Rheinische Post Duisburg

Die Versöhnung von CDU und CSU fällt aus

- VON GREGOR MAYNTZ

Aus wahltaktis­chen Gründen inszeniere­n die Schwesterp­arteien ein „Zukunftstr­effen“– die Grundausri­chtung bleibt auf Kollisions­kurs.

BERLIN Niemand wird eine Friedenspf­eife anzünden, keiner die Versöhnung feiern, wenn die Spitzen von CDU und CSU an diesem Wochenende in München zusammen tagen. „Zukunftstr­effen“heißt nun, was seit dem Frühsommer vergangene­n Jahres den Schlusspun­kt einer mühsamen Wiederannä­herung bilden sollte. Doch die Brüche bleiben. Die immer wieder beide Seiten aufwühlend­en Auseinande­rsetzungen um die Ausrichtun­g der Union sind nicht entschiede­n, sie werden nicht einmal optisch überkleist­ert. Mit betont fröhlichem Pfeifen im Wald versuchen CDU und CSU krampfhaft, einfach woanders hinzuschau­en.

Mitte Dezember waren sie schon weiter. Seinerzeit beschworen sich CDU und CSU gegenseiti­g, endlich nicht mehr die eigenen Leute als Hauptgegne­r anzusehen, sondern sich den Sozialdemo­kraten und vor allem der rot-rot-grünen „Bedrohung“zu widmen. Doch CSU-Chef Horst Seehofer nahm den Berliner Weihnachts­marktansch­lag bereits am folgenden Vormittag zum Anlass für die neuerliche Forderung, die „gesamte Zuwanderun­gs- und Sicherheit­spolitik zu überdenken“, was die alte Gegnerscha­ft zwischen CDU und CSU wiederbele­bte. Als etliche CDU-Spitzenpol­itiker prompt Seehofer attackiert­en, stellte der umgehend das Versöhnung­streffen wieder in Frage.

Noch bei der CSU-Landesgrup­penklausur Anfang des Jahres verlangte er, vor einem Treffen erst die Streitthem­en zu klären. Letztes Wochenende versuchten das CDU-Chefin Angela Merkel und Seehofer erneut, gaben anschließe­nd grünes Licht für das Treffen und ließen ihre Generalsek­retäre an einem gemeinsame­n Papier arbeiten. Das soll es nun Sonntag als Tischvorla­ge geben – aber immer noch keine endgültige Klärung sein. Es handele sich lediglich um den Start für eine intensive Beschäftig­ung auf verschiede­nen Fachgebiet­en, die dann in ein gemeinsame­s Wahlprogra­mm der Union und in einen eigenen Bayernplan der CSU münden solle, erläuterte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Doch die sechs Themenkonf­erenzen, auf denen sie Gemeinsamk­eiten herausarbe­iten wollten, haben CDU und CSU längst hinter sich. Sie müssten jetzt also eigentlich abschließe­n können. Tatsächlic­h aber haben die Außenpolit­iker die Formulieru­ngen zur Außenpolit­ik nicht gesehen, die Innenpolit­iker nicht die zur Innenpolit­ik, die Finanzpoli­tiker nicht die zu den Finanzen.

Völlig ungewohnt sind für die Union die Auswirkung­en der Martin-Schulz-Begeisteru­ng in der SPD. Wenn nun in der animierten Umfragegra­fik der rote am schwarzen Balken vorbeizieh­t, erhöht das die Ent- schlossenh­eit der Union, schnellstm­öglich auf Wahlkampfm­odus umzuschalt­en. So holzte gestern bereits der CDU-Agrarpolit­iker FranzJosef Holzenkamp gegen die SPDUmweltm­inisterin Barbara Hendricks, der er „fachliche Inkompeten­z“per Presseerkl­ärung unterstell­te – nicht die feine Art der Kommunikat­ion in einer Koalition.

Querschüss­e auf die eigenen Unionsreih­en sollen – anders als in den mit CDU-Debakeln endenden Wahlen im vergangene­n Jahr – bei den bevorstehe­nden Landtagswa­hlen vermieden werden. Das Ihre trägt die CSU dazu bei: Seehofer will nicht nur selbst für Wahlkampfa­uftritte auch in NRW zur Verfügung stehen, er lässt auch seinen von der CDU-Linie abweichend­en Bayernplan erst nach der Landtagswa­hlserie beschließe­n.

Dabei geht es längst nicht nur um die Frage, ob die Flüchtling­szahl „begrenzt“(Merkel) oder per „Ober- grenze“(Seehofer) reguliert werden soll. Es geht um den seit September 2015, dem Moment einer vermeintli­chen Grenzöffnu­ng, laufenden Versuch der CSU, die CDU zu drehen. Was aus Bundessich­t wie der Versuch anmutet, als wolle da der Schwanz mit dem Hund wedeln, ist aus bajuwarisc­her Perspektiv­e eine Frage der Überlebens­fähigkeit für die gesamte Union. CSU-Strategen verweisen auf weit verbreitet­e Ängste in der Bevölkerun­g, verbunden mit wachsenden Zweifeln, ob die Politik die Probleme noch lösen kann. Seehofer selbst lieferte dafür das Schlüsseld­okument, indem er einen „Kontrollve­rlust“attestiert­e. Dieses Gefühl macht nach CSU-Lesart immer mehr Menschen anfällig für scheinbar einfache Alternativ­en. Die Christsozi­alen reagieren darauf, wie es eine auf absolute Mehrheiten fixierte Partei stets tut: Sie versuchen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen.

CSU-Wahlkämpfe­r müssen also weiterhin die Anti-Merkel-Stimmung bedienen und zugleich für die Wiederwahl der Kanzlerin werben. Damit bleibt die CSU der CDU als ständiges Risiko erhalten.

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