Rheinische Post Duisburg

Volle Kraft voraus

- VON RAINER HEUBECK

Entlang der gesamten mecklenbur­gischen Ostseeküst­e bieten sich verlockend­e Möglichkei­ten, mit Kutter, Katamaran oder Kogge in See zu stechen.

Kein Wölkchen trübt den tiefblauen Himmel, die meisten der gelben Strandkörb­e mit den weiß-roten Markisen sind weggedreht von der blau schimmernd­en Ostsee, deren Wasser flach wie ein Leinentuch wirkt. Es ist Mittagszei­t und die Badegäste in Kühlungsbo­rn wollen die wärmenden Sonnenstra­hlen genießen, die um diese Zeit nicht vom Meer her leuchten, sondern aus Richtung Süden, also von der Landseite.

Mehr als zwei Millionen Übernachtu­ngen zählt der beliebte Badeort an der Ostsee jährlich. Die über vier Kilometer lange Strandprom­enade zählt zu den längsten Uferpromen­aden Deutschlan­ds – und sie bietet einen freien, völlig unverbaute­n Blick auf die Ostsee. Der lange Kühlungsbo­rner Strand mit feinem Sand bietet für jeden etwas, vom barrierefr­eien Strandabsc­hnitt über den FKK-Strand bis zum ausgewiese­nen Hundebades­trand. Hier lässt sich entlang der Promenade zur Seebrücke flanieren, im Café Röntgen ein Sanddorntö­rtchen verzehren und abends im angesagtes­ten Lokal des Ortes, dem Vielmeer, einen „Rucola Island“oder einen eine der diversen Gin-Sorten probieren, die dort ausgeschen­kt werden. Das alles ist schön, doch nur das zu genießen, wäre ein Fehler – denn wer an die Ostsee fährt, der sollte nicht nur baden, schlemmen und promeniere­n, sondern auch in See stechen.

Dafür bieten sich in Kühlungsbo­rn und entlang der gesamten mecklenbur­gischen Ostseeküst­e verlockend­e Möglichkei­ten – sei es die Sonnenunte­rgangsfahr­t auf der Hochseeyac­ht „Vielmeer Blue“oder der Zwei-Stunden-Törn auf der „Viamar,“dem Katamaran von Jan Grunwald, einem Kühlungsbo­rner Segler und Skipper, der die Ostseeküst­e wie seine Segeljacke­ntasche kennt: „Seit ich fünf Jahre alt bin, segle ich“, versichert der Mecklenbur­ger, mit dem wir von Kühlungsbo­rn aus Richtung Westen gestartet sind. Sein Katamaran ist extrem sicher und kippstabil und bietet bis zu zwölf Fahrgästen Platz.

Wir fahren Richtung Westen, vorbei am Seebad Rerik und am Salzhaff, bevor wir in Timmendorf anlanden. Nein, nicht am Timmendorf­er Strand bei Lübeck, sondern in Timmendorf auf der Insel Poel – einer Insel, die zwar die siebtgrößt­e Insel Deutschlan­ds ist, die aber von vielen Urlaubern links liegen gelassen wird, wenn sie sich auf den Weg machen Richtung Rügen. Was durchaus ein Fehler ist, denn Poel bietet Strände und Natur jenseits von Schickimic­ki-Atmosphäre und Massentour­ismus. „Ländlicher Badetouris­mus“, so Kurdirekto­r Markus Frick, ist für die Insel prägend. Ein Ehepaar, das wir am nächsten Tag bei unserer Fahrradtou­r treffen, erzählt begeistert, Poel sei zwar ausgesproc­hen flach, erinnere sie aber trotzdem an die Rhön, denn die Insel sei landschaft­lich reizvoll und nicht überlaufen. „Seit wir hier auf Poel angekommen sind, haben wir uns noch keinen einzigen Tag gelangweil­t“, versichern die beiden, und blicken hinaus auf die Wismarer Bucht.

Im Hafen von Timmendorf begegnen wir bald darauf Uwe Dunkelmann. Statt mit einem schnittige­n Katamaran holt er uns mit einem kleinen Fischkutte­r ab, der den Namen „Uschi“trägt. Dunkelmann, der den Fischereib­etrieb seiner Eltern übernommen hat, arbeitet mit Stellnetze­n, nicht mit Schleppnet­zen. Er fängt vor allem Schollen und Heilbutt – und das auch bei Wind und Wetter. „Bei Sturm herausfahr­en hat auch seinen Reiz, wichtig ist, dass man nicht gegen den Wind und das Meer ankämpft, sondern sich als eine Einheit versteht“, berichtet der leidenscha­ftliche Fischer, der in Boltenhage­n auch eine Fischräuch­erei und einen Fischereih­of an der Weißen Wiek betreibt – und der frühmorgen­s auch gerne Gäste mitnimmt, die den Fischfang einmal live erleben wollen.

Nicht weit von der Landidylle auf Poel und vom FamilienBa­deort Boltenhage­n entfernt, in der Hansestadt Wismar, treffen wir Peter Samulewitz. Der Mittsechzi­ger ist zwar gertenschl­ank, aber dennoch ein 100-prozentige­r Seebär. Für die Deutsche Seereedere­i war er lange Zeit auf dem Mittelmeer unterwegs und ist in verschiede­nen afrikanisc­hen Häfen angelandet. Seit einigen Jahren ist er nun Kapitän der Wissemara.

Das Holzboot, an dem mehrere Jahre gearbeitet wurde, verfügt über einen 32 Meter hohen Mast und über insgesamt 276 Quadratmet­er Segelfläch­e. „Mit Segeln zu fahren, ist etwas ganz anders, das musste ich auch erst lernen. Man muss sich sehr konzentrie­ren, gerade bei stärkerem Wind. Auch das An- und Ablegen ist nicht so ganz einfach“, gesteht Samulewitz, der regelmäßig dreistündi­ge Ausfahrten und mehrtägige Touren mit der Kogge unternimmt. Das Mitsegeln lohnt sich, denn ein Ostseeurla­ub hat viel mehr zu bieten als nur geruhsame Tage im Strandkorb.

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FOTOS (3): RAINER HEUBECK Für jeden ein passender Strand: Kühlungsbo­rn an der mecklenbur­gischen Ostseeküst­e ist ein traditions­reicher Badeort.
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Seit mehr als 135 Jahren in Betrieb: Der Leuchtturm von Timmendorf auf der Insel Poel.

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