kriterien. Wenn die Politik dagegen eine Fusion in einem Einzelfall wegen anderer Ziele wie der Arbeitsplatzsicherung doch genehmigen will, ist die Ministererlaubnis das dafür angemessene Instrument. Ich will die nun erteilte Erlaubnis nicht bewerten. Aber das Instrument der Ministererlaubnis ist grundsätzlich ein wichtiges Korrektiv. Am Ende teilen Edeka und Rewe sich Kaiser’s Tengelmann auf. Gut so? MUNDT Die vier Handelsketten Edeka, Rewe, Aldi und die SchwarzGruppe mit Lidl kontrollieren rund 85 Prozent des Lebensmittel-Einzelhandels. Wenn da nun der Größte unter den Kleinen wegfällt, kann sich das zu Lasten der Verbraucher in manchen Stadtteilen auswirken. Und die Beschwerden der Hersteller über die große Marktmacht werden sicher nicht weniger werden. 2017 könnte das Kartellamt Verbraucherschutzbehörde werden. Gut so? MUNDT Wir unterstützen diesen Vorschlag. Es braucht mehr Durchschlagskraft, um gegen massenhafte Verstöße gegen Verbraucherrechte, wie sie im Internet vorkommen, vor- gehen zu können. Im Moment können zwar einzelne Verbraucher klagen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen, aber jedes Urteil ist nur für diesen Fall gültig. Wenn wir als Behörde dagegen Verfahren durchführen können, könnten Entscheidungen unmittelbar einer großen Zahl von Verbrauchern helfen. Wenn also eine Fluggesellschaft beim OnlineBuchen Aufschläge praktisch verheimlicht, könnten wir das abstellen, wenn ein Online-Versandhaus die Rückgabe von Waren unklar regelt, ebenso. Warum machen Sie das nicht jetzt schon? MUNDT Momentan können wir nur gegen Rechtsverstöße vorgehen, die in einem engen Zusammenhang zu der wettbewerblichen Position eines Unternehmens stehen. Wir müssen zudem nachweisen, dass das Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Das sind Fragen, denen wir beispielsweise in unserem Facebook-Verfahren nachgehen. Diskutiert wird eine zusätzliche Eingriffsbefugnis. Das klingt nach drohender Willkür einer Superbehörde. MUNDT Eine solche Zuständigkeit haben international zahlreiche Wettbewerbsbehörden. Es geht nicht darum, das in Deutschland etablierte System des privatrechtlichen Verbraucherschutzes zu ersetzen. Es geht darum, ausschließlich dort behördlich tätig werden zu können, wo dieses System gewisse Defizite aufweist. Das ist der Fall, soweit illegale Geschäftspraktiken, wie sie im Internet vorkommen, direkt viele hunderttausend oder Millionen Kunden treffen. Hier macht es Sinn, dass eine Behörde quasi stellvertretend für alle dagegen vorgehen kann. Und was wird nun aus Ihrem Verfahren gegen Facebook? MUNDT Wir wollen das Verfahren schnell abschließen und arbei- ten mit Hochdruck daran. Persönliche Daten haben eine große wirtschaftliche Bedeutung. Werden diese rechtswidrig erhoben, kann dies bei einem großen Unternehmen wie Facebook einen Verstoß gegen das Kartellrecht bedeuten. Wie sehen Sie die Übernahme von Monsanto durch Bayer? MUNDT Die EU-Kommission ist für dieses Verfahren zuständig. Allgemein lässt sich aber feststellen: Es wird genaue Prüfungen bei BayerMonsanto geben, weil es bei Pflanzenschutzmitteln und Saatgut sehr viele einzelne Produktmärkte gibt, die untersucht werden müssen. Der Sender Sky verklagt das Kartellamt , weil es die Fußball-Liga zum Alleinerwerbsverbot der Live-Rechte drängte. Wie geht es nun weiter? MUNDT Die Beschwerde von Sky wird aller Voraussicht nach im kommenden Jahr vor Gericht verhandelt. Wir haben die Deutsche Fußball-Liga nicht zu irgendetwas gedrängt. Die Bundesligarechte müssen im Rahmen des geltenden Kartellrechts vergeben werden. Wir haben Wert gelegt auf Regelungen, die sicherstellen, dass im Ergebnis mehr als ein einziger Bieter die LiveRechte erwirbt. Solange nur ein Inhaber der Live-Rechte am Markt ist, birgt dies die Gefahr, dass der Innovationswettbewerb – insbesondere der von internetbasierten Angeboten – beschränkt wird.