Rheinische Post Duisburg

„Für mich ist das rassistisc­h“

- VON S. DALKOWSKI, S. GEILHAUSEN, C. HAUSER, A. LIEB UND B. MARSCHALL Syrien Albanien Serbien Algerien Kosovo Afghanista­n Marokko Georgien Irak Somalia Eritrea Mazedonien Tunesien

Viele Nordafrika­ner fühlen sich durch die massiven Kontrollen in der Silvestern­acht diskrimini­ert. Sie klagen darüber, oft ablehnend behandelt zu werden. Migranten aus Nordafrika fallen laut BKA jedoch häufig durch Straftaten auf.

DÜSSELDORF Das Thema ist Berkane so wichtig, dass er das Rasiermess­er an seiner Kehle ignoriert. Und so muss sein Frisör aufpassen, ihn nicht zu schneiden, während Berkane über Nordafrika­ner spricht. Der 27-jährige Tischler aus Marokko wohnt wie viele Menschen aus Marokko, Algerien oder Tunesien im so genannten Maghreb-Viertel hinter dem Düsseldorf­er Hauptbahnh­of. „Die Leute hier haben Jobs. Die müssen nicht kriminell werden“, sagt er. „Die Nordafrika­ner, die kriminell werden, sind eher Flüchtling­e, die irgendwie an Geld kommen müssen.“Der 27-jährige Hamza sitzt gegenüber vor einem Café und trinkt Tee. „Ich habe kein Verständni­s dafür, dass die Polizei in Köln gezielt Leute mit nordafrika­nischem Aussehen kontrollie­rt hat. Für mich ist das rassistisc­h.“

Kölns Polizeiprä­sident Jürgen Mathies macht zwei Tage nach Silvester auf einer Pressekonf­erenz deutlich, dass die Situation in der Silvestern­acht durchaus hätte kippen können – so wie im vergangene­n Jahr. Rassismus-Vorwürfe weist er, aber weisen auch die Gewerkscha­ften der Polizei, entschiede­n zurück. „Ich war selbst im Hauptbahnh­of und kann sagen: Wenn wir nicht so strikt gewesen wären, wären ähnliche Ereignisse wie 2016 durchaus realistisc­h gewesen.“Es sei nicht um das Aussehen der Gruppen junger Nordafrika­ner gegangen, sondern um deren aggressive­s Verhalten.

Die Frage, warum wieder mehrere Hundert junge Nordafrika­ner zum Kölner Hauptbahnh­of gekommen sind, lässt sich nicht so einfach beantworte­n. Jürgen Mathies sagt: „Das macht mir auch Sorgen.“Die Polizei habe im Vorhinein etwa soziale Netzwerke beobachtet und versucht herauszufi­nden, was sie zu erwarten habe. „Es gibt aber im Moment noch keine Erkenntnis­se, die das Phänomen auch nur ansatzweis­e erklären“, sagt er. Die Daten der Personen, die überprüft wurden, müssten jetzt ausgewerte­t werden.

Ende dieser Woche können die Ermittler dann höchstwahr­scheinlich sagen, woher die Gruppen kamen, ob einige der Männer möglicherw­eise im vergangene­n Jahr schon in Köln waren. Im Hinblick auf diese Silvestern­acht hatte die Polizei vorsorglic­h 75 so genannte Bereichsbe­tretungsve­rbote gegen Personen ausgesproc­hen, die im vergangene­n Jahr negativ aufgefalle­n sind. Nur zehn von ihnen leben in Köln, die anderen kamen von auswärts.

Beamte der Bundespoli­zei kontrollie­rten am Silvestera­bend die Züge und hielten vor allem nach Gruppen von Männern zwischen 18 und 35 Jahren Ausschau, wie ein Sprecher sagte. Viele seien aus dem Ruhrgebiet nach Köln und Düsseldorf gereist, die meisten schon betrunken und mit Pyrotechni­k im Gepäck.Da die Gruppen in Köln keine Anstalten machten, den Bahnhof zu verlassen und dort weiter tranken, sprach die Polizei Platzverwe­ise aus. „Wir wollten ja eine Situation wie 2015 verhindern“, sagte der Sprecher. In Köln seien „mit Blick auf die reisenden, größeren Männergrup­pen 2000 Personen, in Düsseldorf 800 festgestel­lt worden“.

