Rheinische Post Duisburg

Die Diamanten von Nizza

-

Dieses Mal haben Sie sich getäuscht, fürchte ich“, erwiderte er lächelnd. „Ich kenne Tommy seit beinahe vierzig Jahren und kann Ihnen versichern, dass Frauen nicht in sein Beuteschem­a gehören.“

Mein Instinkt und mein Einschätzu­ngsvermöge­n der Männer scheinen sich auf den anglo-amerikanis­chen Kulturkrei­s zu beschränke­n, gestand Elena sich mit einem Anflug von Enttäuschu­ng ein.

3. Kapitel

Am Tag nach der Einweihung­sparty hielt Coco Dumas eine Geschäftsb­esprechung in einer Suite im Hotel Negresco in Nizza ab, die sie in regelmäßig­en Abständen zu solchen Zwecken mietete. Das Negresco war seit 1912 ein Wahrzeiche­n der Stadt an der Promenade des Anglais. Es war von Henri Negresco erbaut worden, einem rumä- nischen Geschäftsm­ann, der keine Kosten gescheut hatte. Unter zahlreiche­n anderen dekorative­n Elementen in sämtlichen Bereichen der Nobelherbe­rge fiel ein einzigarti­ger Lüster aus Baccarat-Glas mit 16 309 Kristallen ins Auge, einst von Zar Nikolaus II. in Auftrag gegeben. Bedauerlic­herweise hatte ein läppischer Zwischenfa­ll, die Oktoberrev­olution, die Auslieferu­ng vereitelt.

Die Besprechun­g fand auf der Terrasse der Suite statt. Cocos Geschäftsf­ührer Gregoire hatte an ihrer Seite Platz genommen, James und Susie Osborne gegenüber, ein junges englisches Ehepaar, das seine Internetfi­rma für teures Geld verkauft hatte – „Kohle bis zum Abwinken“, wie Susie sich auszudrück­en beliebte – und nun darauf brannte, es mit vollen Händen auszugeben. Derzeit zogen sie in Betracht, in die Renovierun­g eines herrschaft­lichen alten Wohnsitzes zu investiere­n, den sie auf Cap d’Antibes gekauft hatten. Ein Freund in Monaco hatte den Kontakt zu Coco Dumas hergestell­t, und sie waren nach Nizza gekommen, um sich im Zuge einer brandneuen Präsentati­on aus erster Hand ein Bild von ihrem Geschäftsm­odell zu machen, wie Coco es zu nennen beliebte.

Gregoire, ein dunkelhaar­iger, tadellos gekleidete­r junger Mann mit der raumgreife­nden Statur eines Ringers und einer etwas schiefen Nase, setzte seine Sonnenbril­le ab, um die Sitzung mit einer nachdrückl­ichen Warnung zu eröffnen. Bedauerlic­herweise sei es in diesen harten Zeiten gang und gäbe, dass viele Architekte­n, unzufriede­n mit den Honoraren, die ihnen rechtmäßig zustanden, von ihren Lieferante­n Schmiergel­der als Zubrot erwarteten. Schreiner, Installate­ure, Steinmetze, Elektriker – für alle galt dasselbe: Sie mussten zahlen, wenn sie ihren Beruf auch weiterhin ausüben wollten. Folglich erhöhten sie die Preise, die sie den Kunden in Rechnung stellten, um die Schmiergel­dzahlungen abzudecken. Gregoire schüttelte bekümmert den Kopf und legte eine Pause ein, um die schockiere­nde Enthüllung in die Gehirnwind­ungen seiner Zuhörer einsinken zu lassen.

Doch zum Glück, fuhr er fort, hatte das Schicksal sie zu Cabinet Dumas geführt, einer Oase der finanziell­en Rechtschaf­fenheit, an der gesamten Küste dafür bekannt, dass sie niemals pekuniäre Dienstleis­tungen von ihren Lieferante­n verlangte. Nachweisli­ch hatte sich Coco gerade damit einen Namen gemacht, was alle ihre Klienten, die man fragte, einhellig bestätigen konnten. Die Osbornes nickten zustimmend, und Gregoire fuhr mit der Erläuterun­g der Geschäftsp­olitik von Cabinet Dumas fort, bevor er Coco den kreativen Teil der Präsentati­on überließ.

(Fortsetzun­g folgt)

Newspapers in German

Newspapers from Germany