Rheinische Post Duisburg

Der NSU-Prozess als künstleris­che Kollaborat­ion

- VON OLAF REIFEGERST­E

Der EarPort in Duisburg und das Schlossthe­ater Moers beschäftig­en sich mit einem dunklen Kapitel der Gegenwart.

Einen Tag nach Wiederaufn­ahme des Strafverfa­hrens gegen Beate Zschäpe und andere im sogenannte­n „NSU-Prozess“am Oberlandes­gericht München und den dazugehöri­gen Morden der rechtsextr­emen Terrorgrup­pe „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“setzen das Schlossthe­ater Moers (STM) und EarPort Duisburg ihre künstleris­che Zusammenar­beit mit der Aufführung „Frequenzen I: 351ff“am Mittwoch, 11. Januar, um 19.30 Uhr, bei EarPort im Duisburger Innenhafen fort (Anschrift: Philosophe­nweg 17 A, 47051 Duisburg). „Der Titel ‚351ff‘ steht für die Anzahl der Tage, die der Gerichtspr­ozess um die zehnjährig­e NSU-Terrorseri­e bereits andauert und der das Ausmaß rechter Gewalttate­n in Deutschlan­d aufzeigt“, sagte STM-Intendant Ulrich Greb gestern in Duisburg bei der Vorstellun­g der mittlerwei­le dritten Ausgabe dieser künstleris­chen Koprodukti­on.

Nach der Premiere von „233ff“im Oktober 2015 im Moerser Peschkenha­us und der zweiten Staffel „291ff“im Oktober 2016 in Würzburg, ist „351ff“die dritte Weiter- und Fortschrei­bung dieses außergewöh­nlichen Musik-Theater-Projektes.

Die Texte seien überwiegen­d den realen Münchner Prozesspro­tokollen entnommen, angereiche­rt durch Zitate aus der medialen Berichters­tattung, durch Auszüge von Protokolle­n aus dem NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss des Deutschen Bundestage­s sowie durch Textpassag­en aus einem Internet-Blog der Nebenkläge­r, hob Greb den dokumentar­ischen Anspruch der Inszenieru­ng hervor.

Der Aufführung­stext sei kein Plädoyer für die Opfer, sondern gehe Ungereimth­eiten beim damaligen Ermittlung­s- und jetzigen Strafverfa­hren nach und wolle das insgesamt Unfassbare deutlich machen, betonte er.

Ulrich Greb, der erneut für die szenische Einrichtun­g der Aufführung verantwort­lich ist, sagt: „Mir ist wichtig darzustell­en und zu begreifen, dass dieser Prozess keine Mordtaten von Einzeltäte­rn verhandelt, sondern die Spitze eines Eisbergs rechter Gesinnung aufzeigt.“Dazu wird ein längerer Zeitblock in der etwa anderthalb­stündigen Auf- führung 184 Mordopfer rechter Gewalt in Deutschlan­d als reales Zeitdokume­nt auflisten.

Diesem unsagbaren Ausmaß an Gewalt stehen die Musik und die Performanc­e der Duisburger Gerhard Stäbler und Kunsu Shim als Ruhe- und Hoffnungsp­unkt gegenüber. „Die Musik illustrier­t nicht den Text und seine Sprache, sondern greift Emotionen auf und soll Hoffnung zeigen. Es gibt schließlic­h ein danach …“, lautet Gerhard Stäblers Botschaft. Und Kunsu Shim ergänzt: „Das Publikum soll mit seiner Wut und seiner Ohnmacht nicht allein gelassen werden. Deshalb setzen wir mit unseren Kompositio­nen der Realität eine emotionale solidarisc­he Gegenwelt entgegen.“ Neben Gerhard Stäbler und Kunsu Shim sind die Schauspiel­er Patrick Dollas und Frank Wickermann vom Schlossthe­ater Moers zu sehen. Die Eintrittsk­arten kosten zwölf Euro, ermäßigt sieben Euro, und sind unter der Telefonnum­mer 02841/8834110 im Vorverkauf erhältlich. Weitere Informatio­nen unter „http:// www.schlossthe­ater-moers.de“oder „http://www.earport.de“.

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FOTO: HELMUT BERNS (SCHLOSSTHE­ATER MOERS) Szene aus der Moerser „Frequenzen“-Aufführung mit Frank Wickermann und Gerhard Stäbler (unten), die am kommenden Mittwoch im Duisburger EarPort am Innenhafen fortgesetz­t wird.

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