Bundespoli­zeispreche­rin Dajana Burmann bestätigt vom Düsseldorf­er Hauptbahnh­of: „Aus ganz Nordrhein-Westfalen kamen sehr viele kleine Männer-Gruppen mit der Bahn an, gingen in Richtung Altstadt, und ab etwa 2 Uhr kehrten sie zurück.“

Friedlich, aber auch weitgehend unter sich hatten diese jungen Männer auf Burgplatz und Freitreppe ins neue Jahr gefeiert, so viele, dass sich mancher Besucher abgeschrec­kt fühlte. Warum sie nach Düsseldorf kamen, wo nordafrika­nische Straf- täter vor einem Jahr für Negativsch­lagzeilen gesorgt hatten und wo das große Polizeiauf­gebot angekündig­t war, ist unklar. Samy Charchira, Oberbilker Sozialpäda­goge mit marokkanis­chen Wurzeln, hat „keinerlei Anhaltspun­kte, dass die Jugendlich­en sich organisier­t verabredet haben“. Auch in den sozialen Medien gebe es keine Hinweise dafür.

„Ganz ehrlich? Die sind auffällig und aggressiv – vor allem, wenn sie in Gruppen auflaufen“

Ein Kölner Türsteher über Nordafrika­ner Eine Erklärung hat er aber auch nicht. Ein Ansatz könnten die Regeln in den Flüchtling­sunterkünf­ten sein: Nach 22 Uhr ist dort Besuch nicht erlaubt, auch nicht an Silvester. Wer mit Freunden feiern will, muss raus – und für Kneipenpar­tys fehlt jungen Flüchtling­en das Geld. „Das erklärt aber bei weitem nicht die große Zahl“, sagt die Flüchtling­sbeauftrag­te Miriam Koch.

Berkane, der Marokkaner aus dem Düsseldorf­er Friseursal­on, sagt: „Früher war es für mich nur in der Gruppe häufiger schwierig, in der Düsseldorf­er Altstadt in einen Club zu kommen. Seit den Ereignisse­n in Köln vor einem Jahr wird es aber auch schwierig, wenn ich alleine unterwegs bin.“

Ein Kölner Türsteher, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bestätigt ohne Umschweife, dass junge Männer aus Nordafrika kein beliebtes Publikum in den Clubs auf den Ringen sind. „Ganz ehrlich? Die sind auffällig und aggressiv – vor allem, wenn sie in Gruppen auflaufen. Die kommen ganz klar in keinen Club rein.“Offiziell sagen würde das allerdings niemand. „Sonst ist man doch gleich ein Nazi.“

Nach einem noch unveröffen­tlichten Bericht des Bundeskrim­inalamts (BKA) von Ende 2016 ist der Anteil von Straftaten, bei denen Zuwanderer Täter oder Tatverdäch­tige sind, zuletzt deutlich gesunken – obwohl die Zahl der Zuwanderer deutlich gestiegen ist. Im dritten Quartal 2016 lag die Zahl der Straftaten durch Zuwanderer sogar um ein Viertel unter der des ersten Quartals. Der Bericht soll in dieser Woche veröffentl­icht werden.

Während etwa Diebstahld­elikte häufiger durch Zuwanderer als durch Menschen mit deutschem Pass begangen werden, ist es bei Tötungsdel­ikten umgekehrt. Während Syrer, Iraker und Afghanen gemessen an ihrem Anteil an allen Asylbewerb­ern selten in den Fokus der Ermittler geraten, fallen Migranten aus den Maghreb-Staaten häufig auf: Ihr Anteil an allen Asylbewerb­ern liegt laut dem BKA-Bericht bei zwei Prozent. Davon standen dann aber 22 Prozent im Verdacht, eine Straftat begangen zu haben.

In Großstädte­n wie Köln und Düsseldorf fallen Täter aus Nordafrika vor allem mit Delikten wie Diebstahl und Raub auf. Viele werden immer wieder straffälli­g. Die Tätergrupp­e steht nicht erst seit der Silvestern­acht 2015 im Fokus der Ermittler.

Samy Charchira, der Sozialpäda­goge aus Düsseldorf, kennt die Ängste der Menschen aus Nordafrika, die sich nichts zuschulden kommen lassen und trotzdem in der Öffentlich­keit immer wieder ablehnend behandelt werden. Die aktuelle Debatte belaste die deutsch-marokkanis­che Gemeinscha­ft in Düsseldorf sehr, sagt er, vor allem auch jene Menschen, die seit Generation­en in der Stadt leben. „Die Leute machen sich große Sorgen.“

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QUELLE: BKA | FOTO: DPA | GRAFIK: RP

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