Rheinische Post Duisburg

Las Vegas hat die Automesse der Zukunft

- VON TIM SPECKS

Bei der Autoshow in Detroit präsentier­en die Autobauer meist Neuauflage­n ihrer Klassiker. Die CES könnte der Messe in Michigan bald den Rang ablaufen.

DETROIT/LAS VEGAS Mitten in der Wüste Nevadas hat die Zukunft begonnen. Ein erlesener Kreis von Fachleuten durfte auf der Technikmes­se CES in Las Vegas staunen oder wahlweise grübeln, als der kalifornis­che Technologi­ekonzern Faraday Future Anfang dieser Woche den „FF 91“vorstellte. Nichts anderes als eine „neue Rasse“der elektronis­chen Mobilität soll das Gefährt sein, das im kommenden Jahr in Serienprod­uktion gehen soll.

Was die Vorstellun­g neben der großspurig­en Ankündigun­g so besonders macht, ist der Ort, an dem sie stattfand. Die CES gilt als bedeutends­te Messe für Unterhaltu­ngselektro­nik – wichtige Produkt-Präsentati­onen gerade US-amerikanis­cher Autobauer waren bislang der Automesse in Detroit vorbehalte­n. Dass die Macher von Faraday Future ihr Prestigepr­ojekt nun aber in Las Vegas enthüllten, ist ein deutlicher Fingerzeig: In Nevada wächst ein Konkurrent für die seit 1907 stattfinde­nde Messe in Michigan heran.

In Nordamerik­a gilt Detroit als Wiege der Autoindust­rie. Die „Big three“, die großen Drei der Branche, haben ihren Sitz in der Metropolre­gion: Chrysler, General Motors und die Ford Motor Company. So bedeutsam die Region für die Herstellun­g, so prestigetr­ächtig war bislang die North American Internatio­nal Auto Show (NAIAS) für die Präsentati­on vor allem in den USA produziert­er Fahrzeuge. Jedes Jahr zeigen Konzerne auf der großen Bühne mit rund 800.000 Besuchern ihre neuen Modelle. Seit 1957 zählen auch europäisch­e Unternehme­n zu den Aussteller­n – das Motto aber ist weiterhin für den USMarkt konzipiert: Groß müssen die Autos sein, und vor allem kraftstrot­zend.

„Detroit steht für die ,alte Welt’“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. „Die Show ist auf Leistung getrimmt. Gezeigt werden vor allem große Modelle wie SUVs“, erklärt der Automobil-Experte. Das wird auch diesmal auf der am Sonntag beginnende­n und bis 22. Januar laufenden Messe nicht anders sein. So wird etwa erwartet, dass Ford eine neue Version des fünf Meter langen SUV-Modells „Expedition“vorstellt.

Während in Detroit Liebhaber alter Modelle bedient werden, blicken sie in Las Vegas bereits in die Zukunft. Wie sehr sich die Ansätze der beiden Shows unterschei­den, zeigt das Beispiel BMW. In Detroit werden die Bayern ihre neue 5er-Reihe, einen neu aufgelegte­n Klassiker, vorstellen – in Las Vegas hingegen „Holoactive Touch“, ein futuristis­ches Bedienelem­ent als Mischung aus Hologramm und Touchscree­n, das im Cockpit schwebt.

„In den USA existieren zwei Welten“, erklärt Experte Bratzel den Kontrast beider Messen. Auf der NAIAS stehe die Verbrennun­gstechnik im Vordergrun­d, die CES konzentrie­re sich auf die Digitalisi­erung der Fahrzeuge. „Damit wird in Las Vegas ein neues Publikum angesproch­en“, sagt Bratzel. Die „alte Welt“werde noch eine Zeit lang bestehen. Es sei aber gut möglich, dass die CES der Detroiter Messe bald den Rang als bedeutsams­te Automesse ablaufe. In Detroit müsse man das Thema Digitalisi­erung adaptieren, um auf der Höhe zu bleiben. Wie wenig zukunftsor­ientiert die Detroiter Veranstalt­er derzeit noch denken, zeigt die Zahl der Startups, also junger Unternehme­n, die sich auf den beiden Messen der Öffentlich­keit vorstellen. In Detroit sind derzeit rund 50 angekündig­t – in Las Vegas stellen aktuell mehr als 600 Start-ups ihre Produkte aus.

Auch der deutsche Markt hat die Zweiteilun­g der Autowelt in den USA registrier­t. „Noch ist die Detroiter Messe aber die wichtigere“, sagt Eckehart Rotter, Sprecher des Verbandes der Automobili­ndustrie. Dass Unternehme­n wie Faraday Future sich für die CES entschiede­n, spreche aber für die Attraktivi­tät des Themas Automobil auch für die Unterhaltu­ngselektro­nik-Branche.

Was die Detroiter Modelle derzeit noch von vielen Projekten in Las Vegas unterschei­det, ist ihre Machbarkei­t: echte Fahrzeuge gegen Konzeptaut­os. Unternehme­n wie Faraday Future aber müsse man „auf dem Radar“haben, sagt Stefan Bratzel. Ansonsten könnten sie zu ernsten Konkurrent­en etwa von E-Auto-Hersteller­n wie Tesla werden. Diese Woche haben sie damit angefangen. Nicht in Detroit, sondern mitten in der Wüste.

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FOTOS: REUTERS, HERSTELLER | GRAFIK: FERL
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