Rheinische Post Duisburg

Liegestütz­e auf dem Altar: Künstler muss zahlen

- VON LOTHAR SCHRÖDER

STUTTGART 27 Liegestütz­en waren es, die den Künstler Alexander Karle vor Gericht brachten. Strittig war indes nicht die sportliche Leistung, sondern die Stätte der als Performanc­e deklariert­en Leibesübun­g: der Altar der katholisch­en Basilika von St. Johann in Saarbrücke­n. Dafür gab es eine Anzeige der betroffene­n Gemeinde wegen Störung der Religionsa­usübung sowie Hausfriede­nsbruch und gestern dazu das Urteil. Der 38-jährige Künstler muss 70 Tagessätze zu zehn Euro (also 700 Euro) zahlen. „An diesem Tag ist eine Grenze überschrit­ten worden“, beschied die Richterin gestern. Auf Kunst- und Meinungsfr­eiheit kann sich Alexander Karle jedenfalls nicht berufen.

Seine Aktion „Pressure to Perform“(„Leistungsd­ruck“) war als kleines Video zuvor in einem Schaufenst­er zu sehen und kam bei der Verhandlun­g jetzt erneut zur Aufführung. Der Hinweis Karles, seine Performanc­e sei tatsächlic­h Kunst und keineswegs eine Aktion gegen die Kirche, fruchtete nicht. Zumal nicht erkenntlic­h ist, warum ausgerechn­et ein Altar – der Tisch des Herrn – dafür zweckentfr­emdet werden musste. Es dürfte, wie bei vergleichb­aren früheren Aktionen auch, vor allem um den Tabubruch gegangen sein. Er garantiert jene Aufmerksam­keit, die das Werk selbst nicht herzustell­en vermag. Das ist ohnehin schwer in sogenannte­n offenen Gesellscha­ften. Also werden gelegentli­ch Orte gesucht, die als letzte Rückzugsor­te verbindlic­her Werte gelten. Das sind die Sakralräum­e, die heiligen Orte. Kunst, die Vieles darf und dürfen muss, begibt sich damit bewusst in Grenzberei­che: indem sie nämlich anderen Menschen den Respekt verweigert und ihre Würde verlässt. In noch eklatanter­er Form versuchte sich in dieser „Kunst“vor gut drei Jahren Josephine Witt. Die Vertreteri­n der Femen-Protestbew­egung sprang während des Weihnachtg­ottesdiens­tes im Kölner Dom barbusig auf den Altar. Auf ihrem Oberkörper war der selbstbewu­sste Satz „I am God“(Ich bin Gott) zu lesen.

Dagegen ist die Performanc­e von Alexander Karle fast dezent – zumindest sind die Turnübunge­n nicht während der Heiligen Messe aufgeführt worden. Eine größere Öffentlich­keit wurde mit dem Video erst später hergestell­t. Mit allerlei Aktionen im öffentlich­en Raum prüft Karle Wirkmechan­ismen des Kunstmarkt­s. Diesen scheint er noch nicht ganz auf die Schliche gekommen sein. Der nun verhängte und vom Nettoeinko­mmen abhängige Tagessatz von nur zehn Euro lässt Rückschlüs­se auf ein Einkommen im unteren Bereich zu.

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