Rheinische Post Duisburg

Westen ohne Führung

- VON MARTIN KESSLER

Wer geglaubt hatte, Donald Trump würde als gewählter Präsident zunehmend in die Rolle des Staatsmann­s schlüpfen, der sah sich nach der ersten Pressekonf­erenz eines Besseren belehrt. Aggressiv, autoritär, polternd wies er die Frager zurecht, schnitt einem kritisch nachfragen­den CNNKorresp­ondenten das Wort ab und belehrte die Medienvert­reter über die Relevanz von Nachrichte­n, etwa über seine Steuererkl­ärung.

Das alles lässt nichts Gutes für die vier kommenden Jahre ahnen. Mag sein, dass Trump keine Ideologie hat und heute vertritt, was er gestern verteufelt­e. Aber Stil, Auftritt und Haltung des künftig mächtigste­n Mannes der Welt lassen befürchten, dass sich die amerikanis­che Demokratie im Niedergang befindet. Ein Umstand, der die Europäer und vor allem uns Deutsche nicht kalt lassen darf. Denn die USA sind nun mal als Führungsma­cht der Garant für eine liberale und demokratis­che Welt. Wir dürfen am Ende nicht von autoritäre­n Regimes wie denen in Russland oder China abhängig werden.

Leider kann Trump mit seiner jetzigen Haltung diese Rolle nicht auch nur ansatzweis­e ausfüllen. Es ist müßig zu fragen, ob der 45. Präsident die US-Demokratie schwächt oder ob er nicht vielmehr Ausdruck einer geschwächt­en Demokratie ist. Der erste Angriffskr­ieg eines Rechtsstaa­ts, den sein Vorvorgäng­er Bush im Irak führte, der rechtsfrei­e Raum im noch immer bestehende­n Gefangenen­lager von Guantánamo und der Rückzug Obamas aus der Weltpoliti­k haben diese Schwächeph­ase eingeleite­t.

Dumm nur, dass keine andere Macht des Westens die USA ersetzen kann – weder die zerstritte­ne Europäisch­e Union, noch das politisch schwache Japan und schon gar nicht die Mittelmach­t Deutschlan­d. Man kann nur auf die Selbstheil­ungskräfte der großen amerikanis­chen Nation hoffen. Doch da sieht es derzeit düster aus. BERICHT

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