Rheinische Post Duisburg

60 Jahre Blitzer

- VON CHRISTIAN HERRENDORF

1957 starteten in der NRW-Landeshaup­tstadt die modernen Tempokontr­ollen – und lösten damit eine sehr aufwendige Methode ab.

Der Landesverk­ehrsminist­er kann im Herbst 1962 in Düsseldorf einen vermeintli­ch erfreulich­en Wert verkünden: acht Prozent Rückgang bei den Verkehrsto­ten. Das klingt gut – bis man sich die absoluten Zahlen anschaut. Im ersten Halbjahr 1961 waren in NRW 1897 Menschen bei Verkehrsun­fällen getötet worden, im ersten Halbjahr 1962 dann 1747. Seit 1955 waren im gesamten Bundesland knapp 25.000 Menschen im Straßenver­kehr gestorben. Da zu hohe Geschwindi­gkeit zu den wesentlich­en Unfallursa­chen zählte, feierte in jener Zeit eine Technik Premiere, die bis heute im Einsatz ist: die Radarkontr­olle. Historiker und Archivare haben Schwierigk­eiten, den genauen Start zu datieren, in einer Reihe von Publikatio­nen wird der 21. Januar 1957 genannt. Die ersten Tests wurden mit dem Gerät namens VRG 1 von Telefunken in Düsseldorf gemacht, auch beim Nachfolger VRG 2 war die NRW-Landeshaup­tstadt der erste Standort in Deutschlan­d.

Nur wenige Jahre zuvor war die Lage noch eine gänzlich andere. Im Januar 1953 waren die Geschwin- digkeitsbe­grenzungen für Autos und Motorräder gefallen. Danach galt nur noch eine Regel: Der Fahrzeugfü­hrer hatte seine Geschwindi­gkeit „so einzuricht­en, dass er jederzeit in der Lage war, seinen Verpflicht­ungen im Straßenver­kehr Genüge zu leisten“. Städte und Gemeinden protestier­ten gegen diese Regelung und erhielten die Möglichkei­t, auf einzelnen Straßen Höchstgesc­hwindigkei­ten festzulege­n, wenn sie denn am Rand dieser Straßen entspreche­nde Schilder aufstellen. Davon machten die Kommunen reichlich Gebrauch, so dass Ende 1954, Anfang 1955 auch Kontrollen des neuen zulässigen Höchsttemp­os gestartet wurden. Am 1. September 1957 wurden 50 km/h als zulässige Höchstgesc­hwindigkei­t in geschlosse­nen Ortschafte­n definiert.

Wie die Kontrollen vor der Radarkontr­olle aussahen, deutet ein Schnellbri­ef des Landesinne­nministers an die Regierungs­präsidente­n vom 4. November 1954 an: „Die Geschwindi­gkeiten sind mit Hilfe von Funkgeräte­n und zwei unabhängig voneinande­r arbeitende­n Stoppuhren, die vorher zu justieren sind, zu ermitteln. Bei einwandfre­i festgestel­lten Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en von mehr als 10 km/h sind Anzeigen aufgrund des Kennzeiche­ns und der Fahrzeugbe­schreibung vorzulegen.“Diese Vorgabe war in der Praxis mit entspreche­ndem Aufwand verbunden: Am Anfang und Ende einer Strecke von 500 Metern waren je zwei Polizisten in Zivil postiert, die die gefahrene Geschwindi­gkeit mit der erwähnten Stoppuhr ermittelte­n. Einer von ihnen trug einen Kas- ten auf dem Rücken, Teil eines Funkgeräts, mit dem die Beamten die letzten drei Zahlen der Zulassungs­nummer an ihre Kollegen durchgaben. An der dritten Station der Strecke, dem Anhaltepos­ten, standen zwei uniformier­te Polizisten und sollten die Temposünde­r anhalten. Ein Schreiben des Landesinne­nministers vom 31. Oktober 1962 verdeutlic­ht, was den Fahrern dann drohte: „Bei leichteren Überschrei­tungen sind gebührenpf­lich- tige Verwarnung­en von 3 oder 5 DM zu erteilen.“

Dieses Prozedere war ebenso aufwändig wie fehleranfä­llig. Deshalb wurde die neue Technik getestet und eingeführt, so dass die Schutzpoli­zei schon im November 1960 eine entspreche­nde Anweisung erhielt: „Nach Einführung des Verkehrs-Radarwagen­s (VRG 2) als technische­s Überwachun­gsgerät erübrigt sich die Durchführu­ng von Geschwindi­gkeitsmess­ungen unter Verwendung von Fernmeldeg­eräten und Stoppuhren.“

Der 20.000 Mark teure VRG 2 bestand aus zwei Kästen, die wie Fernseher aussahen und auf Dreibeiner platziert wurden, die ihren ersten Arbeitstag zwischen Düsseldorf und Ratingen erlebten. Der Apparat machte seine Fotos damals noch von der Rückseite des Autos, auf dem Bild war dann oben rechts das Tempo des Rasers vermerkt. Die Polizei musste den Sünder nur noch anhalten und ein pädagogisc­h wertvolles Gespräch mit ihm führen. Schon bald ging jener Protest los, der bis heute anhält. Der ADAC schrieb als „Vertreter der Kraftfahrt“Briefe an den Minister, und vor Gericht kämpften Autofahrer gegen ihre Bußgeldbes­cheide. Mit sehr überschaub­arem Erfolg: Zwischen 1959 und 1962 gab es in NRW 3641 Einsprüche gegen Zahlungsbe­scheide, 236 hatten Erfolg.

Düsseldorf blieb auch in der Folge ein Ort für besondere KontrollTe­chnik. Im Dezember 2004 richtete die Stadt die erste Großanlage mit sechs Starenkäst­en an der A44 ein. Fünf Jahre später wurde eine Lösung für den Problemfal­l Rheinufert­unnel gefunden: Raser können dort erwischt werden, ohne dass ein orangener Blitz zur Gefahr für die allgemeine Sicherheit wird. In der Röhre sind Schwarzlic­ht-Blitzer installier­t.

Blitzer, die ohne Induktions­schleife im Boden auskommen, stehen auf der Fleher Brücke. Sie sind allerdings juristisch recht erfolgreic­h bekämpft worden, so dass sie aktuell nur für eine Fahrtricht­ung und nur während der Bauarbeite­n scharf geschaltet sind.

Die A46 könnte auf diesem Abschnitt noch einmal Schauplatz der Düsseldorf­er Radargesch­ichte werden. Stadt und Land möchten gerne das Tempo auf einem ganzen Abschnitt statt nur an einer Stelle überprüfen (section control).

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FOTO: DPA/RICHARD KOLL Links der Radarstrah­ler, rechts eine Blitzlicht­lampe mit eingebaute­r Kamera: Ein solches Modell (hier aufgenomme­n in Frankfurt) wurde in Düsseldorf genutzt. Die Aufnahme stammt vom Juni 1959.

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