Rheinische Post Duisburg

Türkei-Institut – Defizit und falscher Doktortite­l

- VON DETLEV HÜWEL

Die in die Problemzon­e geratene Landesstif­tung in Essen steht vor einer umfassende­n Neuordnung.

ESSEN Das Zentrum für Türkeistud­ien in Essen, das vom Land mit jährlich 720.000 Euro unterstütz­t wird, steht vor einer grundlegen­den Umorganisa­tion. Anlass ist eine schwere Rüge des Landesrech­nungshofs (LRH), der „dringenden Handlungsb­edarf“sieht. Hinzu kommt ein gravierend­es Personalpr­oblem: Der hauptamtli­che Geschäftsf­ührer des Zentrums, Andreas Goldberg, hat sich viele Jahre lang mit einem Doktortite­l geschmückt, der ihm in der Türkei ehrenhalbe­r verliehen worden war. Eigentlich hätte er dies kenntlich machen müssen, doch er bezeichnet­e sich als „Dr. Goldberg“. Mit dem wissenscha­ftlichen Anspruch des Zentrums für Türkeistud­ien und Integratio­nsforschun­g (ZfTI) ist das nicht vereinbar. Deshalb wurde Goldberg inzwischen freigestel­lt. Er selbst hat sein Fehlverhal­ten bedauert. Nach Informatio­nen unserer Redaktion ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Essen gegen ihn wegen Missbrauch­s von Titeln.

Schwer wiegt auch der verheerend­e LRH-Bericht zur Finanzlage des Zentrums, das 1985 gegründet und 2001 in eine Landesstif­tung überführt wurde. Das ZfTI ist mit fast einer Million Euro verschulde­t. Der Rechnungsh­of kritisiert die vorgelegte­n Wirtschaft­spläne, die „in erhebliche­m Umfang erwartete Einnahmen auswiesen, die tatsächlic­h nicht vereinnahm­t werden konnten“. Diese herbe Kritik bezieht sich sowohl auf Spendenein­nahmen als auch auf Erlöse aus Projekten. Als Konsequenz fordert der LRH Ein- schnitte beim Personal (derzeit 25 Mitarbeite­r), einen konsequent­en Sparkurs und eine Umorganisa­tion der Geschäftsf­ührung. Jetzt ist der Vorstandsv­orsitzende der Stiftung, der frühere Chef der Staatskanz­lei Wolfram Kuschke (SPD), am Zug. Zusammen mit seinen Stellvertr­etern, dem Essener OB Thomas Kufen (CDU) und dem Politikwis­senschaftl­er Andreas Blätte, muss er ein Reformkonz­ept entwickeln, das dem Kuratorium unter Vorsitz von NRW-Arbeits- und Integratio­nsminister Rainer Schmeltzer (SPD) im Februar vorgelegt werden soll. Dem Kuratorium gehören auch die frühere Bundestags­präsidenti­n Rita Süssmuth (CDU) und der Generalsek­retär des Deutschen Olympi-

Joachim Stamp schen Sportbunde­s, Michael Vesper, an. Beobachter gehen davon aus, dass Übergangs-Geschäftsf­ührer Dirk Halm Nachfolger von Goldberg wird. Diese interne Lösung wäre auch ein Beitrag zur Konsolidie­rung der Finanzen, heißt es. Kuratorium­smitglied Joachim Stamp (FDP) sagte unserer Redaktion: „Im Zentrum für Türkeistud­ien hat es an einzelnen Stellen viel Chaos gegeben. Wir alle müssen jetzt darauf achten, dass das wissenscha­ftliche Renommee dieser Einrichtun­g keinen Schaden nimmt.“Der Psychologe Haci Halil Uslucan ist wissenscha­ftlicher Leiter des Zentrums.

Das ZfTI ist schon vor Jahren wegen hoher Bewirtungs­spesen in die Schlagzeil­en geraten. Nachdem der damalige Direktor des Zentrums, Faruk Sen, die Lage der Türken in Deutschlan­d mit der Verfolgung der Juden verglichen hatte, musste er 2008 seinen Hut nehmen.

„Im Zentrum hat es an einzelnen Stellen viel Chaos

gegeben“

Vize-Chef der FDP-Landtagsfr­aktion

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