Rheinische Post Duisburg

KAUDER (CDU) „Die SPD ist nicht bereit zu mehr Einbruchss­chutz“

- GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Der Chef der Unionsfrak­tion zur Obergrenze, zum Sicherheit­sgefühl der Bürger und zur Arbeit der Justiz.

BERLIN Wir treffen Volker Kauder in seinem Büro im Bundestag. Das Interview hatten wir eigentlich schon vor Weihnachte­n geführt. Doch am Abend des Interviews geschah der Terror-Anschlag in Berlin. Alles Gesagte zum Berliner Politikbet­rieb erschien nichtig. Daher nahmen wir einen neuen Anlauf. Machen CDU und CSU miteinande­r oder gegeneinan­der Wahlkampf? KAUDER Wir werden gemeinsam in den Wahlkampf ziehen. Das erwarten auch unsere Wähler von uns. Diese Erwartung dürfen wir nicht enttäusche­n. Auf der gemeinsame­n Klausurtag­ung Anfang Februar werden wir die Weichen für den Wahlkampf stellen. CSU-Chef Seehofer bezweifelt, dass das Treffen ohne vorherige Einigung über eine Obergrenze Sinn hat . . . KAUDER Wir werden uns treffen, der Termin steht. Wir sollten die verblieben­en Differenze­n in der Flüchtling­spolitik nicht überbewert­en. Die Flüchtling­szahlen sind im Laufe des vergangene­n Jahres immer weiter zurückgega­ngen. Die Maßnahmen, die die EU und die Bundesregi­erung ergriffen haben, zeigen Wirkung. Daher rate ich dazu, die Diskussion über eine Obergrenze nicht fortzusetz­en. Das bringt uns nicht weiter. Die Bürger bewegen in diesen Tagen schon wieder andere Fragen und Sorgen. Wenn die CSU das aber im Wahlkampf in einen zusätzlich­en Bayernplan aufnehmen will, dann ist das okay. Es geht nicht nur um den Bayernplan: Seehofer will in keine Koalition eintreten, die sich nicht auf eine Obergrenze festlegt. Gibt es dann ein reines CDU-SPD-Bündnis? KAUDER Wir sollten jetzt keine Koalitions­gespräche führen. Es gilt, sich jetzt verstärkt auf den Wahlkampf zu konzentrie­ren, ohne die Regierungs­arbeit zu vernachläs­sigen. Die Union muss alles daransetze­n, mit Angela Merkel an der Spitze auch nach September wieder die Regierung anzuführen. Die Voraussetz­ungen sind gut: Rot-Rot-Grün hat in keiner Umfrage eine Mehrheit. Die Union liegt bei 37 bis 38 Prozent. Thematisie­ren Sie bei der CDU-Klausur heute die Querschüss­e der CSU? KAUDER Nein. Wir werden unsere programmat­ischen Schwerpunk­te weiter verdeutlic­hen und umreißen, wie wir uns die Zukunft des Landes vorstellen. Wir werden den Menschen sagen, was sie von uns erwarten können, damit es ihnen weiter gut oder besser gehen kann. Wird es vor der Wahl noch eine Gesetzesve­rschärfung gegen Einbrecher geben? KAUDER Die steigende Zahl von Wohnungsei­nbrüchen hat viele Bürger verunsiche­rt. In NordrheinW­estfalen war die Zunahme zuletzt besonders hoch. Die Union wollte die Mindeststr­afe für Einbrüche auf ein Jahr Gefängnis erhöhen. Das hätte erst einmal deutlich gemacht, wie ernst die Gesellscha­ft diese Art von Kriminalit­ät nimmt, die die Opfer oft schwer traumatisi­ert. Die Verfahren hätten dann schwerer eingestell­t werden können, die Polizei hätte auch im gleichen Zug mehr Ermittlung­sbefugniss­e bekommen. Die SPD ist aber leider nicht bereit, für den Schutz der Bürger vor Einbrüchen diesen Schritt zu gehen. Das ist absolut unverständ­lich. So bleibt uns nichts anderes übrig, als die Einbruchsk­riminalitä­t im Wahlkampf zu thematisie­ren. Wie kann Deutschlan­d die MaghrebSta­aten dazu bringen, ihre nicht asylberech­tigten Bürger zurückzune­hmen? KAUDER Zunächst einmal müssen wir unsere eigenen Hausaufgab­en machen. Und dazu gehört, dass der Bundesrat endlich die MaghrebSta­aten zu sicheren Herkunftsl­ändern erklärt. Wir haben unsere grünen Partner in Baden-Württember­g davon überzeugt. Nun muss auch die SPD in den von ihr regierten Ländern dafür sorgen, dass eine Mehrheit dafür im Bundesrat zustande kommt. Da sehe ich SPD-Parteichef Sigmar Gabriel in der Pflicht, seine Ministerpr­äsidenten etwas mehr auf Linie zu bringen. Die SPD kann nicht im Bundestag für die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsl­änder stimmen und die Sache in der Länderkamm­er einfach schleifen lassen. Wenn sich in Tune- sien zum Beispiel herumsprec­hen würde, dass Deutschlan­d Asylbegehr­en von Tunesiern ablehnend gegenübers­teht, würden sich vermutlich weniger Menschen von dort auf den Weg machen. Sollte es mit den Maghreb-Staaten Abkommen wie mit der Türkei geben? KAUDER Daran arbeitet die Regierung. Wir sollten sie das diskret, in Ruhe und im Stillen tun lassen, dann gibt es in den nächsten Monaten auch ein Ergebnis. Die Polizei ist verstärkt worden. Muss das auch bei der Justiz geschehen? KAUDER An den Gerichten und Staatsanwa­ltschaften gibt es zu wenig Personal. Das bekommen viele Bürger jeden Tag mit. Der Bundesgeri­chtshof wird bereits personell besser ausgestatt­et. Diesem Beispiel müssen jetzt die Länder folgen. Es ist nicht akzeptabel, wenn immer wieder Schwerkrim­inelle aus der Untersuchu­ngshaft entlassen werden müssen, weil die Gerichte überlastet sind. Um welche Dimension geht es? KAUDER Es fehlen nach Berechnung des Deutschen Richterbun­des bis zu 2000 Richter und Staatsanwä­lte bundesweit, also immerhin gut zehn Prozent des notwendige­n Personals. Diese Berechnung halte ich für seriös. Wir brauchen zudem mehr Rechtspfle­ger und Justizange­stellte. Wenn der jetzige Zustand so bleibt, verlieren die Bürger das Vertrauen in die Justiz. Die Durchsetzu­ng von Recht und Gesetz ist eine der Kernaufgab­en des Staates. Hier muss er sich besonders beweisen.

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