WILLKOMMEN AN BORD
booten. In einem Seitenkanal steuert Expeditionsleiter Ignacio Rojas ein paar Äste an, die aus dem Wasser ragen. Zwei Leguane und ein Faultier haben sich dort vor den Fluten gerettet. Was aussieht wie Gebüsch, sind in Wirklichkeit mächtige Baumkronen. „Der Rest der Urwaldriesen ist unter Wasser verborgen“, sagt Rojas.
Obwohl die Artenvielfalt unermesslich ist, kann keiner sagen, wie viele Pflanzen und Tiere verschwinden werden, noch ehe sie entdeckt wurden. Denn bis heute ist laut World Wide Fund For Nature (WWF) schon fast ein Fünftel des Amazonas-Regenwaldes durch Abholzung und Brandrodung zerstört worden.
Wo immer die Hanseatik ankert, kommen bald Einheimische in Holzkanus zum Schiffsheck, um mit der Besatzung Handel zu treiben. Bananen, Kokosnüsse, auch lebende Hühner werden eingetauscht gegen Dinge, die im Regenwald nur schwer zu beschaffen sind: Plastikkanister, T-Shirts, Schuhe, Modemagazine. In der tropischen Hitze des Dschungels wirkt selbst eine Metropole wie Manaus nur mehr wie der verblasste Traum jener Kautschukbarone, denen die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts ihren raschen Aufstieg zu verdanken hatte. Reiche Plantagenbesitzer ließen Baumeister samt Material direkt aus Europa kommen, um üppige Paläste wie das Tea- tro Amazonas zu errichten, ein Opernhaus voller Plüsch und Pomp. Ein Schauspiel ist Manaus allerdings geblieben: Das Treffen der Wasser. So nennt sich der optisch spektakuläre Zusammenfluss des dunklen Rio Negro mit dem hellen, lehmbraunen Rio Solimões, wie der Amazonas an dieser Stelle heißt. Mehrere Kilometer fließen beide nebeneinander her, ohne dass sich ihre Gewässer vermischen.
In Geduld üben müssen sich hier auch die Angler unter den Gästen, obwohl Piranhas eigentlich als überaus gefräßig, aggressiv und blutrünstig gelten. Doch es dauert eine ganze Weile, bis der erste Piranha am Haken hängt. Nur fürs Foto zum Angeben daheim versteht sich. Danach darf das Fischlein wieder zurück in den Amazonas. Bei so beißfaulen Piranhas trauen sich bald die Ersten für ein kurzes Bad ins Wasser. Zu verlockend ist der weiße Sandstrand mit den roten Sonnen- schirmchen bei Praia Grande. Der helle Muschelkalk vieler Strände hier stammt noch vom Ur-Amazonas, aus einer Zeit, als der riesige Kontinent Godwana auseinanderbrach und sich Südamerika und Afrika formten. Wissenschaftler vermuten, dass der Amazonas durch die Entstehung der Anden nicht mehr in den Pazifik fließen konnte und so seine Richtung wechseln musste. Geblieben sind aber viele für einen Süßwasserfluss recht exotische Tiere wie Seekühe und Delfine, die auch noch mehr als 4000 Kilometer vom Meer entfernt vorkommen.
Wobei Exotik oft nur eine Frage des Standorts ist. Denn ein Vergnügungsfest mit bayerischem Mittagsbuffet wirkt auf einer Amazonaskreuzfahrt vermutlich fast so exotisch wie die Fahrt durch den Dschungel selbst. So ein Bayern-Event findet traditionell auf jeder Hanseatic-Reise statt und ist bei Stammgästen so beliebt, dass manche dafür sogar ihre Tracht dabeihaben. Die Schiffskapelle singt dann Bierzeltlieder, mehr als hundert Passagiere grölen mit: „Wahnsinn, warum schickst Du mich in die Hölle? Hölle! Hölle! Hölle! Hölle!“Nur Kapitän Gerke singt nicht mit, denn durch die Hölle schickt er sein Schiff nur einmal pro Reise. Die Redaktion wurde von Hapag Lloyd zu der Reise eingeladen.