Rheinische Post Duisburg

Wenig Geschichte, aber viel Historie

-

Vieles aus der Vergangenh­eit der Kirche St. Peter und Paul ist heute vergessen. Ihr erster Vorläufer entstand vor knapp 1000 Jahren. Eine Rückschau von Monique de Cleur (Text) und Ute Gabriel (Fotos).

HUCKINGEN Die Kirche St. Peter und Paul blickt auf eine lange Historie zurück. „Hier steht schon seit rund 950 Jahren eine Kirche“, sagt HansGeorg Goworr. Er ist einer der ehrenamtli­chen Küster, kennt sich aus mit dem Gotteshaus. Die erste urkundlich­e Erwähnung ist für 1072 nachgewies­en. Auch die Figuren im Inneren zeugen von der langen Vergangenh­eit des Gotteshaus­es; das älteste Stück stammt immerhin aus dem 12. Jahrhunder­t – nur ein Jahrhunder­t nach den Anfängen der ursprüngli­chen Kapelle.

Doch auch wenn viele historisch­e Stücke die gegenwärti­ge Kirche bereichern: Ihre Geschichte ist in der Vergessenh­eit versunken. „Wir wissen die Schnitzer nicht; wir wissen nicht, wer sie hergestell­t hat“, bedauert Goworr.

Geschichte vielleicht wenig; Geschichte­n aber hat St. Peter und Paul reichlich zu erzählen. Die zum Beispiel von Maria Magdalena, der besagten ältesten Schnitzere­i. Ihre langen, offen getragenen Haare künden vom Bild der Hure.

Oder die von Pest und Hochwasser – dunkle Bestandtei­le der Huckinger Geschichte: Hinter dem Altar prangt das alte Huckinger Wappen über den Teppichen der vier Evangelist­en und kündet mit seinen drei Kreuzen vom Schwarzen, mit drei Booten vom nassen Tod.

Bei all dieser langen Geschichte: Die jetzige Kirche wurde erst ab 1877 gebaut. Zunächst entstand nur der heute vordere Teil, vom Altar bis zur Höhe der Kanzel. Der hintere Teil folgte gut zehn Jahre später, „weil die Gemeinde zu groß geworden war mit damals 3000 Gläubigen“. Ihrem Wachstum musste 1894 der Friedhof weichen: Er zog an seinen heutigen Standort an der Raiffeisen­straße um.

Damals wie heute: Die Huckinger sprechen von ihrer Kirche liebevoll als „Dom“, selbst ein nahegelege­nes Geschäft nennt sich „am Dom“. Wer genau hinsieht, entdeckt im kleinen Dom einen großen; den größten: „Wir haben den Petersdom im Huckinger Dom“, sagt Goworr mit einem Schmunzeln und deutet auf ein Fenster des Kirchenmal­ers Günther Reul.

Die Fenster sind, wie viele Kirchenfen­ster, bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr Original. Dabei hatte St. Peter und Paul im Zweiten Weltkrieg Glück: „Die Kirche hat im Krieg nicht viel Schaden genommen.“Allerdings gingen die Fenster zu Bruch, und „das Pfarrhaus hat einen Treffer abbekommen“.

Zu Bruch drohte übrigens wenige Jahre nach Bau die gesamte Kirche zu gehen: Die Säulen erwiesen sich als zu schwach, um das Gewicht des Dachs auf Dauer zu stemmen – „es gab Risse“, sagt Goworr. Als Unterstütz­ung bekamen die Säulen an ihrem oberen und unteren Ende Manschette­n umgelegt und zusätzlich­e Stahlsäule­n zur Seite gestellt. Heute noch lassen sich so die Säulen der ursprüngli­chen, kleineren Kirche von denen unterschei­den, die den späteren Anbau tragen.

So viel Glück die Kirche selbst hatte, als ihr Einsturz verhindert wurde, so viel Pech hatten viele Jahre später die Figuren von Maria und Josef, die sich nahe des Altars gegenüber hängen. „Die waren früher reich bemalt“, sagt Goworr. Davon ist nicht ein Pinselstri­ch mehr zu sehen. Schuld ist eine missglückt­e Restaurier­ung: Die Arbeiter setzten mit dem Schwamm an, um den Schmutz der Zeit abzuwasche­n. Nur bedachten sie dabei nicht, dass die damals verwendete Kalkfarbe ebenfalls wasserlösl­ich war.

Und die Schutzpatr­one der Kirche, St. Peter und Paul? Petrus mit dem Schlüssel und Paulus mit dem Schwert stammen ungefähr aus dem 16. bis 17. Jahrhunder­t. Sie zieren die Säulen vor dem Altar, auch einander zugewandt. Aber in Farbe.

 ??  ?? Auch wenn an dieser Stelle schon seit 950 Jahren eine Kirche steht: Das heutige Gebäude wurde erst ab 1877 errichtet.
Auch wenn an dieser Stelle schon seit 950 Jahren eine Kirche steht: Das heutige Gebäude wurde erst ab 1877 errichtet.
 ??  ?? Ein Trick macht die Säulen stark genug, um die Last der Kirche zu tragen.
Ein Trick macht die Säulen stark genug, um die Last der Kirche zu tragen.
 ??  ?? Die älteste Schnitzere­i zeigt Maria Magdalena.
Die älteste Schnitzere­i zeigt Maria Magdalena.
 ??  ?? Hans-Georg Goworr kennt sich aus mit seinem Gotteshaus.
Hans-Georg Goworr kennt sich aus mit seinem Gotteshaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany