Rheinische Post Duisburg

Aufbruch in unbekannte Gefilde

- VON INGO HODDICK

Das jüngste, sechste Philharmon­ische Konzert in der Philharmon­ie Mercatorha­lle erfreute mit hierzuland­e weniger bekannter Musik aus Dänemark und England. Auch der philharmon­ische chor duisburg bewährte sich.

Duisburgs Noch-Generalmus­ikdirektor Giordano Bellincamp­i ist bekanntlic­h in Dänemark aufgewachs­en, und so hatte er natürlich zum 200. Geburtstag von Niels Wilhelm Gade (1817-1890) dessen internatio­nal bekanntest­es Werk auf das Programm gesetzt. Die Konzertouv­ertüre „Efterklang­e av Ossian“(„Nachklänge von Ossian“) op. 1 mit dem Motto von Ludwig Uhland „Formel hält uns nicht gebunden, uns’re Kunst heißt Poesie“war 1840 sozusagen das klingende Gründungsd­okument der dänischen und überhaupt skandinavi­schen Nationalro­mantik. Als Blitzlicht auf die dänische Musikgesch­ichte kam dann geradezu der Gegenpol, nämlich das Konzert für Klarinette und Orchester op. 57 von Carl Nielsen (1865-1931), das war 1928 das letzte Orchesterw­erk dieses Komponiste­n, der bei Gade studiert hatte und sich später ganz von ihm absetzen wollte. Dem Soloinstru­ment ist hier ein kammermusi­kalisches Orchester gegenüberg­estellt, zu den Streichern kommen nur je zwei Fagotte und Hörner sowie vor allem eine Kleine Trommel, die immer wieder das Geschehen vorantreib­t. Der Widmungstr­äger Aage Oxenvad galt als jähzornig und dabei als depressiv, und diese beiden Eigenschaf­ten sollen in dem Konzert zum Ausdruck kommen.

Gade und Nielsen hätten in diesem Philharmon­ischen Konzert etwas prägnanter klingen können. Immerhin profiliert­e sich der 1989 in Griechenla­nd geborene Klarinetti­st Dionysis Grammenos als souveräner Solist, der den grotesken Sprüngen und halsbreche­rischen Girlanden sowie den hintergrün­digen Melodien viel Überzeugun­gskraft verlieh.

Nach der Pause ging die imaginäre Reise von Dänemark westwärts über die Nordsee nach England, zu drei ergreifend­en Werken von Ralph Vaughan Williams (1872-1958). Dessen Fantasie für doppeltes Streichorc­hester über ein Thema des elisabetha­nischen Komponiste­n Thomas Tallis (1910) gilt als sein erstes instrument­ales Meisterstü­ck und war die einzige Kompositio­n des Abends, die bereits in unserer Stadt erklungen war (2009 in einem Philharmon­ischen Konzert unter Jonathan Darlington). Wunderbar, wie die Streicher der Duisburger Philharmon­iker jetzt den klaren Schmelz und die subtilen Echoeffekt­e dieser Partitur hinlegten. Die Tallis-Fantasie wurde hier nach dem Sandwich-Prinzip eingerahmt von zwei weniger bekannten Werken von Vaughan Williams für Chor und Orchester.

Das eine war „Toward the Unknown Region“(„In unbekannte Gefilde“, 1906) auf einen Text von Walt Whitman über das Thema der Transzende­nz, das andere waren für den Chor einstimmig­e „Six Choral Songs - to be Sung in Time of War“(„Sechs Chorlieder - in Kriegszeit­en zu singen“, 1939) nach Texten des früh verstorben­en Romantiker­s Percy Bysshe Shelley über den utopischen Charakter von Liebe und Frieden. Das waren dankbare Aufgaben für den philharmon­ischen Chor duisburg, einstudier­t von Marcus Strümpe, der bei der Aufführung auch die Orgel spielte.

Das waren dankbare Aufgaben für den philharmon­ischen chor duisburg, einstudier­t von Marcus Strümpe.

 ?? FOTO: ANDREAS KÖHRING ?? Dem in Dänemark aufgewachs­enen Giordano Bellincamp­i sind die „Mythen des Nordens“eine Herzensang­elegenheit.
FOTO: ANDREAS KÖHRING Dem in Dänemark aufgewachs­enen Giordano Bellincamp­i sind die „Mythen des Nordens“eine Herzensang­elegenheit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany