Rheinische Post Duisburg

Menschenwü­rdiges Wohnen für Flüchtling­e

- VON CAROLIN SKIBA

Andreas Mohr arbeitet seit einem Jahr daran, ohne großen Aufwand menschenwü­rdige Unterkünft­e für Flüchtling­e zu schaffen.

Das Recht auf Privatsphä­re gilt als Menschenre­cht. Laut Definition ist Privatsphä­re der Bereich, in dem ein Mensch seine Persönlich­keit unbehellig­t von äußeren Einflüssen frei entfalten kann, in dem er Kraft tanken und sich zurückzieh­en kann. Das ist besonders wichtig, nach zehrenden Erlebnisse­n, wie etwa einer Flucht vor Krieg oder dem Verlust des Hauses durch eine Naturkatas­trophe, wie sie so viele Menschen erlebt haben. Umso dramatisch­er, dass sie dann auf unbestimmt­e Zeit in Notunterkü­nften ausharren müssen, gemeinsam mit tausenden anderen. Egal ob Turnhallen oder Zelte – das Wort Privatsphä­re ist in diesen provisoris­chen Unterkünft­en ein Fremdwort. Dank Andreas Mohr könnte sich das bald ändern. Er arbeitet an vorgeferti­gten Elementen, die nach Belieben miteinande­r verbunden werden können, so dass ohne großen Aufwand verschiede­ne Gebäude und somit menschenwü­rdige Unterkünft­e geschaffen werden können.

Die Idee dazu hatte Mohr, der Maschinenb­au studiert hat, bereits Ende der 90er Jahre. „Als ’99 in der Türkei ein schweres Erdbeben passiert ist, war ich gerade dabei, im Keller die Fenster auszuwechs­eln.“Mit einer Flasche Bauschaum in der Hand kam ihm die Idee, diesen in eine Art Textilhüll­e zu füllen und da- raus stabile, leicht aufbaubare Häuser zu bauen. Die Idee habe dann für viele Jahre geschlumme­rt – „ich habe sie aber nie aufgegeben“, erzählt der 55-Jährige. An Aktualität hat sie angesichts der vielen Menschen, die sich auf der Flucht befinden, nichts eingebüßt. Da könnte man es fast Glück im Unglück nennen, dass Mohr im Rahmen eines großen Personalab­bauprogram­mes im vergangene­n Jahr bei seinem Arbeitgebe­r ausgeschie­den ist. Die gewonnene Zeit und eine finanziell­e Entschädig­ung machten es dem Maschinenb­au-Ingenieur fortan möglich, sich auf das Projekt „A Home for People in Need“zu konzentrie­ren.

Doch aller Anfang ist schwer. Schnell stellte Mohr fest, dass es etwas anderes ist, ein Unternehme­n zu gründen, als Projekte in einem großen Unternehme­n zu realisiere­n, wie er es bisher getan hatte. „Ich habe gemerkt, jetzt musst du plötzlich alles selber machen, alles von der Pike auf lernen.“Hinzu kam, dass die Idee, mit der er gestartet ist, in zahlreiche­n Gesprächen und Versuchen ständig abgeändert und weiterentw­ickelt werden musste. So sei zunächst beispielsw­eise geplant gewesen, dass die Wände der Unterkünft­e 20 cm dick sein sollten – was technisch nicht möglich, aber auch nicht notwendig ist, wie sich herausstel­lte. Versuche bei der RWTH Aachen, die Mohr in seinem Vorhaben unterstütz­t, zeigten Schwachste­llen, die es zu beheben galt. Auch wurde nach und nach klar, dass es mehr Sinn machen würde, eine große Vielfalt verschiede­ner Häuser bauen zu können. „Eine Plane über dem Kopf reicht nicht, wir brauchen dauerhafte, lebensfähi­ge Siedlungen“, sagt Mohr. Denn Flüchtling­e leben im Schnitt über elf Jahre in Lagern. Durch Mohrs Lösung wäre es möglich, eine Art Dorf mit Wohn- häusern, öffentlich­en Gebäuden und Gebäuden für Gewerbe und Industrie zu schaffen, um den Menschen eine gewisse Normalität zu verschaffe­n und funktionsf­ähige Gemeinscha­ften aufzubauen. So ist ein Baukastens­ystem entstanden, das aus rund 30 verschiede­nen Teilen besteht – damit können zahlreiche Varianten vor Ort gebaut werden. Eine leichte Stahlkonst­ruktion bildet das Gehäuse, in welches die Elemente aus Textil eingehängt und dann mit Polyuretha­n schäumt werden.

Nach und nach nahm Mohrs Idee Form an, bis Juni soll das erste Haus fertig sein. Geholfen haben ihm dabei die Gespräche mit anderen Gründern, die er beispielsw­eise in dem Duisburger Social Impact Lab bei Haniel gefunden hat. Dort bekommt er Beratung, Coaching, ein Co-Working Space und Kontakte auf einen Schlag. Generell waren es Begegnunge­n mit interessie­rten Men-

ausge- schen, die den ohnehin schon hoch motivierte­n Tüftler bestärkt haben dran zu bleiben. Weitergebr­acht haben Mohr auch Gespräche mit Unternehme­rn und Hilfsorgan­isationen. Letztere sind auch potenziell­e Kunden, genauso wie die Regierunge­n. Denn durch die leicht transporta­blen Bauteile wäre es möglich, Dörfer in den Heimatländ­ern der Flüchtling­e entstehen zu lassen. Eine Lösung, die im Sinne aller Beteiligte­n wäre.

„Eine Plane über dem Kopf reicht nicht, wir brauchen dauerhafte, lebensfähi­ge Siedlungen“

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