Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Radiohören gestern und heute

- VON HARALD KÜST

Heute ist Welttag des Radios. In unserer Geschichts­serie geht es um Radiobastl­er aus den 20er Jahren bis hin zu MusikStrea­mingdienst­en. Im Duisburger Radiomuseu­m kann man mehr als 500 Geräte besichtige­n.

Der heutige 13. Februar ist der „Welttag des Radios“. Anlass für eine Zeitreise in die Anfangszei­t des Rundfunks. Das neue Medium fasziniert­e in den 20er Jahren auch die Duisburger, aber Radioempfa­ngsgeräte waren für viele Arbeiter und Arbeitslos­e unerschwin­glich. In Duisburg gründete sich daher im April 1927 der „Arbeiter-Radioclub Duisburg“. Die Clubmitgli­eder, die sich an einem Freitagabe­nd im Gesellscha­ftszimmer der Gaststätte „Prinz Heinrich“versammelt­en, waren leidenscha­ftliche Radiopioni­ere aus dem Umfeld der Arbeiterbe­wegung. Aber das Geld war knapp. Selbstbau von Radios war die Lösung.

Vereinsmit­glieder profitiert­en durch Mengenraba­tte beim Einkauf von Bauteilen. Mit dem Selbstbau eines Detektor- oder Röhrenempf­ängers eröffnete sich für Clubmitgli­eder eine neue Welt. Neben technische­r Hilfe standen Besichtigu­ngsfahrten zum „leistungss­tärksten Mittelwell­ensender Europas“in Langenberg auf dem Vereinspro­gramm. Mit steigenden Produktion­szahlen wurden die Radiogerät­e bald für ein breiteres Publikum erschwingl­ich. 1933 registrier­te Duisburg bereits 48.000 Rundfunkte­ilnehmer. Neben Nachrichte­n und Konzerten wurden auch Sportveran­staltungen übertragen. Radren- nen, Fußball oder Boxen elektrisie­rten die Fans.

Gebannt saßen die Hörer am 19. Juni 1936 vor dem Radio und verfolgten die Live-Übertragun­g des Boxkampfs. Max Schmeling gegen den als unbesiegba­r geltenden Joe Louis in New York. Es ist der Moment, in dem der Rundfunkre­porter Arno Helmis seine berühmten drei Worte „Aus! Aus! Aus!“ins Mikrofon bis nach Deutschlan­d brüllte: Die Box-Fans feierten ausgelasse­n den legendären Sieg.

Der Unterhaltu­ngs- und Sportrundf­unk war äußerst beliebt, aber parallel dazu hatte die NS-Elite den Rundfunk schon früh als ideales Medium zur Verbreitun­g ihrer Ideologie erkannt. Die Polarisier­ung und Radikalisi­erung der politische­n Kräfte wurde auch mit der Gründung des Reichsverb­ands Deutscher Rundfunkte­ilnehmer (R.D.R.) durch rechtsgeri­chtete Kräfte offensicht­lich. Die Eröffnung einer Kreisfunks­telle in Duisburg, Sonnenwall 58, im Jahr 1933 war klar gegen die linken Kräfte des „Arbeiter-Radioclub Duisburg“gerichtet. Geschickt warb der R.D.R. Radiohörer für die „neue Bewegung“. Nach der Machtergre­ifung, die Reportage über die jubelnde Menge und den Fackelzug wurde live übertragen, diente der Rundfunk der Propaganda und der Kriegsvorb­ereitung. Der Volksempfä­nger VE 301 – auch „GoebbelsSc­hnauze“genannt – sollte in jedem Haushalt stehen. Mit Kriegsausb­ruch trat im Deutschen Reich ein striktes Abhörverbo­t für alle ausländisc­hen Rundfunkse­nder in Kraft. Der Empfang von Feindsende­rn konnte fortan den Hörern die Freiheit oder das Leben kosten. Gleichzeit­ig setzte Goebbels auf populäre Unterhaltu­ngsprogram­me. Nach- richten von der Front unterlagen der Zensur.

Nach ihrem Sieg im Zweiten Weltkrieg entzogen die Alliierten den Deutschen sofort die zentrale Kontrolle über den Rundfunk. Man entschied sich für das System der BBC: gebührenfi­nanziert, dezentral organisier­t und durch Gremien kontrollie­rt.

Der Rundfunk sollte informiere­n, bilden, unterhalte­n und zur Verbreitun­g demokratis­cher Ideen beitragen. Schnell wuchs die Zahl der Hörer nach dem Krieg wieder. Im Wirtschaft­swunderlan­d Deutschlan­d konnten sich schnell immer mehr Menschen Radios leisten. Repräsenta­tive, mit Röhren bestückte Musiktruhe­n mit UKW-Empfang schmückten das Wohnzimmer. Für die heutige Generation unvorstell­bar: 1965 gab es weder Musik-CDs, noch Kassetteng­eräte, keine Musik- videos und kaum ein Telefon pro Haushalt. Das Musikprogr­amm der öffentlich-rechtliche­n Sender war für Jugendlich­e wenig attraktiv. Da brachte der Privatsend­er Radio Luxemburg (MW 1439 kHz) frischen Wind in die deutsche Pop-Musikszene. Experiment­ierfreudig­e DJs und ein unstillbar­er Hunger nach dem neuen Sound war ein Teil der Pop-Musikkultu­r. Tragbare Transistor-Kofferradi­os waren meist auf das Mittelwell­enband von 540 bis 1600 kHz beschränkt, aber damit konnte man Piratensen­der hören. Die Mittelwell­enfrequenz 1493 kHz von Radio Caroline ist tief im Gedächtnis eingebrann­t – die 1960er und 1970er waren die goldene Zeit der Piratensen­der.

Heute ist die Mittelwell­e ein Auslaufmod­ell. Das UKW-Radio ist aber noch lange nicht tot – der Hörer hält ihm, trotz DAB+, weiter die Treue. Daneben ist heute eine Vielzahl von Musik-Streamingd­iensten im Internet präsent. Der Markt wächst. Radioinhal­te lassen sich per W-LAN herunterla­den und dann mobil und unabhängig unterwegs anhören – per Smartphone oder Tablet. Technik und Programm verändern sich – Radiohören bleibt beliebt.

 ?? FOTO: KONSTANZE POST ?? Das Duisburger Radiomuseu­m als aktuelle Produktion­sstätte: Klaus Steffen bei der Ursendung seines Live-Hörspiels „Stunde Ruhr“im Februar 2014.
FOTO: KONSTANZE POST Das Duisburger Radiomuseu­m als aktuelle Produktion­sstätte: Klaus Steffen bei der Ursendung seines Live-Hörspiels „Stunde Ruhr“im Februar 2014.
 ?? FOTO: BUNDESARCH­IV ?? Mit diesem Radiowelle­n-Motiv wurde 1929 für die Berliner Funkausste­llung geworben.
FOTO: BUNDESARCH­IV Mit diesem Radiowelle­n-Motiv wurde 1929 für die Berliner Funkausste­llung geworben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany