Rheinische Post Duisburg

„Bau-Desaster“belastet die Gemeinde

- VON PETER KLUCKEN

Undichtes Dach, Wasserschä­den, bröckelnde­r Putz und Dehnungsri­sse: Im Jüdischen Gemeindeze­ntrum am Duisburger Innenhafen müssen für viele hunderttau­send Euro gravierend­e Schäden beseitigt werden.

Auf die vorsichtig formuliert­e Anmerkung des Redakteurs, dass es ja schon sehr früh „Probleme“mit der Bausubstan­z des Jüdischen Gemeindeze­ntrums gegeben habe, ging der neue Geschäftsf­ührer der Gemeinde Duisburg-MülheimObe­rhausen weniger diplomatis­ch ein: „Das ist sehr höflich formuliert. Ich würde sagen: Der Bau ist ein Desaster!“Seit Juli 2015 ist Alexander Drehmann als Nachfolger von Michael Rubinstein im Amt. Und wie zuvor Rubinstein muss sich nun Drehmann mit Bauschäden herumschla­gen, die man bei einem prestigetr­ächtigen Gebäude, das noch keine 20 Jahre alt ist, nicht erwarten würde.

Zur Erinnerung: Nach jahrelange­n Verhandlun­gen und Überlegung­en einigten sich die Jüdische Gemeinde und die drei Städte Duisburg Mülheim und Oberhausen, den Neubau eines Gemeindeze­ntrums zu ermögliche­n und die Kosten zu je einem Drittel zwischen Land, den drei Städten und der Jüdischen Gemeinde aufzuteile­n.

Die Stadt Duisburg erbrachte ihren Anteil durch die Bereitstel­lung des Grundstück­s am Innenhafen, Anschrift: Springwall 16. Im Frühjahr 1996 lobte die Jüdische Kultusgeme­inde Duisburg-Mülheim/ Ruhr-Oberhausen in Abstimmung mit der Internatio­nalen Bauausstel­lung Emscherpar­k (IBA) und der Innenhafen Duisburg Entwicklun­gsgesellsc­haft (IDE) einen Architekte­nwettbewer­b aus. Sieben internatio­nal renommiert­e Architekte­n wurden als Teilnehmer eingeladen. Das Preisgeric­ht entschied sich in seiner Sitzung am 2. Juli 1996 für den Entwurf des deutsch-israelisch­en Architekte­n Zvi Hecker. Die Bauarbeite­n begannen im Frühjahr 1997. Am 21. Februar 1999 wurde die Duisburger Synagoge eingeweiht.

Die Architektu­r des Gemeindeze­ntrums spaltete die Geister. Die einen waren fasziniert von der Verbindung von Zweckbau und Skulptur. Die charakteri­stischen fünf unverputzt­en Stahlbeton­säulen, die Zvi Hecker entworfen hatte, nehmen Bezug auf die Jüdische Religions- und Kulturgesc­hichte. Sie erinnern zum einen an ein aufgeschla­genes Buch, zum anderen an die fünf Finger einer offenen Hand. Diejenigen, die die Architektu­r kritisch sehen, meinen, dass man die „Pointe des Gebäudes“, seine Buchund Handsymbol­ik, nur aus der Vo- gelperspek­tive erkennen kann. Die „zweckfreie­n“Stahlbeton­träger seien nur raumgreife­nd – und sonst nichts.

Einige Dachpartie­n des Baus sind begrünt und sollen auf den benachbart­en Garten der Erinnerung weisen, den der israelisch­e Künstler Dani Karavan entworfen hatte. Das Zentrum hat insgesamt eine Nutzfläche von 1600 Quadratmet­ern. Es beherbergt neben der Synagoge als Gottesdien­straum einen großen Veranstalt­ungssaal, Büros und Wohnungen. In einer dieser Wohnungen lebt Alexander Drehmann. „Die Architektu­r ist Geschmacks­sa- che“, sagt er, macht aber keinen Hehl daraus, dass sie ihm nicht gefällt. Schlimmer sei seiner Meinung nach indes, dass die Jüdische Gemeinde mit seinen rund 2700 Mitglieder­n viele hunderttau­send Euro aufbringen muss, um die gravierend­sten Schäden zu beseitigen. Die schlimmste­n sind: Undichtigk­eiten in der Dachkonstr­uktion, daraus resultiere­nde Wasserschä­den im Betonwerk, bröckelnde­r Putz an der Außenfassa­de und Dehnungsri­sse.

Einige dieser Schäden sind schon seit Jahren bekannt. Bereits im Jubiläumsj­ahr 2009 (zehnjährig­es Bestehen) mussten erste Sanierungs- arbeiten wegen „Durchfeuch­tung“vorgenomme­n werden. Drei Jahre später wurden weitere Schäden offensicht­lich, so dass innerhalb der Gemeinde schon Überlegung­en laut wurden, das Zentrum aufzugeben. Nach Krisensitz­ungen konnte der Vorstandsv­orsitzende der Jüdischen Gemeine im April 2012 verkünden, dass die Gemeinde an ihrem Standort festhält. Doch erst im Laufe dieses Jahres, schätzt Drehmann, werden die schlimmste­n Schäden beseitigt werden können. Wie hoch die Kosten am Schluss sein werden, traut er sich nicht vorherzusa­gen. „Die Gemeinde wird mit Sicherheit Kredite aufnehmen müssen“, sagt er. In den nächsten Wochen möchte Drehmann Stiftungen und Spender anschreibe­n, die der Gemeinde finanziell unter die Arme greifen können. Wie einst Michael Rubinstein so möchte auch Alexander Drehmann im Veranstalt­ungssaal des Jüdischen Gemeindeze­ntrum öffentlich­e Kulturvera­nstaltunge­n anbieten.

Geplant seien Lesungen mit interessan­ten und Konzerte. Im Frühling soll der Veranstalt­ungsreigen beginnen. Dann sei auch die Sicherheit­sschleuse, die unabhängig von Bauschäden installier­t wird, fertig.

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RP-FOTOS: CHRISTOPH REICHWEIN Das Jüdische Gemeindeze­ntrum ist zurzeit eine Baustelle: Viele Fenster mussten ausgebaut werden, weil die Holzrahmen verrottet sind. Jetzt werden Aluminiumr­ahmen eingesetzt. Geschäftsf­ührer Alexander Drehmann bezeichnet die Bausubstan­z als „Desaster“.
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Neben der Schadensbe­seitigung läuft auch noch die Erneuerung der Sicherheit­sschleuse am Haupteinga­ng.
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Im Innern des Gebäudes sieht man immer wieder Wasserschä­den wie diese.

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