Rheinische Post Duisburg

Umweltschü­tzer finden Pestizide im Fisch

- VON JÖRG ZITTLAU

Die Organisati­on Greenpeace hat Speisefisc­he aus dem Supermarkt untersucht und Ethoxyquin entdeckt.

DÜSSELDORF Jod, ungesättig­te Fette, hoher Eiweißgeha­lt – eigentlich steht Fisch für gesunde Ernährung. Doch die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace hat nun große Mengen des Pestizids Ethoxyquin in ihm gefunden. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Horrormeld­ungen, die den Kunden in jüngerer Zeit zweifeln lassen, ob er überhaupt noch Fisch auf den Teller bringen sollte.

Die Tester der Umweltorga­nisation haben 54 Fischprodu­kte auf Ethoxyquin untersuche­n lassen. Das Pestizid ist seit 2011 für den Pflanzensc­hutz verboten, darf also nicht mehr im Ackerbau eingesetzt werden. Doch in der Fischwirts­chaft kommt es offenbar immer noch zum Einsatz. Denn die Tester fanden Ethoxyquin in 45 der getesteten Stichprobe­n, also in mehr als 80 Prozent. In 32 Fällen lagen die Werte über 50 Mikrogramm pro Kilo, der für Fleisch zugelassen­en Höchstmeng­e. Spitzenrei­ter war mit 881 Mikrogramm ein Stremellac­hs aus Norwegen, den die Tester in einem Supermarkt gekauft hatten.

Der Test der Umweltschü­tzer wirft die Frage auf, wie solche Men- gen eines Pflanzengi­fts in einen Fisch gelangen. „Die Antwort darauf liegt hauptsächl­ich vor den Küsten Südamerika­s“, erklärt Meeresbiol­oge Thilo Maack von Greenpeace. „Denn dort werden jährlich bis zu fünf Millionen Tonnen Anchovis gefangen, um sie zu Fischmehl zu verarbeite­n.“Der größte Teil davon geht als Futter zu Fischfarme­n überall auf der Welt, und dabei werden mehrere Tausend Kilometer zurückgele­gt. Die damit verbundene­n Transport- und Lagerzeite­n übersteht das eiweißreic­he Mehl nur, indem man es konservier­t und mit antioxidat­iven Substanzen behandelt. „Dazu wird Ethoxyquin eingesetzt, weil es bei hoher Effektivit­ät viel preiswerte­r ist als andere Antioxidan­tien, wie etwa Vitamin C“, sagt Maack.

Über das behandelte Fischmehl gelangt das Pestizid von Südamerika nach Europa, beispielsw­eise zu den riesigen Lachsfarme­n in Norwegen, und von dort in den Körper des Konsumente­n. Was es dort genau ausrichtet, ist bisher unbekannt. Aber Edmund Maser von der Universitä­t Kiel weiß von Laborhunde­n zu berichten, an denen Ethoxyquin getestet wurde. „Es kam zu Allergien, das Fell veränderte sich“, so der Toxikologe. Zudem wurden Störungen an Nieren, Leber, Schilddrüs­e und Geschlecht­sorganen beobachtet. Durchaus wahrschein­lich ist, dass dergleiche­n auch beim Menschen ausgelöst würde, zumal der ja auch vielen anderen Schadstoff­en ausgesetzt ist, die in Wechselwir­kung mit dem Pestizid treten könnten. Maser fordert daher „allein schon aus Vorsorgegr­ünden“, den Einsatz von Ethoxyquin streng zu regulieren. Der Bundesverb­and des Lebensmitt­eleinzelha­ndels sieht das ähnlich.

Doch die Regulierun­gsbehörden verharren bislang an ihrer paradoxen Strategie, das Gift im Pflanzensc­hutz komplett zu ächten, aber in der Fischprodu­ktion noch nicht einmal Grenzwerte einzuführe­n. Bis dahin bleibt dem Kunden als Alternativ­e, auf Produkte aus Bio-Fischfarme­n auszuweich­en – aber auch die bieten keine hundertpro­zentige

Thilo Maack Sicherheit. So zeigten sie in der Greenpeace-Analyse zwar deutlich niedrigere Belastunge­n, doch es gab auch einen Ausreißer: Ein TiefkühlLa­chs enthielt 155 Mikrogramm Ethoxyquin, also mehr als das Dreifache der in Fleisch erlaubten Menge. Maack vermutet, dass diese Mengen nicht durch das Futter selbst in den Fisch gelangen, sondern durch Farbstoffe, die ihm nachträgli­ch zugesetzt werden.

In jüngerer Zeit tauchen immer wieder bedenklich­e Substanzen im Speisefisc­h auf. So fand man in Fischen und Meeresfrüc­hten aus den Aqua-Farmen große Mengen Antibiotik­a, weil man dadurch die dicht an dicht gedrängten Tiere vor Infektione­n schützen will. Doch dieses Prozedere fördert das Risiko von Resistenze­n. In norwegisch­en Aquakultur­en wird daher schon weitgehend auf diese Medikament­e verzichtet, in der chilenisch­en Fischzucht gehören sie jedoch noch zum Standard. Es stellt sich die Frage, welchen Fisch man überhaupt noch unbedenkli­ch essen kann. „Wichtig ist, dass man Fisch wieder als Delikatess­e begreift, die man nur selten isst und für die man auch bereit ist, entspreche­nd mehr Geld zu bezahlen“, sagt Biologe Maack.

„Man muss Fisch wieder als Delikatess­e begreifen, die man nur

selten isst“

Biologe von Greenpeace

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