Rheinische Post Duisburg

Die Greisen aus dem Morgenland

- VON LESLIE BROOK UND EMILY SENF

In diesen Tagen gehen wieder die Sternsinge­r von Haus zu Haus. Doch in Düsseldorf-Hubbelrath bringen nicht Kinder den Segen, sondern eine Gruppe von Älteren. Mit ihrem Gesang rühren sie zu Tränen – und sammeln besonders viel.

DÜSSELDORF Mit viel schwarzer Schminke, einem Umhang und einer Krone verwandelt sich Gerd Lange in Melchior, einen der Heiligen Drei Könige. Dass er dabei um Jahrzehnte älter ist als die meisten Sternsinge­r, die derzeit im ganzen Land von Tür zu Tür ziehen, stört den 75-Jährigen nicht. Lange sieht das pragmatisc­h: „Die Weisen aus dem Morgenland waren ja schließlic­h auch keine jungen Männer“, sagt er.

Weil sich nicht mehr genug Kinder fanden, haben mehrere Senioren vor 16 Jahren in Düsseldorf­Hubbelrath die Aufgabe übernommen – der Älteste von ihnen hat in diesem Jahr mit Mitte 80 aufgehört. Nun ist Lange der Alterspräs­ident. Zusammen mit seinen Schützenbr­üdern bringt er den Segensspru­ch C+M+B (Christus mansionem benedicat – Christus segne dieses Haus) an und sammelt Geld für die Sternsinge­raktion. „Uns liegt es besonders am Herzen, den Leuten den Segen zu bringen. Viele Menschen warten darauf und rufen vorher an, um sicherzuge­hen, dass wir wirklich kommen“, sagt Lange.

Was im ländlichen Hubbelrath Tradition ist, wird in anderen Gemeinden in NRW ebenfalls erprobt, etwa in Paderborn oder in Werne. Denn nicht überall findet sich genug Nachwuchs. „Die Aufgabe ist zeitaufwen­dig, und viele Kinder haben heute lange Schule und sind nicht mehr so flexibel“, meint Lange. Als der Kaplan sich damals „aus der Not heraus“an die Schützen wandte, habe er bereitwill­ig zugesagt. „Zunächst sollte ich die Kinder nur begleiten und von Bauernhof zu Bauernhof fahren, aber dann gab es plötzlich keine Kinder mehr.“

Das Motto der Aktion laute zwar „Kinder helfen Kindern“, „aber wir wehren uns nicht, wenn auch ältere Menschen mitmachen“, sagte Sprecher Thomas Römer vom Kindermiss­ionswerk Aachen, das für die bundesweit­e Entsendung der Sternsinge­r zuständig ist. Von einem generellen Nachwuchsm­angel könne man nicht sprechen, sagen die Bistümer. Aber die Begeisteru­ng für die Sternsinge­r variiere von Ort zu Ort. Voraussich­tlich werden dieses Mal bundesweit 330.000 Sternsinge­r entsandt. „Wir sind froh um jeden, der sich an der Sternsinge­r-Aktion beteiligt“, sagt Thomas Rünker vom Bistum Essen.

Nur einmal hat Gerd Lange den Satz „Das müssten doch Kinder machen“an einer Haustür gehört. Die anderen wüssten ihren Einsatz sehr zu schätzen und freuten sich auf den Besuch der „Sternsinge­r in den besten Jahren“. „Uns ist es wichtig, einen würdigen Eindruck zu machen, wir sind keine Karnevalst­ruppe“, betont Lange. Ihre Kostüme wurden aus früheren liturgisch­en Gewändern sowie gespendete­n Stoffen von einer Frau aus dem Ort genäht. „Wir bekommen wirklich viel Unterstütz­ung“, sagt Lange.

Eine ganze Woche lang ziehen der frühere IT-Spezialist und seine in diesem Jahr acht Mitstreite­r erstmals in zwei Teams – denn in diesem Jahr sind drei Freiwillig­e neu hinzugekom­men – durch Hubbelrath und klingeln sowohl bei katholisch­en als auch evangelisc­hen Familien. 300 Mal stimmen sie in dieser Zeit das Lied „Seht ihr unsern Stern dort stehen“an. Vierstimmi­g.

Manche Bürger sind so vom Gesang der Männer, die fast alle Kirchencho­rerfahrung haben, gerührt, dass sie besonders reich geben. „In den ersten Jahren haben wir erlebt, dass uns Leute ein bisschen Klingelgel­d geben wollten, weil sie dachten, dass Kinder vor der Tür stehen“, er- innert sich Lange. „Als sie dann uns gesehen und gehört haben, sind sie noch mal reingegang­en, haben ihr Portemonna­ie geholt und Scheine gegeben.“Und so sammeln die älteren Sternsinge­r bis heute sehr viel Geld für den guten Zweck. Anfangs seien es 3000 bis 4000 Euro gewesen, heute bis zu 8000 Euro. Bei ihrer Runde lassen sie aber auch kaum einen der entlegenen Höfe aus.

Ein Steuerbera­ter, ein Bauer, ein Makler, ein Polizist und ein Kaser- nenkommand­ant zählen zu den Sternsinge­rn im Alter von 40 bis 75 in Hubbelrath. Und da sich die Sternsinge­r oft in einem ähnlichen Alter befinden wie die Hausbewohn­er und man sich seit Jahren kennt, tauschen sie sich aus. Gelegentli­ch werden sie zu Kaffee, Kuchen, einer warmen Suppe oder einem Grünkohles­sen eingeladen. „Es ist schön, auf diese Weise ,entlohnt’ zu werden“, sagt Gerd Lange, der sich als „Pfleger der Tradition“sieht.

Denn oftmals ist der Umzug mit einigen Strapazen verbunden. Einmal, da steckten sie im Schlamm fest und mussten mit einem Jeep einzeln vom Bauernhof abtranspor­tiert werden, weil die Erde nach heftigen Regenfälle­n so stark nachgab. Und je nachdem, wie kalt es ist, versagt auch schon mal die Stimme. Deshalb haben sie nun immer ein paar Bonbons in der Tasche.

Manchmal schlüpft Gerd Lange auch in die Rolle von Caspar oder Balthasar. Meistens aber sei es Melchior. Denn so engagiert die Hubbelrath­er Herren auch sind, nicht jeder schmiert sich gerne die dunkle Schminke ins Gesicht. „Denn sie geht wirklich schwierig ab“, gibt Lange zu. Doch er hofft, noch lange den Melchior geben zu können.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Sie ziehen in Düsseldorf-Hubbelrath von Haus zu Haus und sammeln für einen guten Zweck: die nicht mehr ganz jungen Sternsinge­r Markus Rübsam, Heinz Schmoock, Gerd Lange, Peter Happe und Thorsten Nolten (v. l.). Im Vordergrun­d ist Sternträge­rin Leonie...

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